EFBx
Trialog_16-2015
Trialog_16-2015
You also want an ePaper? Increase the reach of your titles
YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.
TRI∆LOG 16/2015<br />
wohnte Teezeremonie in England entspricht<br />
dem Kaffeetrinken in Deutschland<br />
3. Transformation ins Gemeinsame: Wir sind alle<br />
Menschen, Europäer. Uns vereinen die humanistischen<br />
Ideale, die soziale Marktwirtschaft....<br />
4. Ästhetisierung: Beim Italiener schmeckt es besser.<br />
Der edle Wilde. Die Großfamilie in manchen<br />
afrikanischen Ländern ist erstrebenswert.<br />
5. Überbetonung (der Unterschiedlichkeit): Der<br />
Fremde ist ganz anders, überhaupt nicht verstehbar.<br />
Aber auch über die Kulturen hinweg lassen sich<br />
stereotype Muster des Umgangs mit dem Fremden<br />
finden, die Erdheim (1988) unterscheidet in Entfremdung,<br />
Verwertung und Idealisierung.<br />
Mit Entfremdung ist dabei die Tendenz gemeint,<br />
das Fremde zu unterwerfen, anzupassen etc., also<br />
im wahrsten Sinne des Wortes zu entfremden. In<br />
rationalen Gesellschaften beispielsweise soll das<br />
Irrationale erklärt, verstanden und entfernt werden.<br />
Unter Verwertung kann die Ökonomisierung des<br />
Fremden verstanden werden. Fremde in Führungspositionen<br />
oder mit bestimmten Qualifikationen sind<br />
willkommen. Fremde füllen möglicherweise Lücken<br />
im psychosozialen Versorgungssystem. Das heißt,<br />
dass Fremde eher problematisch gesehen werden,<br />
aber nützlich, um Klienten für die Krankenhäuser<br />
und Beratungsstellen zu bekommen.<br />
Schließlich meint die idealisierende Tendenz die<br />
Überhöhung der Betroffenen unter Ausblendung<br />
ihrer Fehler und Schwächen. Hier findet eine Aufspaltung<br />
in Gut und Böse statt. Der Fremde wird<br />
zum „edlen Wilden“, zum Naturverbundenen, zum<br />
wahre Werte lebenden, zum Intakten etc..<br />
Zusammenfassung<br />
Das Fremde ist in erster Linie ein Beziehungsphänomen,<br />
welches im Kontakt zwischen Menschen<br />
entstehen kann. Eine andere Kultur ist in diesem Zusammenhang<br />
keine notwendige Bedingung für das<br />
Entstehen von Fremdheit. Fremdheit konstituiert<br />
sich immer in der Begegnung zweier Objekte, somit<br />
auch in der Begegnung zu sich selbst. Fremdheit<br />
setzt Bekanntheit voraus und wird in einer globalisierten<br />
Welt zum Massenphänomen. Psychodynamisch<br />
wurzelt dieses Erleben einerseits im eigenen<br />
Unbewussten: In der Begegnung mit dem Fremden<br />
werden eigene Wünsche und Ängste mobilisiert<br />
und abgewehrt. Andererseits ist das Fremde für die<br />
Selbstentwicklung zwingend notwendig: Ohne den/<br />
die Andere kann es kein Eigenes Geben. Um die<br />
mit dem Befremden verbundenen Ängste und Neugierden<br />
regulieren zu können, lassen sich sowohl<br />
auf der individuellen als auch auf der gesellschaftlichen<br />
Ebene verschiedene Bewältigungsstrategien<br />
finden. Fremdheit wird somit Phänomen in jeder<br />
Beratung: Es taucht als Thema der Klient_innen<br />
und der Beratungsbeziehung auf. Eine Voraussetzung<br />
zum Verstehen des Fremden ist, dem eigenen<br />
Befremden, dem Eigenen im Fremden nachzuspüren.<br />
Literatur<br />
Curevello, Tatiana Lima, Merbach, Martin (2012).<br />
Psychologische Beratung bikultureller Familien und<br />
Paare. Frankfurt/Main: Brandes & Apsel.<br />
Erdheim, Mario (1988): Psychoanalyse und<br />
Unbewusstheit in der Kultur. Frankfurt / M.: Suhrkamp.<br />
Erdheim, Mario (1992): Das Eigene und das<br />
Fremde. Über ethnische Identität. Psyche 46, 730-<br />
744.<br />
Freud, Sigmund (1972): Das Unheimliche. GW<br />
Bd.XII, 229-268, Frankfurt/Main: Fischer.<br />
Freud, Sigmund (1972): Das Unbehagen in<br />
der Kultur. GW Bd.XIV, 419-506, Frankfurt/Main:<br />
Fischer.<br />
Kluge, Friedrich (2002): Etymiologisches Wörterbuch<br />
der deutschen Sprache, 24. Auflage<br />
bearbeitet von Elmar Seefeld. Berlin und New York:<br />
De Gruyter.<br />
Kristeva, Julia (1990): Das Fremde sind wir uns<br />
selbst. Frankfurt/Main: Suhrkamp.<br />
Oerter, Rolf und Montada, Leo (1998). Entwicklungspsychologie.<br />
Ein Lehrbuch. Beltz/PVU.<br />
Schütz, Alfred (1972): Der Fremde. In: Alfred<br />
Schütz. Gesammelte Aufsätze. Bd. 2: Studien zur<br />
soziologischen Theorie. Den Haag, 53-69.<br />
Simmel, Georg (1992): Exkurs über den Fremden.<br />
In: Loycke, A. (Hrsg.) Der Gast, der bleibt.<br />
Seite 7