21. November 2014 MÜNCHEN
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MUSIKMARKT | vom <strong>21.</strong>11.14<br />
München – Olympiahalle: "Warum soll dich das Neue erschrecken?"<br />
lautet eine Textzeile aus dem Lied "Mein Ziel", das auf Udo Jürgens' aktuellem<br />
Album "Mitten im Leben" enthalten ist und symptomatisch für sein Konzert in der<br />
ausverkauften Münchner Olympiahalle steht. Der mittlerweile 80-Jährige hat nicht<br />
ein bisschen von seiner Strahlkraft eingebüßt und begeisterte am Freitagabend<br />
die rund 10.000 Besucher nicht nur mit seinen alten Hits.<br />
Um kurz nach acht erlischt das Licht in der Halle und das Pepe Lienhard<br />
Orchester betritt die Bühne. Es stimmt den Titel "Die Welt braucht Lieder" an,<br />
gleichzeitig wird auf der Leinwand, die den gesamten Bühnenhintergrund einnimmt,<br />
ein Film gezeigt, in dem ein Stern in Udo Jürgens' Geburtsort Klagenfurt<br />
beginnend den Erdball umkreist, an den großen Metropolen Halt macht und<br />
schließlich in München stoppt. Erst jetzt kommt Udo Jürgens auf die Bühne, der<br />
tosende Applaus und die durchwegs stehenden Ovationen machen den Anschein, als<br />
hätte er schon eine zweistündige Show hinter sich.<br />
Udo Jürgens, den es sichtlich zu Tränen zu rühren scheint, an seiner alten<br />
Wirkungsstätte derart in Empfang genommen zu werden, beweist in den ersten 80<br />
Minuten seines Konzertes, dass er nicht einer dieser Künstler ist, die vor 20<br />
Jahren schon aufgehört haben, nennenswerte neue Lieder zu schreiben und nur noch<br />
die Songs zu spielen, die ebendamals schon als Oldies durchgegangen wären. "Ich<br />
habe tatsächlich Fanpost bekommen, da stand drin: 'Ich hab' Angst, dass bei dem<br />
Konzert 'Ich war noch niemals in New York' nicht gespielt wird.' Keine Angst,<br />
kommt alles. Aber wenn ein Künstler seine neuen Lieder nicht spielen dürfte, das<br />
wär' doch auch nix", gibt er zu verstehen.<br />
Zeitgemäße Kritik<br />
Den ersten Teil des Konzerts widmet Udo Jürgens fast ausschließlich neuen<br />
Liedern. Dem allgegenwärtigen Thema Liebe schenkt er mit Titeln wie "Alles aus<br />
Liebe" oder "Was ich gerne für dich wär'" ebenso viel Beachtung wie kritischen<br />
Texten. Mit "Das Leben bist du" fordert er dazu auf, Verantwortung für sein Tun<br />
zu übernehmen und nicht andere – "auch nicht den Staat" – dafür verantwortlich<br />
zu machen. Mit "Der gläserne Mensch", das beim Publikum besonders gut ankommt,<br />
wirft er auch einen kritischen Blick auf den Abhörskandal und soziale Medien.<br />
Nach der Pause löst Udo Jürgens dann sein Versprechen ein und spielt "Ich war<br />
noch niemals in New York" – und er kostet es aus: Nach dem zweiten Refrain<br />
moduliert der Song in Frank Sinatras "How About You" und nur eine Minute später<br />
in "New York, New York", gesungen von der aus New York City stammenden Soul-Diva<br />
Dorothea Lorraine, bevor es wieder zurück ins "Treppenhaus mit Bohnerwachs und<br />
Spießigkeit" geht.<br />
Keine stundenlange Best-Of-Abhandlung<br />
Natürlich wollen die 10.000 Besucher auch Udo Jürgens' große Hits hören – und<br />
sie werden nicht enttäuscht: Elegant in Medleys verpackt, bringt der 80-Jährige<br />
all seine "Oldies", wie er selbst sagt – von "Ein ehrenwertes Haus" über "Aber<br />
bitte mit Sahne" und "Mit 66 Jahren" bis hin zu "Siebzehn Jahr, blondes Haar" –,<br />
in kurzer Zeit unter und sorgt in der Olympiahalle für Standing Ovations und<br />
Mitsingstimmung, ohne dabei zum Wiederkäuer seiner tausendfach gespielten<br />
Klassiker zu werden.