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TRI∆LOG 16/2015<br />

für die konsumfreudige Ausgestaltung vor dem<br />

Hintergrund der Möglichkeiten des world-wide-net.<br />

Zu diesen Autoren gesellt sich nun Heinz Bude.<br />

Der zuletzt wiederholt im Nachrichtenmagazin<br />

„Der Spiegel“ zitierte Soziologe hat ein sehr wichtiges<br />

kleines Buch mit dem Titel „Gesellschaft der<br />

Angst“ vorgelegt ( Hamburg, 2014 ).<br />

Hier untersucht er ein Thema, das sicher viele<br />

EFB-Berater umtreibt, die bei ihren Klienten immer<br />

wieder auf die mehr oder weniger diffusen Ängste<br />

stoßen, die heute offenbar sehr verbreitet sind.<br />

Wir begegnen diesen Ängsten z.B. dort, wo Eltern<br />

alles Erdenkliche unternehmen, um die Wettbewerbsbedingungen<br />

für ihre Kinder in der Schule<br />

und anderswo zu verbessern.<br />

Wir erleben diese Ängste bei Trennungen, wenn<br />

unterhaltsrechtliche Gründe die Wahl des Umgangsmodells<br />

beeinflussen oder bei Mobilitätsentscheidungen,<br />

wenn der Umzug wegen des besseren<br />

Jobs angestrebt wird und die Beziehungen<br />

des eigenen Kindes darunter leiden.<br />

Heinz Bude knüpft bei Ulrich Beck an, wenn er<br />

über die Angst vor der falschen Entscheidung<br />

schreibt: „Man kann die falsche Grundschule, die<br />

falsche weiterführende Schule, die falsche Universität,<br />

die falsche Fachrichtung, die falschen Auslandsaufenthalte,<br />

die falschen Netzwerke, den falschen<br />

Partner und den falschen Ort wählen.“<br />

Die multioptionale Gesellschaft hält viele Angebote<br />

bereit, von denen einige dann auch schlechter<br />

sein werden, als andere. Eine falsche Wahl kann<br />

die individuelle Selbstoptimierung beeinträchtigen,<br />

denn: „;Man kann die Veränderung so auf<br />

den Punkt bringen, dass wir heute einen Wechsel<br />

im gesellschaftlichen Integrationsmodus vom<br />

Aufstiegsversprechen zur Exklusionsdrohung erleben.“<br />

Viele Ängste erscheinen als Statusängste, befeuert<br />

von den ständigen rankings und anderen Wettbewerbsritualen<br />

in einer Gesellschaft, in der die<br />

„Gewinner alles nehmen“.<br />

„Die Angst“, schreibt Heinz Bude, „kommt daher,<br />

dass alles offen, aber nichts ohne Bedeutung ist.“<br />

Manche Angst erscheint noch ontischer, z.B. als<br />

Angst vor dem Beziehungsverlust. Menschen machen<br />

die Erfahrung, dass Beziehungen fast sämtlich<br />

kündbar sind und erleben plötzlich die Nähe<br />

des Abgrunds: Hier bin ich, da sind die anderen<br />

und sonst ist da nichts mehr.<br />

„Zuflucht bieten die einzig unkündbaren Beziehungen,<br />

die es heute noch gibt: Das sind die Beziehungen<br />

zwischen Eltern und Kindern und die<br />

zwischen Geschwistern.“<br />

Heinz Bude liefert uns hier eine sehr einleuchtende<br />

Erklärung für den Kampf vieler Eltern um eine<br />

begegnungsreiche Beziehung zu den eigenen<br />

Kinder nach der Trennung der Partner.<br />

Er beschreibt aber auch die unterschiedlichen<br />

Formen der Angst in unterschiedlichen sozialen<br />

Schichten.<br />

In der „gesellschaftlichen Mitte“, in der längst nicht<br />

mehr Sicherheit die Regel ist, als Folge der globalen<br />

Konkurrenz: „Weltweit wächst die Mittelschicht<br />

um etwa 80 Millionen Menschen im Jahr, so dass<br />

bis 2030 ihr Anteil von jetzt 29 auf 50 Prozent der<br />

Weltbevölkerung ansteigt. Unter Berücksichtigung<br />

des demographischen Wandels wird China dann<br />

18 Prozent (heute 4 Prozent) und Deutschland nur<br />

noch zwei Prozent dieser Kategorie (heute 6 Prozent)<br />

stellen.<br />

Doch auch die „untere Etage“ etwa im Dienstleistungssektor<br />

hat allen Grund, Angst zu haben. Hier<br />

sind Beschäftigungsverhältnisse prekär, der Lohn<br />

deckt nur die elementaren Kosten und die Betriebe<br />

können nur dadurch miteinander konkurrieren,<br />

dass sie ihre Beschäftigten unter Druck setzen.<br />

„Die Wiederkehr von Formen personeller Herrschaft<br />

in der Welt der einfachen Dienste lässt die<br />

Angst zur Voraussetzung und Bedingung des alltäglichen<br />

Überlebens werden.“<br />

Heinz Bude stellt die Angst als allgemeines gesellschaftliches<br />

Phänomen vor und viele seiner Beispiele<br />

kennen wir aus dem Beratungsalltag.<br />

Wenn wir die Hintergründe der Angst begreifen,<br />

wird uns vieles nicht mehr als individuelle Störung<br />

erscheinen können, wir erkennen Muster.<br />

Vielleicht sollte Beratung stärker noch als bisher<br />

den Blick auf die anderen lenken, denen es ähnlich<br />

geht und versuchen, das alte Prinzip der Solidarität<br />

zurück in das Bewusstsein der Menschen<br />

zu bringen.<br />

Gerade in letzter Zeit mussten wir Phänomene erleben,<br />

die einmal mehr als angstmotiviert erschei-<br />

Seite 64

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