Wann & Wo 17.01.2016
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
„<br />
WANN & WO Sonntag, 17. Jänner 2016 11<br />
und im Internet findet man eh<br />
alles – Hitlers „Mein Kampf“ macht<br />
mir keine Angst, mir machen ganz<br />
andere Sachen Angst. Wenn ich ins<br />
Netz schaue wie über Köln diskutiert<br />
wird, über die Muslime.<br />
WANN & WO: Wie bewerten Sie die<br />
Politik in Österreich?<br />
Hanno Loewy: Die FPÖ hat auch<br />
hier einige Jahre Stimmungsmache<br />
gegen Ausländer gemacht, und<br />
auch das hat Egger zu verantworten<br />
gehabt. Aber es scheint, er<br />
hat sich entschieden auf diese Art<br />
der Polarisierung weitgehend zu<br />
verzichten. Das ist gut so und ich<br />
hoffe, dass es so bleibt. Die FPÖ im<br />
Bund tut das nicht. Personen, die<br />
öffentlich mit antisemitischer oder<br />
antimuslimischer Hetze auf sich<br />
aufmerksam. Trotzdem spielt die<br />
Bundes-FPÖ immer weiter mit Polarisierung<br />
Zweideutigkeiten. Und<br />
dann verteidigt die FPÖ noch Israel<br />
als Bollwerk gegen „das Böse aus<br />
dem Osten“ und spielt Juden gegen<br />
Muslime aus. Ich als Jude pfeife<br />
ehrlich gesagt darauf, für so ein<br />
zynisches Spiel benutzt zu werden.<br />
Mir ist es komplett egal, ob mich ein Ur-Hohenemser<br />
auf der Straße als „Judenschwein“ beschimpft, was<br />
mir schon passiert ist, oder ein türkischer<br />
Jugendlicher, was mir auch schon passiert ist.<br />
Hanno Loewy über alten und neuen Antisemitismus<br />
Hanno Loewy: Ich hab da mehr<br />
Sorgen, wie die Stadt in Zukunft<br />
mit den Flüchtlingen umgehen<br />
wird. Wird man sich da in<br />
eine Hysterie hineinreden lassen<br />
oder wird man konstruktiv bzw.<br />
wertschätzend mit den Menschen<br />
umgehen, die zum Arbeiten gekommen<br />
sind. Bis dato hat es die Stadt<br />
so getan – also auf Augenhöhe zu<br />
kommunizieren und Probleme auch<br />
ernst nehmen. Wenn es Konflikte<br />
gibt, diese mit Respekt ansprechen,<br />
aber auch wenn man etwas ansprechen<br />
muss, dies auch entschieden<br />
tun.<br />
WANN & WO: Wie sehen Sie die<br />
momentane Flüchtlingspolitik?<br />
Hanno Loewy: Das ist eine<br />
Mischung aus Hilflosigkeit und<br />
Vernunft, gutem Willen und Mut.<br />
Schwierig zu definieren. Es gibt<br />
Unterschiede, wie damit umgegangen<br />
wird. In Vorarlberg verhält man<br />
sich klüger, weil die Bedingungen<br />
günstiger sind und die Kleinräumigkeit<br />
der Zivilgesellschaft ein<br />
riesiger Vorteil ist. Es gelingt bis<br />
jetzt, Flüchtlinge menschenwürdig<br />
unterzubringen. Alles ist heute nur<br />
möglich, weil unzählige Menschen<br />
freiwillig helfen – und diese müssen<br />
sich dann noch als „Gutmenschen“<br />
beschimpfen lassen. Wenn<br />
diese Motivation wegfällt, und<br />
die bezahlten Kräfte (Caritas und<br />
Behörden etc.) das alleine schaffen<br />
“<br />
auf der Straße als „Judenschwein“<br />
beschimpft, was mir schon passiert<br />
ist, oder ein türkischer Jugendlicher,<br />
was mir auch schon passiert ist. Ich<br />
möchte weder von einem Ur-arischen<br />
Hohenemser, noch von einem<br />
türkischen Migranten so be schimpft<br />
werden. Ich will beides nicht. Aber<br />
Antisemitismus gibt es überall.<br />
WANN & WO: Wie schaut das<br />
moderne Judentum aus?<br />
Hanno Loewy: Das Judentum<br />
besteht aus vielen „Judentümern“.<br />
Was dabei modern ist und was<br />
nicht, weiß man nicht genau, weil<br />
manchmal kommen alte Sachen<br />
wieder, sind dann neu aber auch<br />
ganz alt. Etwa die jüdische Orthodoxie.<br />
Die hat vor 100 Jahren keine<br />
große Rolle gespielt hat, jetzt aber<br />
schon. Wenn ich an die Nationalreligiösen<br />
in Israel denke, die<br />
von ihrer ideoligischen Qualität so<br />
etwas wie Islamisten sind, nur halt<br />
jüdische, welche die Religion für<br />
ihre politischen Ziele verfolgt, das ist<br />
etwas ganz Modernes. Ein Krisenphänomen.<br />
Juden, als Volk, haben<br />
immer die Möglichkeit sich mehr für<br />
Aber in Europa oder den USA kann<br />
auch Rabbiner finden, die helfen<br />
könnten, wenn man jüdische Vorfahren<br />
gehabt hat, wenn man konvertieren<br />
will und es ihm glaubhaft<br />
macht oder man möchte die Religion<br />
des Partners annehmen. Aber es ist<br />
mühsam, viele Fragen und zwei-drei<br />
Jahre lernen.<br />
WANN & WO: Was halten Sie von<br />
Komikern wie Stermann und Grissemann,<br />
die Persiflagen Richtung<br />
Nationalsozialismus machen?<br />
Hanno Loewy: Lachen ist nichts<br />
was man darf oder nicht darf.<br />
Lachen muss man. Es hängt davon<br />
ab, ob ein Witz gut ist und zu dem<br />
passt, was man komisch findet. Ich<br />
habe weder Probleme über Nazis zu<br />
lachen noch über Juden, ich kann<br />
auch über Vorarlberger lachen. Man<br />
lacht über menschliche Schwächen,<br />
am Besten die eigenen. Aber es gibt<br />
Witze die Leute verächtlich machen,<br />
die finde ich grundsätzlich doof.<br />
Zurück zu Stermann und Grissemann:<br />
„Cordoba“ (Anmk.: Youtube:<br />
Cordoba, wie es wirklich war)<br />
gehört zum Witzigsten was es gibt.<br />
WANN & WO: Dieter Egger ist nun<br />
Hohenemser Bürgermeister. Was<br />
bedeutet das für Sie?<br />
Hanno Loewy: Ich nehme das<br />
sportlich (schmunzelt). Für mich<br />
bedeutet das nicht viel. Unsere<br />
Arbeit ist nicht abhängig vom<br />
Bürgermeister, sondern wie die<br />
Menschen arbeiten und was sie<br />
im Museum tun. Dieter Egger hat<br />
in der Vergangenheit noch nicht<br />
öffentlich gezeigt, dass er die<br />
jüdische Geschichte hier in der<br />
Stadt besonders wichtig findet.<br />
Aber das kann ja auch anders sein.<br />
Es ist eine Herausforderung für ihn,<br />
denn er hat eine Zeit lang als Politiker<br />
polarisiert. In letzter Zeit hat er<br />
auch gezeigt, dass er bei bestimmten<br />
politischen Fragen anders kann.<br />
Aber jetzt kommt: „The proof of the<br />
pudding is the proof of the eating.“<br />
Was das Jüdische Museum für<br />
Hohenems bedeutet, das weiß er.<br />
WANN & WO: Wie sehen Sie die<br />
Flüchtlingsthematik?<br />
„<br />
Ich habe weder Probleme mich über Nazis lustig<br />
zu machen noch über Juden, ich kann mich auch<br />
über Vorarlberger lustig machen.<br />
Hanno Loewy über Komik<br />
sollen, würde es zu einem Desaster<br />
führen. Und diese Motivation hängt<br />
von der Stimmung ab. Jeder, der<br />
Hysterie gegen Flüchtlinge verbreitet,<br />
sollte wissen, dass er mit dem<br />
Feuer spielt.<br />
WANN & WO: Was ist an dem Vorfwurf<br />
des „importierten Antisemitismus“<br />
dran?<br />
Hanno Loewy: Wenn, wird dieser<br />
dann exportiert. Mir ist es komplett<br />
egal, ob mich ein Ur-Hohenemser<br />
“<br />
weltliche Tradition oder religiöse<br />
Gesetzestreue zu entscheiden. Es<br />
gibt ein breites Spektrum, wo man<br />
sich als Jude verortet.<br />
WANN & WO: Mein Ur-Großvater<br />
war Jude, meine Oma war Jüdin.<br />
Könnte ich um eine israelische<br />
Staatsbürgerschaft ansuchen?<br />
Hanno Loewy: Keine Chance<br />
(lacht)! Das geht nur über einen<br />
orthodoxen Rabbiner und der will<br />
wissen, ob die Mutter Jüdin war.<br />
WANN & WO: Haben Sie einen<br />
guten jüdischen Witz?<br />
Hanno Loewy: Ich? Das Problem<br />
ist, dass man die meisten jüdischen<br />
Witze schon so oft gehört hat. Ein<br />
Witz, denn wir immer wieder sagen,<br />
da wir hoffen, dass wir uns der<br />
Schulden durch das Lotto spielen<br />
entledigen können, geht folgendermaßen:<br />
„Moritz betet zu Gott: ‚Bitte<br />
lass uns im Lotto gewinnen.‘ Und er<br />
tut es immer wieder und immer wieder<br />
und immer wieder und irgendwann<br />
wird es Gott zu blöd und er<br />
sagt: ‚Moritz, kauf dir endlich ein<br />
Los!‘“<br />
CHRISTOPH ŠELNER<br />
christoph.selner@wannundwo.at<br />
WORDRAP<br />
Vorarlberg: Pragmatismus und<br />
Lebenskultur<br />
Judentum: Weiter Horizont<br />
Hohenems: Widerspüche<br />
Museum: Entspannt die Widersprüche<br />
ertragen,<br />
auch die größeren, als<br />
die Hohenemser<br />
Familie: Kraft<br />
Literatur: Aus der Zeit<br />
heraustreten<br />
Freizeit: Wandern auf die<br />
Lindauer Hütte und<br />
Rodeln hinunter