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TRI∆LOG 16/2015<br />

schärfen die Konflikthaftigkeit jedoch teilweise sehr<br />

stark.<br />

Für Eltern ist es kaum nachvollziehbar, warum sich<br />

der Jugendliche quasi plötzlich den Herausforderungen<br />

der Welt entzieht und damit die Chance auf<br />

Erfolg, Anerkennung und eine erfüllende Zukunft<br />

verwirft. Stattdessen scheint er sich von seinem<br />

digitalen Kommunikations- und Spielgerät abhängig<br />

zu machen. Sie verlangen eine Reduktion der<br />

Bildschirmzeiten und die Erfüllung repressiver<br />

Aufgaben, drohen mit dem Entzug der Technik.<br />

In einfühlsamen Familien gelingt es Eltern, ihren<br />

Sinneswandel dem jugendlichen Nutzer rational<br />

nachvollziehbar darzustellen. Die intensiv erlebte<br />

Bindung an das virtuelle Handeln kann dies jedoch<br />

oft nicht lösen und es kommt mitunter dennoch zu<br />

Konfrontationen, die bis zum innenfamiliären Kommunikationsabbruch<br />

führen können. Der fast vollständige<br />

Rückzug in virtuelles Agieren erscheint<br />

dem Betroffenen paradoxerweise oft als einzig<br />

mögliches Mittel, um die Familie nicht auseinander<br />

brechen zu lassen, da der Konflikt durch die konträren<br />

Perspektiven unlösbar wirkt.<br />

Diese Situation stellt für einige den Beginn einer<br />

Suchtentwicklung dar. Vergleichbar mit den Menschen,<br />

die in angespannten Lebenssituationen die<br />

scheinbar befreiende Wirkung des Alkohols entdecken.<br />

So sind auch die Kriterien der Medienabhängigkeit<br />

in Anlehnung an die Kriterien anderer Substanzund<br />

Verhaltensabhängigkeiten verfasst worden<br />

und beinhalten eine massive (gedankliche) Einengung<br />

auf die PC-Tätigkeit, eine verminderte Kontrollfähigkeit<br />

bzgl. Beginn, Beendigung und Dauer<br />

der Computeraktivitäten, „Entzugserscheinungen“<br />

in Form von Gereiztheit, Nervosität, Konzentrations-<br />

und Aufmerksamkeitsstörungen, eine „Toleranzentwicklung“<br />

in Bezug auf einen immer größer<br />

werdenden Zeitbedarf, da immer mehr Stimulation<br />

erforderlich ist, um einen entsprechenden Zufriedenheitsgrad<br />

zu erreichen sowie die fortschreitende<br />

Vernachlässigung anderer Interessen. Verabredungen<br />

und Geselligkeiten werden eher lästig,<br />

Probleme und negative Gefühle werden vermieden<br />

oder verdrängt, das Ausmaß der PC-Tätigkeit<br />

wird gegenüber Bezugspersonen verleugnet. Trotz<br />

eindeutig schädlicher Folgen, wie Konflikte und<br />

Krisen in Familie oder Partnerschaft, das Nachlassen<br />

von Elan und Engagement in Schule oder<br />

Beruf und eine zunehmende Erschöpfung aufgrund<br />

mangelnden Schlafes, wird der PC-Gebrauch nicht<br />

eingeschränkt, so dass u.U. eine Gefährdung von<br />

Beziehungen, Arbeit, Ausbildung oder beruflicher<br />

Optionen toleriert wird.<br />

Mit dem Wissen um das Gefährdungspotential exzessiver<br />

Mediennutzung ist es hilfreich, sich als Eltern<br />

zu gegebener Zeit über die eigene Perspektive<br />

und die familiäre Verantwortung in Bezug auf eine<br />

konstruktive Persönlichkeitsentwicklung Klarheit zu<br />

verschaffen. So können ungünstige Entwicklungen<br />

vermieden oder rechtzeitig erkannt werden, um ein<br />

glückliches Familienerleben dauerhaft zu ermöglichen.<br />

Keinem Zehnjährigen würden Eltern den ausgiebigen<br />

Konsum von Erdbeerlikör zumuten, bei dem<br />

das Kind selbst herausfinden sollte, wie viel ihm<br />

gut tut. Kein achtjähriges Kind würde von verantwortungsvollen<br />

Eltern mit dem Fahrrad ohne Helm<br />

und ohne jegliche Kenntnis der Verkehrsregeln auf<br />

die Straßen einer Großstadt geschickt werden. Im<br />

Internet surfen schon Sechsjährige. Eine aktuelle<br />

Studie des Bundesfamilienministeriums weist nach,<br />

dass ein Drittel der 3- bis 8-Jährigen im Internet<br />

agiert - dabei sind zehn Prozent der Dreijährigen<br />

schon virtuell aktiv.<br />

Eltern könnten die Altersangemessenheit digitaler<br />

Geräte und medialer Angebote für ihr Kind prüfen,<br />

indem sie einschätzen, ob die Voraussetzungen für<br />

eine adäquate und förderliche Nutzung gegeben<br />

sind. Sie könnten sich fragen: Verfügt mein Kind<br />

über altersangemessene Alltagskompetenzen? Auf<br />

welche Weise balanciert es seine Stimmung? Wie<br />

hoch ist der aktuelle Selbstreflektionsgrad? Besitzt<br />

mein Kind ein angemessenes Risikobewusstsein?<br />

Wenn die Entscheidung dann für eine entsprechende<br />

Mediennutzung fällt, sollten sich Eltern<br />

bewusst sein, dass ihre eigene Art des Medienumganges<br />

die entscheidende Prägung für das Kind<br />

bzw. den Jugendlichen darstellt - unabhängig von<br />

allem pädagogisch-erzieherischem Engagement.<br />

Die entspannte Vereinbarung familiärer Regeln und<br />

die Verabredung zu einer anfänglichen Begleitung<br />

lassen die Chancen auf einen dauerhaft gelassenen<br />

familiären Medienumgang erheblich steigen.<br />

So können die Möglichkeiten und Gefährdungen<br />

gemeinsam erkundet und ausgelotet werden. Kon-<br />

Seite 25

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