31.12.2015 Views

dräum | ausgabe 4 | 12/2015

dräum ist ein periodikum von andreas leonhard hilzensauer – dräum is a periodical by andreas leonhard hilzensauer

dräum ist ein periodikum von andreas leonhard hilzensauer – dräum is a periodical by andreas leonhard hilzensauer

SHOW MORE
SHOW LESS

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

RAUSCH<br />

RAUSCH<br />

RAUSCH<br />

RAUSCH<br />

RAUSCH<br />

RAUSCH<br />

RAUSCH TEIL 10<br />

RAUSCH<br />

Wohltäter mit reinstem Gewissen und feinem Wohlstandsbauch,<br />

was will man mehr – aber jetzt mal was anderes, wie<br />

geht’s denn eigentlich der Uschi?, geht die noch mit dem<br />

Orthopäden?, macht die noch Gymnastik?, ich meine, ich<br />

hab die mal gesehen, in ihren engen Hosen und knappen<br />

Tops, was für ein Anblick, wenn die sich bückt, vergisst man<br />

ganz, dass man eigentlich Verpflichtungen hat, zum Beispiel<br />

in der Gewerkschaft, oder im Freibad, zweimal pro Woche<br />

Knirps-Schwimmen, da muss ich aufpassen, dass kein Kind<br />

absäuft, ist ja schlecht fürs Image, nicht jede PR ist gute PR,<br />

da muss man schon ein wenig unterscheiden; die Regierung<br />

führt Stricherllisten über die ertrunkenen Kinder in den<br />

Bädern, und je mehr da zusammen kommen, desto kleiner<br />

fällt die Förderung aus – jetzt haben’s mich eingestellt, meine<br />

Kosten amortisieren sich sozusagen wie von selbst, unser<br />

Schwimmbad, und das sage ich mit vollstem Stolz, bezieht<br />

seit Jahren die höchste Förderung des Landes, dafür streich<br />

ich mir halt dann gelegentlich ne Uhr ein, oder eine Luis Vitton<br />

– meine Frau soll ja auch was von haben, dass ich so viel<br />

arbeite, ja, schon viel, ich bin wie gerädert nach einem Tag<br />

Kinder aus dem Wasser schleppen, schwer sind die heutzutage,<br />

das glaubst du ja gar nicht, damals, in den guten alten<br />

Zeiten, da waren die Kinder so leicht, die sind am Wasser<br />

geschwommen, die konnte man übern Fußballplatz schleudern,<br />

wenn man wollen hätte, und dürr waren die, hätt’st<br />

locker fünfzig in einen Pater Noster bekommen, jaja, die<br />

guten alten Zeiten, heut gibt’s ja nicht nur keine dürren Kinder<br />

mehr, fett sind die alle, auch die Pater Noster hamm’se<br />

ausgerottet – zu gefährlich, lieber überall die immergleichen<br />

OTIS Kästen, aber man will sich ja nicht aufregen, uns geht’s<br />

ja eh gut, hab einen Fernseher, ein Auto UND ein Fahrrad,<br />

hab ne Frau und zwei Kinder, ja, auch fett, aber da kann ich<br />

nichts dafür, und einen Hobbyraum, in dem ich aus Bierdeckeln<br />

Idealbilder baue, ich kann mich nicht beschweren –<br />

Bar!, Bier!.<br />

Am Strand liegt Unrat ohne Ende, rastlos taumelt<br />

der Gestrandete umher, bemerkt, die ganze Insel ist aus<br />

Unrat, Plastik, wo man hinsieht Plastik, bis zum Horizont<br />

der Augen wabert dieses Ding aus Plastik übers Meer, wieder<br />

schwimmen oder wandern?, die Antwort lag klar, das<br />

Schwimmen zehrt zu sehr, und so weit kann’s auch nicht sein;<br />

Woche um Woche strichen in die Welt, hie und da ein Kübel,<br />

in dem Regenwasser trinkbar war, da und dort ein Fisch, am<br />

Granulat verendet, sonst hauptsächlich Sonnenbrand und<br />

Einsamkeit; ein ganzer Kontinent durchquert sich nun mal<br />

nicht von selbst; dort, wo – beim maßstabsgetreuen Verwandten<br />

die Hauptstadt liegt, steht doch tatsächlich ein Parlament,<br />

darin die Vertreter aller Meeresländer, verhandelnd über den<br />

Gegenschlag, die Vergeltung für die ewige Vergiftung: unser<br />

aller Welt, meine Freunde, unsre ganze Welt zu Grund gerichtet<br />

von diesen Affen, wäre es nur die schwarze Pest, die<br />

klebrige, die unser Firmament verschwärzt, ja, da würden wir<br />

schon irgendwie mit leben können, nicht wegen der Netze,<br />

die uns alle ins Verderben reißen, das ist Qual und Massenmord,<br />

jedoch in Anbetracht der Weite unserer Welt verkraftbar;<br />

aber das, werte Mitnauten, dieser Kontinent des Plastiks,<br />

ist zu viel, wir töten allesamt, nicht, weil es uns noch retten<br />

würde, sondern einfach deshalb, weil wir eh schon alle des<br />

Todes sind – dann sollen sie zumindest mit uns gehen, wir<br />

... – da bricht der Redner ab, starrt zum Eingang, blickt erbost<br />

und schreit: ein Mensch, ein Hurenkind von Mensch!, greift<br />

ihn, bringt ihn mir, heut gibt’s feinstes Grillfleisch!<br />

Das Gottesweib am einen End, der Göttermann am anderen,<br />

dazwischen stilles Schweigen und das laute Missverständnis;<br />

er betrunken, sie frustriert, zeigen gegenseitig auf die Mängel,<br />

kennen keine Eintracht, hinterrucks schleicht die Schlange,<br />

lispelt Abgründigkeiten, macht sich die Feinde zum Freund<br />

und die Freunde zu Feind’, am Ende trifft man sich in der<br />

Mitte, widerwillig, macht einen Kompromiss, dass man sich<br />

einigt, die Menschheit zu erhalten, wenn’s denn sein muss.

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!