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Newsletter <strong>07</strong>/<strong>15</strong> (Nr. 352) November 20<strong>15</strong><br />
Dokumentation erreicht. Allerdings<br />
weiß Zemeckis dies geschickt mit spektakulären<br />
Bildern zu kompensieren. Die<br />
wirken so unglaublich echt – insbesondere<br />
durch die frappierenden Perspektiven<br />
– dass man keinen Augenblick daran<br />
zweifelt, der Film könnte woanders<br />
als an Originalschauplätzen aufgenommen<br />
worden sein. Doch die Twin<br />
Towers gibt es seit jenem verheerenden<br />
Terrorakt leider nicht mehr. Und so<br />
greifen hier die Tricktechniker ganz tief<br />
in die Trickkiste, um Schwindelgefühle<br />
beim Zuschauer hervorzurufen. Das<br />
Experiment gelingt – insbesondere in<br />
der IMAX-Version, die ich mir in<br />
Bradford angeschaut habe. Was mich<br />
persönlich an Zemeckis‘ Inszenierung<br />
aber stört ist die Tatsache, dass er<br />
“seinen” Philippe Petit alias Joseph<br />
Gorden-Levitt ständig zum Publikum<br />
sprechen lässt. Damit bringt sich der<br />
Film um ein großes Stück Spannung.<br />
Wer nicht schwindelfrei ist, der sollte<br />
lieber auf diesen Film verzichten.<br />
Dienstag, 20. Oktober 20<strong>15</strong><br />
Vom gesellschaftlichen Wandel<br />
Nach einem wunderbaren Widescreen<br />
Wochenende kam mir das Bild bei der<br />
heutigen Pressevorführung ziemlich<br />
klein vor<br />
EPHRAIM UND DAS LAMM (1:1.85,<br />
5.1)<br />
OT: Lamb<br />
Verleih: Neue Visionen<br />
Land/Jahr: Frankreich, Deutschland,<br />
Äthiopien 20<strong>15</strong><br />
Regie: Yared Zeleke<br />
Darsteller: Rediete Amare, Kidist<br />
Siyum, Rahel Teshome<br />
Kinostart: 26.11.20<strong>15</strong><br />
Nach dem Tod seiner Mutter sucht sich<br />
Ephraims Vater einen Job in der großen<br />
Stadt und lässt den 9jährigen bei der<br />
armen Verwandtschaft. Sein einziger<br />
Freund ist sein Lamm, das einmal seiner<br />
Mutter gehörte. Als sein Cousin beschließt,<br />
das Lamm beim anstehenden<br />
Fest zu schlachten, schmiedet Ephraim<br />
einen Plan, um sein Lamm zu retten: er<br />
kocht Samosas, um sie auf dem Markt<br />
zu verkaufen. In der rebellischen Tsion<br />
findet er eine Verbündete... In einer<br />
grandiosen Landschaft angesiedelt<br />
Wolfram Hannemanns<br />
Film-Blog<br />
erzählt Yared Zeleke in seinem Debütfilm<br />
vom gesellschaftlichen Wandel,<br />
der sich ganz allmählich in Äthiopien<br />
vollzieht. Und er tut dies an zwei Beispielen.<br />
So lässt er seinen Protagonisten<br />
Ephraim kochen, eine Arbeit, die<br />
traditionell ausschließlich den Frauen<br />
in Äthiopien vorbehalten ist. Und er<br />
zeigt Tsion als junge Frau, die lieber<br />
Zeitung liest, um die Probleme der Welt<br />
zu verstehen, als dass sie Essen bereitet.<br />
Leider überzeugt Zelekes Inszenierung<br />
noch nicht ganz. So ist etwa die<br />
eingesetzte Filmmusik oftmals nur ein<br />
störendes Geklimper. Fazit: bedingt<br />
empfehlenswert, wenn man sich nicht<br />
speziell für das filmisch noch unerschlossene<br />
Äthiopien interessiert.<br />
Mittwoch, 21. Oktober 20<strong>15</strong><br />
Von Freundschaft, Hip-Hop und grünen<br />
Almen<br />
Sie sind zwar selten, doch tauchen sie<br />
immer mal wieder auf: Triple Features<br />
ICH UND EARL UND DAS MÄDCHEN<br />
(1:2.35, DD 5.1)<br />
OT: Me And Earl And The Dying Girl<br />
Verleih: Fox<br />
Land/Jahr: USA 20<strong>15</strong><br />
Regie: Alfonso Gomez-Rejon<br />
Darsteller: Thomas Mann, RJ Cyler,<br />
Olivia Cooke<br />
Kinostart: 19.11.20<strong>15</strong><br />
Sein letztes Highschooljahr will Greg<br />
möglichst unauffällig hinter sich bringen.<br />
Das geht am besten, indem man es<br />
allen immer recht zu machen versucht<br />
und Freundschaften möglichst meidet.<br />
Einzige Ausnahme: sein Kumpel Earl,<br />
mit dem er gerne Filmklassiker neu interpretiert.<br />
Eines Tages besteht seine<br />
Mutter darauf, dass Greg Zeit mit<br />
Schulkameradin Rachel verbringt, bei<br />
der Leukämie diagnostiziert wurde. Widerwillig<br />
lässt er sich darauf ein, obwohl<br />
auch Rachel eigentlich gar kein<br />
Interesse daran hat. Was beide anfangs<br />
für unmöglich hielten, bricht sich plötzlich<br />
Bahn: eine Freundschaft entsteht...<br />
Was sich anfangs noch als recht abgegriffenes<br />
Thema anhört – eine Krebskandidatin<br />
und ein Mitschüler gehen<br />
eine Freundschaft ein – entpuppt sich<br />
sehr schnell als ziemlich originell inszenierte<br />
Dramödie. Da geht es um das<br />
Erwachsenwerden, Freundschaft, Liebe,<br />
Tod und – Film! Schon die flippige<br />
Kameraarbeit (in einer Szene dreht sie<br />
sich gar um 90 Grad, um dann eine<br />
Parallelfahrt zu beginnen!) und der flotte<br />
Schnitt machen aus dem Film einen<br />
Hingucker. Dazu dann eine Besetzung,<br />
die bis in die Nebenrollen handverlesen<br />
ist. Obendrein ist die Geschichte<br />
mit unheimlich vielen Filmzitaten<br />
gespickt, sei es auf der Tonebene<br />
(Bernard Herrmanns VERTIGO<br />
lässt grüßen) oder auch auf der Bildebene<br />
(die Spoofs von Filmklassikern<br />
macht großen Spaß!). Hier bekommt<br />
man als Zuschauer ein prall gestopftes<br />
Füllhorn origineller Einfälle geboten,<br />
die auch dann noch nicht erschöpft<br />
sind, wenn man meint, der Film sei zu<br />
Ende. Nach seinem Regie-Debüt mit<br />
WARTE, BIS ES DUNKEL WIRD erweist<br />
sich Regisseur Alfonso Gomez-<br />
Rejon ein weiteres Mal als souveräner<br />
Filmemacher, von dem ganz sicher noch<br />
viel erwarten kann.<br />
BLACKTAPE (1:1.85, 5.1)<br />
Verleih: Camino<br />
Land/Jahr: Deutschland 20<strong>15</strong><br />
Regie: Sékou Neblett<br />
Kinostart: 03.12.20<strong>15</strong><br />
Sékou Neblett möchte eine Dokumentation<br />
über die deutsche Hip-Hop-Szene<br />
machen und trifft dabei auf den Namen<br />
eines Rappers, der offenbar der Ursprung<br />
der ganzen Szene gilt: Tigon.<br />
Gemeinsam mit dem Insider Marcus<br />
Staiger macht er sich auf die Suche<br />
nach dem Geheimnisvollen und macht<br />
spektakuläre Entdeckungen... Man<br />
muss schon mit geübtem Augen hinschauen<br />
um zu erkennen, dass es sich<br />
bei Sékou Nebletts Film nicht etwa um<br />
einen Dokumentarfilm handelt, sondern<br />
vielmehr um ein “Mockumentary”, also<br />
einen Spielfilm, der nur so tut als wäre<br />
er eine Dokumentation. Damit läuft der<br />
Film natürlich Gefahr, dass er von großen<br />
Teilen des Publikums für bare<br />
Münze genommen wird. Insider der<br />
deutschen Hip-Hop-Szene werden möglicherweise<br />
die Einzigen sein, die den<br />
Schwindel erkennen und viel Spaß dabei<br />
haben werden. Die Machart gibt<br />
sich recht hipp mit vielen Flashes und<br />
verwackelten Bildern, doch nervt dieser<br />
LASER HOTLINE Seite 6