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moments - Das Magazin für die schönsten Augenblicke

Ausgabe Dezember 2015

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WERTE<br />

FUNDAMENTE UNSERER KULTUR<br />

SERIE: TEIL 19<br />

UNABHÄNGIGKEIT<br />

iogenes, der griechische Weise,<br />

D<br />

war bedürfnislos und lebte vom<br />

Betteln, wobei er behauptete: „Ich<br />

fordere zurück.“ Manchmal bettelte<br />

er zum Erstaunen seiner Mitbürger<br />

nicht sie, sondern <strong>die</strong> Statuen<br />

Athens an. Als man ihn fragte,<br />

warum er das tue, <strong>die</strong> Steinfiguren<br />

könnten ihm doch gar nichts geben, sagte<br />

er: „Ich übe mich im<br />

Nichtsbekommen.“ <strong>Das</strong><br />

wahre Glück bestand <strong>für</strong><br />

ihn in der Tugend und in<br />

der Unabhängigkeit. Als<br />

sein Freund Aristippos ihn<br />

beim Kohlwaschen überraschte<br />

und rügte: „Würdest<br />

du dich den Königen<br />

angenehm machen,<br />

brauchtest du deinen Kohl<br />

nicht selbst zu waschen“.<br />

– „Und wenn du deinen Kohl selber waschen<br />

würdest“, erwiderte Diogenes, „müsstest du<br />

dich nicht den Königen angenehm machen.“<br />

Die Anekdote umreißt das Unabhängigkeitsproblem.<br />

Scott Nearing und seine Frau kauften<br />

im Neu-England-Staat Vermont eine kleine<br />

ruinöse Farm, <strong>die</strong> sie mithilfe von drei Nachbarn<br />

und einem Zimmermann reparierten.<br />

Unabhängigkeit ist<br />

das größte Gut, das<br />

ich errungen habe.<br />

SIMON BOLIVAR<br />

VON MICHAEL KORTH<br />

Doch wovon sollten sie leben? Sie spezialisierten<br />

sich auf Ahorn-Sirup, deren Produktion<br />

ihnen eine zuverlässige Einnahmequelle<br />

garantierte. Sie wollten kein Geld scheffeln,<br />

sondern nur das Mindesteinkommen <strong>für</strong> zwölf<br />

Monate ver<strong>die</strong>nen. Wohnen, Wasser und Heizung<br />

waren kostenfrei, denn Brennholz holten<br />

sie aus dem Wald. Der Garten lieferte frisches<br />

Obst und Gemüse. Einen Teil der Ernte tauschten<br />

sie gegen Produkte<br />

anderer Erzeuger von Nüssen,<br />

Ölen, Bekleidung. Sie<br />

kauften immer nur bar und<br />

vermieden jeden Bankkredit.<br />

War das Bargeld einmal<br />

knapp, verzichteten<br />

sie auf Einkäufe, <strong>die</strong> Geld<br />

erforderten. So gerieten<br />

sie nicht in Abhängigkeit<br />

der Banken und vermieden<br />

den nervenaufreibenden<br />

Druck der „Zins-Sklaverei“. Ihre Wirtschaftsform<br />

basierte auf dem Tauschhandel.<br />

Damit war ihr Einkommen nicht steuerpflichtig.<br />

Hatten sie genug ver<strong>die</strong>nt, stoppten sie<br />

<strong>die</strong> Produktion bis zum nächsten Haushaltsjahr.<br />

So gewannen sie Zeit <strong>für</strong> ihre sozialen<br />

Kontakte und künstlerischen und intellektuellen<br />

Tätigkeiten.<br />

FOTOS: THINKSTOCK<br />

118 <strong>moments</strong> 11/2015<br />

Buch erhältlich im<br />

Buchhandel und bei Thalia.<br />

Preis: 24,90 Euro.

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