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Handwerk<br />
Sie werken und werken<br />
Handwerk I Rund 850 Handwerksbetriebe im Stadtgebiet bilden immer noch den<br />
„goldenen Boden“ der Wirtschaft. Bei ihnen lernt knapp ein Drittel aller Azubis.<br />
Schlaglichter auf einen Wirtschaftszweig, der an Vielfalt nicht zu überbieten ist.<br />
Handwerk in Landshut hat heute<br />
eine Vielfalt, die mancher wohl<br />
auf den ersten Blick gar nicht<br />
vermuten würde. Das gilt allein schon für<br />
den Lebensmittelbereich. Und, man glaubt<br />
es kaum, da gibt es Betriebe, die ihre Tradition<br />
bis zu Zeiten der Landshuter Hochzeit<br />
und weiter zurück verfolgen.<br />
Z. B. das Bäckerhandwerk. Einer der<br />
sich mit Historie richtig gut auskennt, ist<br />
Manfred Gebel, Obermeister der Bäckerinnung<br />
Landshut und stv. Landesinnungsmeister.<br />
Viermal ist die Bäckerei Gebel in<br />
Landshut vertreten. Die „Zentrale“ liegt in<br />
der Schirmgasse Nummer 278: die wohl<br />
kleinste Backstube der Stadt. Schon zu<br />
Zeiten der Landshuter Hochzeit wurde in<br />
diesem Haus gebacken.<br />
Schwein gehabt: Fleisch aus regionaler<br />
Erzeugung<br />
Obermeister der Landshuter Metzgerinnung<br />
ist Jakob Axthaler: fünf Standorte<br />
samt Imbiss mit Mittagsgerichten und auch<br />
Partyservice. Vor bald 60 Jahren hat sein<br />
Vater angefangen, als Pächter in der Seligenthaler<br />
Straße. Heute sind zwei seiner<br />
drei Söhne auch schon Metzgermeister und<br />
im Unternehmen, das über 50 Mitarbeiter<br />
beschäftigt und zu den größten Handwerksbetrieben<br />
der Stadt im Nahrungsmittelbereich<br />
zählt.<br />
Stolz ist die Inhaberfamilie auf zahlreiche<br />
höchste Prämierungen, mit denen ihr<br />
Betrieb immer wieder ausgezeichnet wird.<br />
Einer der Gründe: die Axthalers beziehen ihr<br />
Drei Generationen Metzgermeister in Landshut (von<br />
links): Jakob Axthaler, Inhaber, Sohn Thomas und<br />
Gründer Jakob Axthaler sen.<br />
Schweinefleisch von der bäuerlichen Erzeugergemeinschaft<br />
Schwäbisch Hall.<br />
Lebensader Kfz-Gewerbe<br />
Die Vielfalt des Handwerks reicht natürlich<br />
weit über den Lebensmittelbereich<br />
hinaus. Dabei dreht sich das Meiste um<br />
Mobilität und Immobilien.<br />
Die höchste Zahl an Betrieben und<br />
auch die meisten Mitarbeiter hat wohl das<br />
Kfz-Handwerk, organisiert einerseits in der<br />
Kfz-Innung Niederbayern mit Sitz in Dingol-<br />
„Wir müssen mehr für den Nachwuchs tun“<br />
Kreishandwerksmeister Alfred Kuttenlochner über Perspektiven des Handwerks,<br />
die Rolle der Frauen dabei und die Bedeutung des Werkunterrichts.<br />
Alfred Kuttenlochner, könnte man sagen,<br />
ist einer vom alten Schlag; er legt<br />
Wert auf gute Handwerksqualität und<br />
wäre wohl nicht beleidigt, würde man<br />
ihn konservativ nennen. Und doch ist<br />
er irgendwie anders. Ein gemütlicher<br />
Mensch eigentlich und doch immer<br />
unter Strom; durchaus mit Sturschädelqualitäten.<br />
Und er tanzt auf mehr Hochzeiten<br />
gleichzeitig als andere im ganzen<br />
Leben. Er zählt nebenher chinesische<br />
Städte auf, deren Name der durchschnittliche<br />
Landshuter noch nie gehört<br />
hat, geschweige denn aussprechen<br />
kann. Kuttenlochner hat dort Aufträge<br />
u. a. in BMW-Werken erledigt. Aus diesem<br />
Holz sind Originale geschnitzt.<br />
Die Kreishandwerkerschaft Landshut<br />
hat 706 Betriebe in Stadt und Landkreis<br />
als Vollmitglieder, plus 121 Gastmitglieder.<br />
Die sind auf elf Innungen verteilt.<br />
Metzger-, Maurer- und Kfz-Innung<br />
sind jeweils eigenständig organisiert.<br />
Alle Innungen zusammen bilden in rund<br />
350 (!) Berufen aus.<br />
Herr Kuttenlochner, was haben die<br />
Betriebe eigentlich von einer Mitgliedschaft<br />
bei Ihnen?<br />
10 Landshuter WirtschaftsLEBEN l Ausgabe 1 l Oktober 015<br />
Kuttenlochner: Wir sind eine Solidargemeinschaft.<br />
Eine Interessenvertretung.<br />
Z. B. schaun wir, dass die Mitglieder vom<br />
Know-how her auf dem neuesten Stand<br />
sind. Nehmen Sie nur die neue EnEV, die<br />
nächstes Jahr kommen soll. Die hat für<br />
alle am Bau ein enomes Risikopotenzial.<br />
Da ist von Strafen von bis zu 50 Tausend<br />
Euro die Rede. Wir müssen den Leuten<br />
helfen, damit klarzukommen und so etwas<br />
zu vermeiden. Oft geht es auch um Fragen<br />
der Ausbildung.<br />
Alle klagen über Nachwuchsmangel.<br />
Landshuter Handwerker auch?<br />
Kuttenlochner: Ja, viele haben da schon<br />
Schwierigkeiten. Bäcker und Metzger vor<br />
allem. Wir versuchen, dem gegenzusteuern.<br />
Unser Stand auf der Niederbayernschau<br />
hatte u. a. auch den Zweck der<br />
Nachwuchswerbung. Leider haben nicht<br />
alle Innungen mitgemacht. Es laufen auch<br />
verschiedene andere Aktionen. Aber allem<br />
Anschein nach investiert die Industrie da<br />
mehr. Die holen sich die mit der besseren<br />
Schulbildung.<br />
Braucht es eine gute Schulbildung<br />
fürs Handwerk überhaupt?<br />
Kuttenlochner: Das wird unterschätzt. Ein<br />
guter Handwerker muss denken und das<br />
Denken in die Hand umsetzen können.<br />
Letzteres funktioniert leider immer weniger.<br />
Ich habe schon einen Lehrbuben<br />
gehabt, der hat nicht kehren können. Der<br />
hat nicht gewusst, wie man einen Besen<br />
handhabt. Die haben das oft von klein auf<br />
nicht mehr zu Hause gelernt.<br />
Aber ein Handwerker muss heute beides<br />
können: die nicht so saubere Arbeit machen<br />
und technisches Gerät beherrschen.<br />
Ein Elektriker z. B. muss sich komplexe<br />
Schaltungen ausdenken, aber er muss sie<br />
auch umsetzen können. Hand- und Kopfarbeit.<br />
Die Kopfarbeit wird immer wichtiger.<br />
Ein Lehrling verbringt heute je nach<br />
Berufsfeld zwischen zehn und 32 Wochen<br />
mit überbetrieblicher Unterweisung, also<br />
mit Theorie. Plus Berufsschule. Das ist<br />
praktisch ein ganzes Jahr ..., bis zu einem<br />
Drittel der Lehrzeit.<br />
Kann man heute noch klare Grenzen<br />
zwischen Handwerk und Industrie ziehen?<br />
Kuttenlochner: Oftmals nicht. HighTech<br />
zieht immer mehr im Handwerk ein, und<br />
immer mehr Handwerker arbeiten im industriellen<br />
Bereich. In meinem Betrieb<br />
z. B. machen wir auch Industrieelektrik.<br />
Scheibenklebeanlage z. B., bis nach China.<br />
Oder auch Schaltschränkebau.<br />
Solche Tendenzen müssen sich doch<br />
eigentlich ständig in neuen Aubildungsberufen<br />
niederschlagen.<br />
Kuttenlochner: Tun sie auch. So einer ist