Handbuch Digital Humanities

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31.10.2015 Views

Matthias Kiesselbach und Christoph Kümmel (DFG): Digital Humanities aus Förderperspektive http://www.dfg.de/ Matthias Kiesselbach ist in der DFG-Geschäftsstelle zuständig für das Fach der Philosophie und in der Gruppe Geistesund Sozialwissenschaften Ansprechpartner für Fragen zur Digitalisierung in der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung. Christoph Kümmel ist in der Geschäftsstelle der DFG zuständig für das Förderprogramm Fachinformationsdienste für die Wissenschaft sowie für das „Bilateral Digital Humanities Program“ mit dem National Endowment for the Humanities (NEH). In der Gruppe Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme ist er Ansprechpartner zu Fragen der digitalen Informationsinfrastrukturen für die Geisteswissenschaften. Wie schätzen Sie die Entwicklung der digitalen Geisteswissenschaften ein? In den letzten Jahren wurden an mehreren Universitäten Zentren für die Forschung und Lehre in den Digitalen Geisteswissenschaften gegründet; 2013 kam ein Fachverband hinzu (DHd – Digital Humanities im deutschsprachigen Raum); im letzten Wissenschaftsjahr des BMBF (Motto: „Digitale Gesellschaft“) wurden die Digitalen Geisteswissenschaften immer wieder an prominenter Stelle erwähnt. Angesichts dieser Entwicklungen kann man mit Fug und Recht behaupten, dass die digitalen Geisteswissenschaften eine Kraft sind, mit der man in der Wissenschaftsszene rechnen muss. 20

Allerdings bleibt zweierlei zu konstatieren. Zum einen ist das Aufkommen der „digitalen Geisteswissenschaften“ nicht unbedingt ein qualitatives Novum. In Bezug auf Quellen und Methoden waren verschiedene Bereiche der Geisteswissenschaften schon immer offen und pragmatisch. Etwa für die Archäologie oder die Sprachwissenschaft gehörten bestimmte digitale Technologien schon lange zum Quellen- und Methodenportfolio, bevor sich die Rede von den „digitalen Geisteswissenschaften“ etablierte. Zum andern ist ein großer Teil der Anstrengungen im Bereich der sogenannten Digitalen Geisteswissenschaften bislang eher auf den forschungsvorbereitenden Bereich als auf die Forschung an sich konzentriert. Mitunter ist in den Foren und Veranstaltungen der Digitalen Geisteswissenschaften mehr von digitalen Werkzeugen als von konkreten Forschungsfragen die Rede, zu deren Beantwortung die Werkzeuge dienen sollen. Andererseits ist die Dynamik im Feld der der digitalen Geisteswissenschaften unbestreitbar. Die große Frage ist, was in der Zukunft von den digitalen Geisteswissenschaften zu erwarten ist. Werden die digitalen Technologien sich weiterhin (vor allem) einfügen in das Quellen- und Methodenportfolio der Geisteswissenschaften und („bloß“) dafür sorgen, dass größere Datenmengen schneller analysiert werden können oder dass die Validität der Ergebnisse steigt? (Das wäre gewiss nicht wenig!) Oder werden sie, wie die Rhetorik der digitalen Geisteswissenschaften nicht selten anzukündigen scheint, die Disziplinen in einem substanzielleren Sinn transformieren? Diese Frage ist aus Sicht der DFG noch weitgehend offen. Ihre Antwort wird – auch – von der Qualität und Ernsthaftigkeit der Selbstreflexion der Digitalen Geisteswissenschaften abhängen. Dazu zählt die noch kaum begonnene Diskussion der epistemologischen Grundlagen der Geisteswissenschaften im Licht ihrer digitalen Erweiterungen, und hier insbesondere die Frage, wie sich der im Kern hermeneutische Ansatz der klassischen Geisteswissenschaften eigentlich zu den Möglichkeiten der digitalen Technologien verhält. Vermutlich wird sich der Beitrag der Digitalität zur geisteswissenschaftlichen Forschung irgendwo zwischen »more of the same« (oder »the same, but better«) und der Transformation der klassischen 21

Matthias Kiesselbach und Christoph<br />

Kümmel (DFG): <strong>Digital</strong> <strong>Humanities</strong> aus<br />

Förderperspektive<br />

http://www.dfg.de/<br />

Matthias Kiesselbach ist in der DFG-Geschäftsstelle zuständig<br />

für das Fach der Philosophie und in der Gruppe Geistesund<br />

Sozialwissenschaften Ansprechpartner für Fragen zur<br />

<strong>Digital</strong>isierung in der geistes- und sozialwissenschaftlichen<br />

Forschung.<br />

Christoph Kümmel ist in der Geschäftsstelle der DFG zuständig<br />

für das Förderprogramm Fachinformationsdienste für die<br />

Wissenschaft sowie für das „Bilateral <strong>Digital</strong> <strong>Humanities</strong> Program“<br />

mit dem National Endowment for the <strong>Humanities</strong> (NEH).<br />

In der Gruppe Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und<br />

Informationssysteme ist er Ansprechpartner zu Fragen der<br />

digitalen Informationsinfrastrukturen für die Geisteswissenschaften.<br />

Wie schätzen Sie die Entwicklung der digitalen Geisteswissenschaften<br />

ein?<br />

In den letzten Jahren wurden an mehreren Universitäten Zentren<br />

für die Forschung und Lehre in den <strong>Digital</strong>en Geisteswissenschaften<br />

gegründet; 2013 kam ein Fachverband hinzu<br />

(DHd – <strong>Digital</strong> <strong>Humanities</strong> im deutschsprachigen Raum); im<br />

letzten Wissenschaftsjahr des BMBF (Motto: „<strong>Digital</strong>e Gesellschaft“)<br />

wurden die <strong>Digital</strong>en Geisteswissenschaften immer<br />

wieder an prominenter Stelle erwähnt. Angesichts dieser Entwicklungen<br />

kann man mit Fug und Recht behaupten, dass die<br />

digitalen Geisteswissenschaften eine Kraft sind, mit der man<br />

in der Wissenschaftsszene rechnen muss.<br />

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