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dräum | ausgabe 4 | 12/2015

dräum ist ein periodikum von andreas leonhard hilzensauer – dräum is a periodical by andreas leonhard hilzensauer

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steh das alles nicht. Wozu soll das gut sein? Dürfen die das?“<br />

/ „Weißt du ...“ / „Und warum hat der im Radio nichts davon<br />

gesagt? Warum dann ungeklärte Ursachen?“ / „Kind, hör mir<br />

zu. Es ist eine Art Geheimnis. Beweise gibt es nie, die verunfallten<br />

Wagen sind immer völlig zerstört und die Opfer meist<br />

auf der Stelle tot. Zeugen gibt es genauso wenig wie irgendwelche<br />

Hinweise auf Fremdverschulden, es ist ja kaum noch<br />

was übrig von den Karren. Und die Geister, die sind längst<br />

in der Nacht verschwunden, ehe irgendwer beginnt, dumme<br />

Fragen zu stellen.“ / „Aber, Dad, das ist doch Mord?“ / „Ja,<br />

irgendwie schon. Aber du musst verstehen, die Geister sind<br />

weltweit, ein Club, gegründet und bezahlt von den großen<br />

KFZ-Konzernen, die stecken Unmengen an Kohle und Forschung<br />

in die Panzerfahrzeuge. Stell dir einen Wagen vor, der<br />

mit zweihundert Meilen einen handelsüblichen Pickup von<br />

der Straße räumen kann, ohne auch nur ins Schlingern zu<br />

geraten. Wir reden hier von Hightech, von hochentwickelter<br />

Kriegstechnologie, unzerstörbaren PS-Monstern, verdammte<br />

Scheiße, das ist beängstigend und beeindruckend zugleich!"<br />

/ "Warum bauen die dann nicht alle Wagen so? […] I need a<br />

dump truck mama to unload my head […] Ich meine, dann<br />

wären doch alle sicher und niemand müsste sterben." / "Und<br />

wer kauft dann noch einen Neuwagen? Einen mit den neuesten<br />

Sicherheitsfeatures? Wäre jeder Wagen eine uneinnehmbare<br />

Festung, dann könnten die großen Marken ihre Läden<br />

dicht machen. Man muss Ängste schüren, um anschließend<br />

die Sicherheit zu verkaufen. So macht man Kohle, das nennt<br />

man Kalkül, mein Kind.“ / „Kalkühl?“ / „Ja, Berechnung, ähm,<br />

Statistik. Wenn pro Unfall so und so viele Wagen in Scherben<br />

gehen, ensteht am Markt eine so und so große Lücke, die<br />

wiederum die Nachfrage nach Neuwagen steigert. Ich meine,<br />

dass die paar Toten dann keine großen Bestellungen mehr<br />

aufgeben, ist klar. Das fällt aber nicht ins Gewicht – Hauptsache,<br />

der Gebrauchtwagenmarkt wird ausgedünnt.“<br />

auf ihre Kappe. Und man wäre überrascht, wie viele<br />

es von den mattschwarzen Boliden gibt, wie oft man nur<br />

knapp dem zerquetschenden Schicksal entrinnt. Kannst du<br />

dich erinnern, letzte Woche, als Frederik sich über den Kratzer<br />

im Lack seines neuen Fünftürers erboste? Das war ein<br />

Geist, nur um Haaresbreite verfehlt. Ein echter Glückspilz,<br />

dieser verdammte Schweinehund.“ / „Und du hast gar keine<br />

Angst?“, fragt er schüchtern, als würde er sich schämen für<br />

seine Frage. „Früher einmal, ja. Inzwischen habe ich eingesehen,<br />

dass man dieses Risiko nun mal eingeht, wenn man<br />

am Highway ist. Und wenn wir morgen früh da sein wollen,<br />

dann kann man es leider nur schwer verhindern. Hast du<br />

denn Angst?“ – selbstverständlich du verschissener Idiot –<br />

sieh ihn dir an! Sieh ihn dir doch an! Viel zu jung ist er noch<br />

für solche verfluchten Geschichten, für solche Märchen, höre<br />

ich seine Mutter plärren, für die Wahrheit, versichere ich mir<br />

selbst. Sein verstörtes Gesichtchen schimmert von Kummer<br />

im Lichte des Radios. Ich habe keine Ahnung, was ich auf sein<br />

Schweigen antworten soll.<br />

„Ich beweise dir, dass du keine Angst zu haben brauchst.“<br />

HA! Ich wusste, dass ich dich damit krieg! […] because something<br />

is happening here_but you don't know what it is_<br />

do you, Mister Jones? […] Danke Bob, mach Pause. „Es dauert<br />

nie lange, bis man einen der Geister hören kann. Man muss<br />

es nur wissen, dann gelangen sie ins Bewusstsein, drängen<br />

sich förmlich auf. Seitdem wir unterwegs sind, und du wirst<br />

staunen, haben uns zwölf Geister passiert. Und fällt dir was<br />

auf?“ Ich liebe diesen Blick. „Wir leben noch?“ / „Genau, mein<br />

Sohn, wir leben noch, verdammt noch mal, wir leben noch.<br />

Und was lernst du daraus?“ / „Dass. Man. Keine. Angst haben<br />

muss?“ Ich spare mir die anerkennenden Worte, ich forme<br />

kleine Pistolen und feuere zur Feier in den Himmel, während<br />

ich mit dem Knie die Spur halte. Er lächelt. Na Bitte.<br />

„Passieren alle Unfälle so?“ / „Tagsüber sind die Leute selber<br />

schuld, unachtsam, dumm. Aber nach Sonnenuntergang,<br />

wenn die Welt wie jetzt im Dunkel schläft, ja, dann fliegen<br />

die Geister und tänzeln umher, dann geht fast jeder Unfall<br />

„Also“, sage ich, „warte auf ein dumpfes Summen, ein Vibrieren,<br />

weniger hör- als spürbar; es lässt deinen Magen brennen<br />

und deinen Hodensack schrumpfen, es raubt dir deine gottgegebene<br />

Hoffnung, dass es noch ein Morgen geben und

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