Handbuch Digital Humanities
DH-Handbuch
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Warum wurden digitale Methoden gewählt?<br />
Hannah Busch: Das Festhalten von äußeren Merkmalen auf<br />
jeder einzelnen Kodexseite aus einem geschlossenen Handschriftenbestand<br />
kann für die Beantwortung bestimmter<br />
Forschungsfragen sinnvoll sein, für die eine sehr große Datenmenge<br />
systematisch ausgewertet werden muss. Mit einer<br />
rein händischen Vorgehensweise könnten z.B. diachrone Entwicklungen<br />
im Layout des St. Mattheiser Bestandes nur unter<br />
großen Anstrengungen verfolgt werden. Eine abschließende<br />
statistische Auswertung erlaubt die Analyse der Handschriftenseiten<br />
auf einer empirischen Basis. Regelmäßigkeiten<br />
(Muster) bzw. Veränderungen der Layoutkonstellationen lassen<br />
sich auf diese Weise aufspüren.<br />
Im Projekt eCodicology kommt eine Forschungsmethode<br />
zum Einsatz, die mit dem in der Computerphilologie etablierten<br />
Verfahren des distant reading vergleichbar ist. Nicht<br />
das detaillierte und intensive close reading einzelner Bücher<br />
steht im Vordergrund. Stattdessen soll eine quantitative Gesamtschau<br />
über alle Seiten des mittelalterlichen Buchbestandes<br />
der Abtei St. Matthias erfolgen, und zwar hinsichtlich der<br />
formalen Gestaltung der Handschriftenseiten. Eine solche<br />
Analyse erlaubt es dem Kodikologen, das Material aus der Vogelperspektive<br />
zu betrachten. Der subjektive Blick des Handschriftenforschers<br />
kann auf diese Weise objektiviert werden.<br />
Wie wurden die Daten erhoben?<br />
Hannah Busch: Datengrundlage bilden die im Projekt "Virtuelles<br />
Skripotorium St. Matthias" erstellten <strong>Digital</strong>isate von<br />
rund 440 Handschriften der mittelalterlichen Bibliothek der<br />
Abtei St. Matthias in Trier. Durch Verfahren der Bildbearbeitung<br />
werden die 170.000 Handschriftenseiten zunächst vorprozessiert,<br />
um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Für<br />
die automatisierte Extraktion und Vermessung der Layoutmerkmale<br />
in den <strong>Digital</strong>isaten werden spezielle Algorithmen<br />
angepasst und bei Bedarf entwickelt. Für eine Untersuchung<br />
wurden einfache Parameter wie Seitengröße, Schriftraum,<br />
Bildraum, Abstände und Ränder (freigelassener Raum), graphische<br />
Elemente, Anzahl der Textspalten sowie Anzahl der<br />
Textzeilen identifiziert, für die v.a. ihre Ausdehnung (Höhe x<br />
Breite) sowie Anzahl und Position (Koordinaten) auf jeder Seite<br />
verlässlich gemessen werden können.<br />
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