dräum | ausgabe 4 | 12/2015
dräum ist ein periodikum von andreas leonhard hilzensauer – dräum is a periodical by andreas leonhard hilzensauer
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RAUSCH<br />
RAUSCH<br />
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RAUSCH<br />
RAUSCH TEIL 10<br />
RAUSCH<br />
Wohltäter mit reinstem Gewissen und feinem Wohlstandsbauch,<br />
was will man mehr – aber jetzt mal was anderes, wie<br />
geht’s denn eigentlich der Uschi?, geht die noch mit dem<br />
Orthopäden?, macht die noch Gymnastik?, ich meine, ich<br />
hab die mal gesehen, in ihren engen Hosen und knappen<br />
Tops, was für ein Anblick, wenn die sich bückt, vergisst man<br />
ganz, dass man eigentlich Verpflichtungen hat, zum Beispiel<br />
in der Gewerkschaft, oder im Freibad, zweimal pro Woche<br />
Knirps-Schwimmen, da muss ich aufpassen, dass kein Kind<br />
absäuft, ist ja schlecht fürs Image, nicht jede PR ist gute PR,<br />
da muss man schon ein wenig unterscheiden; die Regierung<br />
führt Stricherllisten über die ertrunkenen Kinder in den<br />
Bädern, und je mehr da zusammen kommen, desto kleiner<br />
fällt die Förderung aus – jetzt haben’s mich eingestellt, meine<br />
Kosten amortisieren sich sozusagen wie von selbst, unser<br />
Schwimmbad, und das sage ich mit vollstem Stolz, bezieht<br />
seit Jahren die höchste Förderung des Landes, dafür streich<br />
ich mir halt dann gelegentlich ne Uhr ein, oder eine Luis Vitton<br />
– meine Frau soll ja auch was von haben, dass ich so viel<br />
arbeite, ja, schon viel, ich bin wie gerädert nach einem Tag<br />
Kinder aus dem Wasser schleppen, schwer sind die heutzutage,<br />
das glaubst du ja gar nicht, damals, in den guten alten<br />
Zeiten, da waren die Kinder so leicht, die sind am Wasser<br />
geschwommen, die konnte man übern Fußballplatz schleudern,<br />
wenn man wollen hätte, und dürr waren die, hätt’st<br />
locker fünfzig in einen Pater Noster bekommen, jaja, die<br />
guten alten Zeiten, heut gibt’s ja nicht nur keine dürren Kinder<br />
mehr, fett sind die alle, auch die Pater Noster hamm’se<br />
ausgerottet – zu gefährlich, lieber überall die immergleichen<br />
OTIS Kästen, aber man will sich ja nicht aufregen, uns geht’s<br />
ja eh gut, hab einen Fernseher, ein Auto UND ein Fahrrad,<br />
hab ne Frau und zwei Kinder, ja, auch fett, aber da kann ich<br />
nichts dafür, und einen Hobbyraum, in dem ich aus Bierdeckeln<br />
Idealbilder baue, ich kann mich nicht beschweren –<br />
Bar!, Bier!.<br />
Am Strand liegt Unrat ohne Ende, rastlos taumelt<br />
der Gestrandete umher, bemerkt, die ganze Insel ist aus<br />
Unrat, Plastik, wo man hinsieht Plastik, bis zum Horizont<br />
der Augen wabert dieses Ding aus Plastik übers Meer, wieder<br />
schwimmen oder wandern?, die Antwort lag klar, das<br />
Schwimmen zehrt zu sehr, und so weit kann’s auch nicht sein;<br />
Woche um Woche strichen in die Welt, hie und da ein Kübel,<br />
in dem Regenwasser trinkbar war, da und dort ein Fisch, am<br />
Granulat verendet, sonst hauptsächlich Sonnenbrand und<br />
Einsamkeit; ein ganzer Kontinent durchquert sich nun mal<br />
nicht von selbst; dort, wo – beim maßstabsgetreuen Verwandten<br />
die Hauptstadt liegt, steht doch tatsächlich ein Parlament,<br />
darin die Vertreter aller Meeresländer, verhandelnd über den<br />
Gegenschlag, die Vergeltung für die ewige Vergiftung: unser<br />
aller Welt, meine Freunde, unsre ganze Welt zu Grund gerichtet<br />
von diesen Affen, wäre es nur die schwarze Pest, die<br />
klebrige, die unser Firmament verschwärzt, ja, da würden wir<br />
schon irgendwie mit leben können, nicht wegen der Netze,<br />
die uns alle ins Verderben reißen, das ist Qual und Massenmord,<br />
jedoch in Anbetracht der Weite unserer Welt verkraftbar;<br />
aber das, werte Mitnauten, dieser Kontinent des Plastiks,<br />
ist zu viel, wir töten allesamt, nicht, weil es uns noch retten<br />
würde, sondern einfach deshalb, weil wir eh schon alle des<br />
Todes sind – dann sollen sie zumindest mit uns gehen, wir<br />
... – da bricht der Redner ab, starrt zum Eingang, blickt erbost<br />
und schreit: ein Mensch, ein Hurenkind von Mensch!, greift<br />
ihn, bringt ihn mir, heut gibt’s feinstes Grillfleisch!<br />
Das Gottesweib am einen End, der Göttermann am anderen,<br />
dazwischen stilles Schweigen und das laute Missverständnis;<br />
er betrunken, sie frustriert, zeigen gegenseitig auf die Mängel,<br />
kennen keine Eintracht, hinterrucks schleicht die Schlange,<br />
lispelt Abgründigkeiten, macht sich die Feinde zum Freund<br />
und die Freunde zu Feind’, am Ende trifft man sich in der<br />
Mitte, widerwillig, macht einen Kompromiss, dass man sich<br />
einigt, die Menschheit zu erhalten, wenn’s denn sein muss.