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Trialog_16-2015

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TRI∆LOG 16/2015<br />

Das Buch von Michael Tsokos und Saskia Guddat,<br />

„Deutschland misshandelt seine Kinder“, enttäuscht.<br />

Zwar erscheint es glaubwürdig, dass die beiden<br />

Mediziner betroffen sind von dem, was sie allzu<br />

häufig erleben müssen. Doch auch wenn das<br />

Buch Debatten anstoßen soll, reicht es nicht aus,<br />

andere Berufsgruppen mit einer meist pauschalen,<br />

aber maßlosen Kritik zu überziehen, wenn<br />

man als angebliche Problemlösungen vor allem<br />

law-and-order-Rezepte anzubieten hat.<br />

Der billige Rückgriff auf Ressentiments, etwa<br />

wenn die kritisierten Sozialarbeiter als beamtet<br />

dargestellt werden, rückt die Veröffentlichung in<br />

die Nähe bestimmter Presseorgane des Boulevards,<br />

die seit Jahrzehnten die Problematik des<br />

Beamtentums vornehmlich aus der Neiderperspektive<br />

beleuchten.<br />

Sicher gibt es bei der Beauftragung freier Träger<br />

durch die Jugendämter in Fällen mit Gewaltproblematik<br />

eine Reihe von Aspekten, die kritikwürdig<br />

sind, doch bleibt das Grundproblem auch dort<br />

das eines Gemeinwesens, das einesteils der Sozialstaatlichkeit<br />

verpflichtet ist, anderenteils aber<br />

neoliberalen Idealen der „Schlankheit“ folgt und<br />

Jugendämter betriebswirtschaftlich optimieren will<br />

und sei es auf Kosten der Beziehungsmöglichkeiten<br />

der dort arbeitenden Sozialarbeiter.<br />

Sozialarbeit ist Beziehungsarbeit und wer für ständige<br />

Stellenknappheit sorgt, beeinträchtigt damit<br />

die Beziehungsarbeit.<br />

Aber auch das Zusammenwirken der Berufsgruppen<br />

hat Beziehungsaspekte. Im Kinderschutz ist<br />

ein vertrauensvolles Zusammenwirken der Professionen<br />

Voraussetzung für erfolgreiches Handeln.<br />

Wenn wir also kritisieren, was ausdrücklich erwünscht<br />

ist, dann sollten wir es so tun, dass neue<br />

Perspektiven eröffnet werden und bessere Kooperationsmöglichkeiten<br />

entstehen.<br />

Das wird wohl nur gelingen, wenn alle Beteiligten<br />

bereit sind, voneinander zu lernen.<br />

Michael Freiwald<br />

liberosco@web.de<br />

Heinz Bude:<br />

Gesellschaft der Angst<br />

Hamburger Edition, 2014<br />

Berater arbeiten in Psychosozialen Diensten. Sie<br />

sind entweder Psychologen oder haben andere<br />

berufliche Grundlagen durch eine Therapieausbildung<br />

ergänzt. Sie sind geschult, individuelle Persönlichkeitsmerkmale<br />

zu erkennen und zu verstehen.<br />

Häufig aber treffen sie auf Verhaltensweisen bei<br />

den Klienten, die Ausdruck gesellschaftlicher Tendenzen<br />

sind, die immer wieder beobachtet werden<br />

können und einen Trend markieren.<br />

Deshalb sollten Berater sich für die Veröffentlichungen<br />

von Soziologen interessieren.<br />

Sie sind es, die uns Tendenzen oder Trends erklären,<br />

die sie mitunter aus ökonomischen Zwängen<br />

ableiten können.<br />

Mittlerweile gibt es eine Reihe soziologischer Arbeiten,<br />

die man Beratern dringend empfehlen<br />

kann, da sie zu einem Grundverständnis der gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse beitragen, die für das<br />

Auftreten bestimmter Verhaltensphänomene maßgeblich<br />

sind.<br />

Da ist zunächst einmal der am 01.01.2015 verstorbene<br />

Ulrich Beck.<br />

Er hat mit dem Buch „Risikogesellschaft“ einen<br />

Klassiker geschrieben, der für das Verständnis der<br />

heutigen Gesellschaft grundlegend ist.<br />

Dann gibt es Hartmut Rosa, der mit dem Buch<br />

„Beschleunigung“ über die Veränderungen von<br />

Zeitstrukturen einen sehr wichtigen Beitrag veröffentlicht<br />

hat.<br />

Er wies u.a. auf die Auswirkungen der gesellschaftlichen<br />

Beschleunigung auf die die Beziehungsbildung<br />

und die Bindungen in Familien hin.<br />

In dieser Aufzählung ist auch Eva Illouz zu nennen.<br />

In ihren Arbeiten („Gefühle in Zeiten des Kapitalismus“,<br />

„Der Konsum der Romantik“) beschreibt die<br />

Professorin an der Universität von Jerusalem heutige<br />

Spielarten der Partnerwahl und die Nutzung<br />

des überkommenen romantischen Liebesideals<br />

Seite 63

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