blickpunkt Oktober 2015 interaktiv

26.10.2015 Views

KAPITEL 4 GESCHICHTE UND GESCHICHTLICHES Zisterzienserinnen in Coesfeld – das ehemalige Kloster Marienborn Viel Historisches ist in den letzten 200 Jahren, insbesondere jedoch im Zuge des letzten Weltkrieges und der wenig später erfolgten Innenstadtsanierung unwiderruflich verloren gegangen. In manchen Fällen erinnert nur noch die Namensgebung (z. B. die »Commende«-Straße in Borken oder »Am Haus Lette« im gleichnamigen Coesfelder Ortsteil) an das einstige historische Erbe. An ganz wenigen Stellen finden sich eine Tafel oder ein Gedenkstein – ein wenig beachtetes Echo einer erloschenen Zeit. Dort, wo einst die für unsere Region typischen urigen münsterländischen Häuser oder aber die mächtigen Wände bedeutender Klöster standen, finden sich heute betonierte »Apostel« unserer Konsumgesellschaft: Einkaufszentren. Das ehemalige Kloster Marienborn steht für einen solchen Umgang mit der Geschichte. Vor genau 200 Jahren, im Jahre 1805, fand das Zisterzienserinnen-Kloster durch die Säkularisation sein Ende. Eine bis dahin über 560-jährige Geschichte war beendet worden. Und trotzdem blieb das ehemalige Kloster für das Gesicht der Stadt auch noch eine lange Zeit von großer Bedeutung. Aber lesen Sie selbst! Die Ursprünge des Klosters Eine Region bei Lippramsdorf, zwischen der Lavesumer und Lembecker Mark am Kappenberg gelegen, bildet den Ursprung des Klosters. Heute verweist nichts mehr auf diesen Ort – sämtliche Spuren sind getilgt. Seine Gründung ging auf den damals amtierenden Bischof von Münster, Ludolf von Holte (1226–47), zurück. Schon in diesen frühen Jahren erhielt das Kloster zahlreiche Schenkungen und Spenden. Die wirtschaftlichen Fähigkeiten des Klosters wuchsen zügig und bald war es in der Lage, durch eigene Finanzkraft Grundbesitz zu erwerben. Dass das Kloster in den Orden der Zisterzienser aufgenommen wurde, war keine Selbstverständlichkeit. Der Zisterzienserorden verhielt sich gegenüber der Aufnahme von Frauenklöstern ablehnend. Dies deswegen, da durch ein solches Verhalten gewährleistet werden sollte, dass nur solche Klöster in den Ordensverband gelangten, die eine strenge Einhaltung der Benediktinerregeln sicherstellen konnten. Erst 1235 wurde das Kloster Marienborn auf Befehl des Papstes in den Zisterzienserorden eingegliedert. Das Kloster in der Stadt Coesfeld Weshalb das Kloster bereits nach wenigen Jahren seinen Platz von Lippramsdorf nach Coesfeld verlegte, ist nicht bekannt. Manche Quellen führen die Abgeschiedenheit des Ortes an. Andere nennen die permanente Gefahr durch Fehden, welche den Wunsch nach militärischer Sicherheit in der Ummauerung einer Stadt nährte. Oder mochten ökonomische Gründe eine Rolle gespielt haben? Zur Zeit der Umsiedlung war Coesfeld eine wirtschaftlich erfolgreiche Stadt – nach Münster die zweitwichtigste Stadt im Hochstift. Einer Sage nach soll der Grund für die Umsiedlung der Geist eines herumspukenden Mönches gewesen sein. 1244 wurde das Kloster nach nur 14 Jahren aufgegeben und nach Coesfeld verlegt. Der Bischof Ludolf gestattete dies, wenn auch nach den Ordensstatuten eine Ansiedlung innerhalb einer Stadt verboten war. Das Gebiet, auf dem das neue Kloster errichtet werden sollte, befand sich im Besitz des Prämonstrantenklosters Varlar. Für die Nutzung des Gebietes hatten die Zisterzienserinnen dem Kloster Varlar jährlich zwölf Denare zu entrichten. Wie die Beziehungen zur Stadt und ihren Bürgern ausgesehen haben, ist nicht wirklich bekannt. Nur Fragmente bieten einen knappen Einblick in das Miteinander. So schlossen die Stadt Coesfeld sowie die damalige Äbtissin einen Vertrag über die Befreiung der bis dahin von dem Kloster erworbenen Häuser und Grundstücke von den städtischen Lasten gegen eine jährliche Abgabe. Zugleich ging das Kloster die Verpflichtung ein, seinen Wagen und seine Pferde an die Stadt auszuleihen, wenn diese sie benötigte. Reprografie einer Postkarte um 1905 vom ehe maligen Kloster Marienborn 46 47

KAPITEL 4 GESCHICHTE UND GESCHICHTLICHES<br />

Zisterzienserinnen in<br />

Coesfeld – das ehemalige<br />

Kloster Marienborn<br />

Viel Historisches ist in den letzten<br />

200 Jahren, insbesondere jedoch<br />

im Zuge des letzten Weltkrieges<br />

und der wenig später erfolgten<br />

Innenstadtsanierung unwiderruflich<br />

verloren gegangen. In manchen<br />

Fällen erinnert nur noch die<br />

Namensgebung (z. B. die »Commende«-Straße<br />

in Borken oder<br />

»Am Haus Lette« im gleichnamigen<br />

Coesfelder Ortsteil) an das<br />

einstige historische Erbe. An ganz<br />

wenigen Stellen finden sich eine<br />

Tafel oder ein Gedenkstein –<br />

ein wenig beachtetes Echo einer<br />

erloschenen Zeit. Dort, wo einst<br />

die für unsere Region typischen<br />

urigen münsterländischen Häuser<br />

oder aber die mächtigen Wände<br />

bedeutender Klöster standen,<br />

finden sich heute betonierte<br />

»Apostel« unserer Konsumgesellschaft:<br />

Einkaufszentren. Das ehemalige<br />

Kloster Marienborn steht<br />

für einen solchen Umgang mit der<br />

Geschichte. Vor genau 200<br />

Jahren, im Jahre 1805, fand das<br />

Zisterzienserinnen-Kloster durch<br />

die Säkularisation sein Ende. Eine<br />

bis dahin über 560-jährige<br />

Geschichte war beendet worden.<br />

Und trotzdem blieb das ehemalige<br />

Kloster für das Gesicht der Stadt<br />

auch noch eine lange Zeit von<br />

großer Bedeutung. Aber lesen Sie<br />

selbst!<br />

Die Ursprünge des<br />

Klosters<br />

Eine Region bei Lippramsdorf,<br />

zwischen der Lavesumer und<br />

Lembecker Mark am Kappenberg<br />

gelegen, bildet den Ursprung des<br />

Klosters. Heute verweist nichts<br />

mehr auf diesen Ort – sämtliche<br />

Spuren sind getilgt. Seine Gründung<br />

ging auf den damals amtierenden<br />

Bischof von Münster,<br />

Ludolf von Holte (1226–47),<br />

zurück. Schon in diesen frühen<br />

Jahren erhielt das Kloster zahlreiche<br />

Schenkungen und Spenden.<br />

Die wirtschaftlichen Fähigkeiten<br />

des Klosters wuchsen zügig<br />

und bald war es in der Lage,<br />

durch eigene Finanzkraft Grundbesitz<br />

zu erwerben.<br />

Dass das Kloster in den Orden<br />

der Zisterzienser aufgenommen<br />

wurde, war keine Selbstverständlichkeit.<br />

Der Zisterzienserorden<br />

verhielt sich gegenüber der Aufnahme<br />

von Frauenklöstern ablehnend.<br />

Dies deswegen, da durch<br />

ein solches Verhalten gewährleistet<br />

werden sollte, dass nur solche<br />

Klöster in den Ordensverband<br />

gelangten, die eine strenge Einhaltung<br />

der Benediktinerregeln<br />

sicherstellen konnten. Erst 1235<br />

wurde das Kloster Marienborn auf<br />

Befehl des Papstes in den Zisterzienserorden<br />

eingegliedert.<br />

Das Kloster in der<br />

Stadt Coesfeld<br />

Weshalb das Kloster bereits nach<br />

wenigen Jahren seinen Platz von<br />

Lippramsdorf nach Coesfeld verlegte,<br />

ist nicht bekannt. Manche<br />

Quellen führen die Abgeschiedenheit<br />

des Ortes an. Andere nennen<br />

die permanente Gefahr durch<br />

Fehden, welche den Wunsch nach<br />

militärischer Sicherheit in der<br />

Ummauerung einer Stadt nährte.<br />

Oder mochten ökonomische<br />

Gründe eine Rolle gespielt haben?<br />

Zur Zeit der Umsiedlung war<br />

Coesfeld eine wirtschaftlich<br />

erfolgreiche Stadt – nach Münster<br />

die zweitwichtigste Stadt im<br />

Hochstift. Einer Sage nach soll der<br />

Grund für die Umsiedlung der<br />

Geist eines herumspukenden<br />

Mönches gewesen sein.<br />

1244 wurde das Kloster nach<br />

nur 14 Jahren aufgegeben und<br />

nach Coesfeld verlegt. Der Bischof<br />

Ludolf gestattete dies, wenn auch<br />

nach den Ordensstatuten eine<br />

Ansiedlung innerhalb einer Stadt<br />

verboten war.<br />

Das Gebiet, auf dem das neue<br />

Kloster errichtet werden sollte,<br />

befand sich im Besitz des Prämonstrantenklosters<br />

Varlar. Für die<br />

Nutzung des Gebietes hatten die<br />

Zisterzienserinnen dem Kloster<br />

Varlar jährlich zwölf Denare zu<br />

entrichten.<br />

Wie die Beziehungen zur Stadt<br />

und ihren Bürgern ausgesehen<br />

haben, ist nicht wirklich bekannt.<br />

Nur Fragmente bieten einen knappen<br />

Einblick in das Miteinander.<br />

So schlossen die Stadt Coesfeld<br />

sowie die damalige Äbtissin einen<br />

Vertrag über die Befreiung der bis<br />

dahin von dem Kloster erworbenen<br />

Häuser und Grundstücke von<br />

den städtischen Lasten gegen eine<br />

jährliche Abgabe. Zugleich ging<br />

das Kloster die Verpflichtung ein,<br />

seinen Wagen und seine Pferde<br />

an die Stadt auszuleihen, wenn<br />

diese sie benötigte.<br />

Reprografie einer<br />

Postkarte um 1905<br />

vom ehe maligen<br />

Kloster Marienborn<br />

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