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Trialog_16-2015

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TRI∆LOG 16/2015<br />

der geringen Zahl der Mitarbeiter ist ein strenger Arbeitsplan<br />

und eine gute Organisation notwendig, um<br />

die Fülle der Anfragen einigermaßen termingerecht<br />

bearbeiten zu können. Bei der Einrichtung hatte die<br />

Erziehungsberatung noch keine eigenen Räume.<br />

Die Mitarbeiter mussten anfangs in den Räumen der<br />

Familienfürsorge an einigen Tagen stundenweise<br />

arbeiten. Im Laufe der Jahre und nach 7 Umzügen<br />

konnte im Jahre 1958 das Haus in Waidmannlust,<br />

Oraniendamm 40/43 bezogen werden.“<br />

Außerdem liegt ein Artikel über Leonore Jacobi mit<br />

einem Foto von ihr als junger zarter Frau aus Report<br />

Psychologie vom Mai 1988 vor mir. Ihre frühere<br />

Tätigkeit am Institut für Konstitutionsmedizin<br />

wird nicht erwähnt.<br />

Report Psychologie 5/1988<br />

Unter „Zur Person“ steht: „Leonore Jacobi wurde<br />

am 22.9.1909 in Aachen geboren, legte noch kurz<br />

vor Kriegsende im damals bereits in Agonie liegenden<br />

Berlin im Februar 1945 ihre Diplom-.Prüfung<br />

ab. Das Studium mit Statistenrollen beim Film und<br />

mit Nachhilfestunden finanziert, führte in die Angewandte<br />

Psychologie. Von ihrer früheren Tätigkeit<br />

als Jugendleiterin her hatte sie ein starkes Interesse<br />

an Beratung, insbesondere Erziehungsberatung,<br />

entwickelt,... Auf Arbeitssuche im zerstörten Berlin<br />

wandte sie sich im Sommer 1945 an das Bezirksamt<br />

Reinickendorf. „Mir schwebte damals schon<br />

vor, dass hier nicht nur Beratungen der Erzieher<br />

bzw. der Eltern erfolgen sollten, sondern auch Behandlungen.<br />

Von Behandlungen habe ich während<br />

meines Studiums nie etwas gehört…. Ich legte dem<br />

Bezirksamt Reinickendorf ein ausführliches Konzept<br />

vor, was ich mir beispielsweise unter einer Behandlung<br />

vorstellte und welche Patienten mit welchen<br />

Symptomen vorstellig werden könnten. Das gefiel<br />

offenbar, und man stelle mir im Amtsgebäude des<br />

Bezirksamtes ein kleines Zimmer zur Verfügung,..<br />

Die Anfänge der psychologischen Erziehungsberatung<br />

waren nicht einfach. Leonore Jacobi dazu:<br />

„ Die Einstellung der leitenden Beamten des Jugendamtes<br />

(z.B. Jugendstadtrat Jacov Rabau, ein<br />

Überlebender des Holocaust, der mit 12Jahren mit<br />

einem Kindertransport fliehen musste) zu der neu<br />

hinzugekommenen Psychologin war gebrochen und<br />

mehr noch, man brachte mir viel Misstrauen entgegen,<br />

war hellhörig und aufmerksam, ohne etwas<br />

von der Arbeit zu verstehen, die ich leistete… Als sie<br />

nach 29 Jahren Dienstzeit 1974 aus dem Jugendamt<br />

Berlin ausschied, umfasste ihre Beratungsstelle<br />

4 Psychologen, 1 Psychologin, 1 Sozialarbeiter und<br />

2 Bürokräfte. Rückblickend auf diese Zeit meint Leonore<br />

Jacobi heute: „Besonders erfreulich war über<br />

die Jahrzehnte die Zusammenarbeit mit einer Klinik<br />

für psychisch gestörte Kinder und Jugendliche.<br />

(Wiesengrund) Mit den dort arbeitenden Ärzten hielt<br />

ich besonders engen Kontakt.“<br />

Bei meinen Gesprächen mit ehemaligen Kollegen<br />

entsteht von Leonore Jacobi das Bild einer kompetenten<br />

und geschätzten Leiterin der Beratungsstelle.<br />

Sie engagierte sich sehr für die Betreuung von<br />

Pflegeeltern und deren Kindern, schuf auch viele<br />

„Psychagogenstellen“. Über die Vergangenheit sei<br />

nie gesprochen worden, so dass unklar bleibt, ob<br />

sie von ihrer früheren NS-ideologisch geprägten<br />

Auffassung Abstand nahm.<br />

Sie starb hochbetagt mit über 90 Jahren.<br />

Meine Kollegen und ich fragen uns, ob wir 2015 das<br />

70jährige Bestehen der Beratungsstelle feiern. Ich<br />

bin schockiert über die Ergebnisse meiner Recherchen<br />

und habe zunächst kein Interesse an einer<br />

Feier. Wir kommen dann zu dem Schluss, anlässlich<br />

einer Veranstaltung auf die Geschichte unserer<br />

Stelle hinzuweisen, sie publik zu machen.<br />

Seite 54

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