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blickpunkt Oktober 2015 interaktiv

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Allerdings sind auch Konflikte<br />

zwischen der Stadt und ihrem<br />

selbstbewussten Magistrat auf der<br />

einen und dem Kloster auf der<br />

anderen Seite bekannt. Die oben<br />

angeführte Einigung von 1253<br />

war nicht ohne Streit über die<br />

konkrete Höhe der zu entrichtenden<br />

Abgaben sowie die Form der<br />

Leistungserbringung abgelaufen.<br />

Rund 200 Jahre später, im Jahre<br />

1450, kam es erneut zu einem<br />

Konflikt. Dieses Mal ging es um<br />

den Erwerb von weiterem Grundbesitz<br />

durch das Kloster. Da dieses<br />

von Abgaben befreit war, befürchtete<br />

die Stadt, dass sie einen nicht<br />

unerheblichen Teil ihrer Einkünfte<br />

durch die Expansion des klösterlichen<br />

Besitztums innerhalb der<br />

Stadt verlieren könnte.<br />

Das Leben der Zisterzienserinnen<br />

in Coesfeld<br />

Die Entstehung des Zisterzienserinnen-Ordens<br />

ist mit der religiösen<br />

Frauenbewegung des<br />

13. Jahrhunderts eng verbunden.<br />

Die Frauen in den nördlichen<br />

Ländern Europas drängten auf<br />

eine eigenständige Lebensweise<br />

in einer religiösen Gemeinschaft.<br />

Die Zisterzienser, deren Ursprung<br />

auf die Gründung des Klosters in<br />

Cîteaux (1098) durch Abt Robert<br />

von Molesme zurückging, wollten<br />

nach den Regeln des heiligen<br />

Benedikts ein von der Welt abgeschiedenes,<br />

schlichtes Leben<br />

führen und ihren Lebensunterhalt<br />

ausschließlich durch eigene Arbeit<br />

verdienen. Wie nun jedoch das<br />

Leben innerhalb der Klostermauern<br />

einer Stadt wie Coesfeld<br />

aussah, darüber ist so gut wie<br />

nichts bekannt. Ein von der Welt<br />

abgeschiedenes Leben innerhalb<br />

der Stadt Coesfeld wird wohl nur<br />

schwerlich möglich gewesen sein,<br />

hatten sich die Schwestern ja dazu<br />

verpflichtet, Leistungen für die<br />

Stadt zu erbringen.<br />

Die Namenslisten der Äbtissinnen<br />

und des Konvents lassen darauf<br />

schließen, dass anfänglich nur<br />

adelige Damen aufgenommen<br />

wurden. Es handelte sich hierbei<br />

um Frauen der Ministerialen im<br />

Dienste des Bischofs von Münster.<br />

So – dies mag als Beispiel genügen<br />

– übertrug im August 1279<br />

der Ritter Rembert von Stochem –<br />

er und sein gleichnamiger Sohn<br />

waren Burgmannen auf der<br />

bischöflichen Burg Nienborg –<br />

dem Zisterzienserkloster ein Gut,<br />

als jenes seine Enkelin Gertrud<br />

aufgenommen hatte. Wie viele<br />

Schwestern im Kloster Marienborn<br />

lebten, ist nicht bekannt. Neben<br />

dem Amt der Äbtissin gab es die<br />

Priorin (die Vertreterin der Äbtissin)<br />

und die Küstersche (also eine<br />

Küsterin). Die Mitte des klösterlichen<br />

Lebens der Zisterzienserinnen<br />

bildete das feierliche Chorgebet,<br />

in dessen Rahmen auch die<br />

Lesungen auf Latein vorgetragen<br />

wurden. Auch waren die Schwestern<br />

mit der Verwaltung der<br />

Klosterwirtschaft und in der Haushaltung<br />

tätig. Denkbar ist, dass<br />

sich die Schwestern im Kloster<br />

Marienborn mit Weben, Spinnen<br />

und Sticken beschäftigten, da<br />

Coesfeld ein Zentrum der Textilwirtschaft<br />

war.<br />

Dass das Leben nach den<br />

strengen Regeln der Zisterzienser<br />

zu leben nur schwer möglich war,<br />

darauf lassen auch Akten einer<br />

Visitation aus dem Jahr 1571<br />

schließen. Diese belegen, dass das<br />

Klosterleben nicht den strengen<br />

Klausurregeln folgen (konnte),<br />

wobei die Gebetsvorschriften und<br />

Gottesdienstordnung beachtet<br />

und eingehalten wurden. Das<br />

strenge Schweigegebot jedoch<br />

nicht. Auch reisten die Nonnen.<br />

Ein ausgeprägtes Gemeinschaftsleben<br />

existierte nur an wenigen<br />

hohen Kirchentagen. Eine Bibliothek<br />

gab es – bis auf wenige<br />

Bücher – nicht.<br />

Vom Aufstieg und<br />

Niedergang des Klosters<br />

Das Kloster befand sich im Bereich<br />

der heutigen Schüppenstraße,<br />

Süringstraße und Poststraße. Über<br />

sein Aussehen und seinen Aufbau<br />

ist wenig bekannt und nur wenig<br />

Bildmaterial hat die Zeit überdauert.<br />

Berichte aus dem 17. Jahrhundert<br />

schildern, dass das Kloster ein<br />

einflügeliger Bau mit schlichtem<br />

Mittelrisalit war. Zunächst besaß<br />

das Kloster eine kleine Kapelle,<br />

welche 1302 erweitert worden<br />

war. 1346 erhielt es eine Kirche.<br />

1754 wurde mit dem Bau einer<br />

neuen Kirche begonnen. Verschiedene<br />

Altäre gab es. Der Hochaltar<br />

war der heiligen Maria geweiht.<br />

Während der Zeit des Hochmittelalters<br />

hatte das Kloster viele<br />

mächtige und großzügige Gönner.<br />

Die Reihe klangvoller Namen, zu<br />

denen sowohl die Bischöfe von<br />

Münster als auch zahlreiche<br />

bedeutende adelige Familien<br />

gehörten, deren Töchter, Nichten<br />

oder Enkelinnen in das Kloster eintraten<br />

und die dies mit Ländereien<br />

oder Zehnten quittierten, ist lang.<br />

Die Besitztümer des Klosters<br />

wuchsen kontinuierlich an und<br />

verteilten sich auf das gesamte<br />

Münsterland. Obgleich der Großteil<br />

des Grundbesitzes in der Region<br />

um Lippramsdorf lag, fanden<br />

sich weitere Besitztümer in Hamminkeln,<br />

Borken, Reken, Gescher,<br />

Nottuln – ja, bis nach Winterswijk,<br />

um nur einige zu nennen. Um<br />

1400 erreichte das Kloster seinen<br />

wirtschaftlichen Höhepunkt –<br />

etwas, das es danach nie wieder<br />

erreichen sollte. In Coesfeld<br />

gehörte dem Kloster der in der<br />

Feldmark gelegene Stockinghof,<br />

die heutige Marienburg.<br />

Die Geschicke und die wirtschaftliche<br />

Situation des Klosters<br />

werden maßgeblich mit jenen der<br />

Stadt und der Region verbunden<br />

gewesen sein. Mochten die<br />

Schwestern einst hinter den Stadtmauern<br />

Zuflucht vor Krieg und<br />

Gewalt gesucht haben, so wurden<br />

sie trotzdem von diesen eingeholt.<br />

Fehden, Kriege und Konflikte im<br />

Zuge der Reformation hinterließen<br />

Narben im Antlitz der Stadt. Sie<br />

führten immer wieder zu schwierigen<br />

wirtschaftlichen Situationen,<br />

zu Not und Flucht. Marodierende<br />

Heere durchstreiften die Region,<br />

brandschatzten und plünderten.<br />

Sie quartierten sich in Coesfeld<br />

ein, verlangten ausbeuterisch viel<br />

und hinterließen Elend. Immer<br />

wieder kamen das wirtschaftliche<br />

Leben und der Handel mit<br />

anderen Orten in der Region oder<br />

den Niederlanden zum Erliegen.<br />

Es heißt, dass vor allem die<br />

Besetzung Coesfelds durch hessische<br />

Truppen im Dreißigjährigen<br />

Krieg dem Kloster den Ruin<br />

brachte.<br />

Mit der Ankunft der Jesuiten in<br />

Coesfeld schien sich jedoch ein<br />

Wandel zum Positiven abzuzeichnen.<br />

Im Rahmen der Reformation<br />

sollten sie helfen, den Katholizismus<br />

wieder fest zu etablieren. Sie<br />

gründeten die Jesuitenresidenz<br />

und das Gymnasium Nepomu ­<br />

ce num im Jahre 1626. Die Jesuiten<br />

interessierten sich sehr für das<br />

Kloster als Sitz des Gymnasiums.<br />

Und auch die damalige Äbtissin<br />

Katharina von Hake (1614 –31)<br />

zeigte sich offen für einen Verkauf<br />

der Klostergebäude. Doch so weit<br />

sollte es nicht kommen.<br />

Das ehemalige<br />

Kloster Marienborn,<br />

zeit weise Gymnasium<br />

Nepomucenum an<br />

der Kupferstraße<br />

(Fotograf:<br />

Anton Walterbusch)<br />

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