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über Dich schon erzählt: "Der Mann mit dem Fagott" - wer Dich in ihm als Hitlerjungen sieht, der bekommt<br />
die Szene, als Dir vom Gruppenführer eine Ohrfeige verpasst wird, an der Du - auch Zeit Deines Lebens -<br />
leiden wirst, nie wieder aus dem Kopf. Demütig stehst Du nun in Erfurt vor Deinem Publikum. Sagst, dass<br />
die Zeit auf der Bühne für Dich die Stunde der Wahrheit ist. Sagst, dass Du mit Deinem 25 Musikern nun<br />
alles dafür tun wirst, dass diese Zeit nicht vergeudet sein wird. Und es klingt, als wärst Du dankbar dafür,<br />
dass sie alle hier sind. Weil Du so merkst, dass die Zeit, die Du für Deine Musik aufgewendet hast, auch für<br />
Dich nicht vergeudet gewesen ist.<br />
Protestsongs hast Du nie geschrieben. Immer aber Lieder mit Haltung. Keine Zeile, nirgends, in der ein Gedanke<br />
nur so dahingesagt wäre. Und doch protestierst Du auch mit manchem Deiner Lieder. In Erfurt<br />
sprichst Du von einer Symbiose zwischen Publikum und Künstler, die ein Gegengewicht bilde, zu all den<br />
"schrecklichen Dingen" auf der Welt. Nun ja, könnte man da noch denken, als Du "Achte auf Deine Gedanken",<br />
singst. Aber dann, die Geschichte von Vater und Sohn: "Der gekaufte Drachen". Der Vater, der Tag<br />
und Nacht daran arbeitet, seinem Sohn ein gemachtes Bett zu hinterlassen. Der kleine Junge, der liebend<br />
gerne einfach nur einen Drachen mit dem Vater bauen will. Berührender als in diesem Lied lässt sich die<br />
Krankheit nicht beschreiben, die unsere Gesellschaft befallen hat: Nicht lieben können. Über 30 Jahre ist<br />
das Lied alt. Doch erst jetzt, Udo, hast Du die richtige Stimme und das richtige Gefühl dafür.<br />
Vertraute Sprache<br />
Du singst vom gläsernen Menschen, gefangen im Netz. Klagst die Regierungen an für ihr schamloses Tun,<br />
alle und alles zu kontrollieren. Du singst von der "Krone der Schöpfung". Klagst die Menschen an für ihr<br />
schamloses Tun, sich die Erde untertan machen. "Untertan machen", über andere "herrschen", sagst Du, sei<br />
ein Bibelwort, was nie hätte aufgeschrieben werden dürfen. Höchstens sich einfügen, das dürfe der Mensch.<br />
"Wir predigen die Liebe, und führen täglich Krieg", "Wir sagen nicht mehr 'Bitte!', wir schreien nur 'Ich<br />
will!'", "Wir fragen nicht, wir nehmen, wir leben uns're Gier! Denn nach uns kommt die Sintflut, doch erstmal<br />
kommen wir!" Für diesen Text hast Du wunderbare Musik geschrieben und arrangiert. Und das ist<br />
überhaupt etwas, was sich durch diesen Abend zieht: Musik, die jenseits der Textzeilen eine ganz eigene<br />
Sprache entwickelt: Von Herzlichkeit erzählt sie, und von Vertrautheit.<br />
Auch deswegen, Udo, ist dieses Erfurter Konzert seit Wochen ausverkauft: Herzlichkeit und Vertrautheit,<br />
Liebe und Wärme in verunsichernden globalen Zeiten - danach suchen die Menschen. Du gibst ihnen das<br />
mit Deinen Liedern, die "Zeichen deines Weges" und also authentisch sind. Den Bademantel, klar, den<br />
ziehst Du auch in Erfurt an. Ein Marotte nur von Dir, aber etwas, das bleibt am Ende eines großartigen<br />
Abends. Ja, Udo: "Die Welt braucht Lieder". Deine Lieder!