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TRI∆LOG 16/2015 lichkeiten beispielsweise der Massen-Mehrspieler- Online-Rollenspiele (MMORPGs) faszinieren. Das kann soweit gehen, dass die Mediennutzung der Flucht vor schwierigen Lebenskontexten hinein in eine besser beeinflussbare virtuelle Realität dient. Dort lassen sich dann die Grundbedürfnisse nach Orientierung, Lustgewinn, Bindung oder Selbstwerterhöhung (vgl. Grawe, 2004) für die Betroffenen leichter verwirklichen als im realen Leben. Eine Krankheitsentwicklung resultiert, wenn der Mediengebrauch das Denken, Fühlen und Handeln dominiert und die Nutzungsdauer nahezu unbegrenzt ist. Damit einhergehen eine Reduzierung der realen sozialen Kontakte sowie eine Reduktion der Leistungsfähigkeit und Alltagskompetenz. Es kommt zu körperlichen, psychischen und sozialen Schäden. In Abgrenzung zu anderen psychischen Störungen beschreiben Schuhler et al. (2013) den Pathologischen PC-/Internet-Gebrauch als eigenständiges Krankheitsbild. In der Internationalen Klassifikation Psychischer Störungen der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) ist das Krankheitsbild als Störung der Impulskontrolle (ICD-10: F 63.8) oder Störung der zwischenmenschlichen Beziehungsverhaltens (ICD-10: F 68.8) diagnostizierbar. THERAPIE In der AHG Klinik Schweriner See werden seit Jahren Patienten mit Pathologischem PC-/Internet- Gebrauch stationär psychotherapeutisch behandelt. Dabei handelt es sich überwiegend um allein stehende junge Männer mit komplexer psychischer Störung, die trotz solidem intellektuellem Leistungsvermögen nicht am Erwerbsleben teilhaben. Therapeutische Grundsätze Das therapeutische Konzept der stationären Behandlung von Patienten mit Pathologischem PC-/ Internet-Gebrauch (Sobottka, 2010) basiert auf einem integrativ-verhaltenstherapeutischen Ansatz mit kontinuierlicher Einzel- und Gruppenpsychotherapie. Bei der Realisierung des Behandlungskonzepts erfolgt eine enge interdisziplinäre Kooperation der einzelnen Arbeitsbereiche in der Klinik sowie mit den vor- und nachbehandelnden Beratungsstellen, Ärzten und Psychotherapeuten. Die Therapie soll die Patienten mit multiprofessioneller Unterstützung des Behandlungsteams dazu befähigen, am Erwerbsleben teilzuhaben. Das Behandlungskonzept sieht eine gründliche Auseinandersetzung mit der individuellen Entwicklung der Störung vor. Zunächst werden frühzeitig im Therapieverlauf auf der Grundlage einer umfassenden Verhaltens- und Bedingungsanalyse individuelle Therapieziele festgelegt. An ihrem Erreichen wird im weiteren Therapieverlauf systematisch und konsequent gearbeitet. Daraus abgeleitet werden pragmatische Verhaltensänderungen, die tragfähige Verhaltensalternativen ermöglichen und einem erneuten Pathologischen PC-/Internet-Gebrauch vorbeugen. Angestrebt wird - anders als z.B. bei der Behandlung von Pathologischen Glücksspielern oder Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen - eine partielle Abstinenz vom Problemverhalten. Somit steht das Erlernen eines funktionalen PCund Internetgebrauchs im Vordergrund. Während der stationären Behandlung werden die Patienten systematisch dazu angeleitet, zu Experten ihrer eigenen Problematik zu werden und Verantwortung für das eigene Erleben und Verhalten zu übernehmen. Eigenaktivität und Selbstverantwortung werden gezielt gefördert. Eine besondere Bedeutung kommt der Bearbeitung des Interaktionsverhaltens in zwischenmenschlichen Beziehungen zu, da das Störungsbild in der Regel auf der Grundlage einer Störung des Beziehungsverhaltens entstanden ist und sich auch im weiteren Verlauf darauf bezieht. Störungsspezifische Therapie Zu Beginn der stationären Psychotherapie erfolgt gemeinsam mit dem Patienten in Abhängigkeit von dem Veränderungsanliegen und der Komplexität der Gesamterkrankung die Formulierung der Therapieziele. Selbstverständlich ist dabei die Einbeziehung der häufig vorhandenen weiteren psychischen Störungen zu berücksichtigen. Die störungsspezifischen Therapieziele ergeben sich aus den Besonderheiten des Störungsbildes und basieren auf einem gemeinsam mit den Patienten erarbeiteten störungsspezifischen Verständnis. Die Formulierung von störungsspezifischen Therapiezielen beachtet den Aufbau von: Seite 20

TRI∆LOG 16/2015 Verhaltenskontrollkompetenzen alternativen Problembewältigungsstrategien alternativen Bedürfnisbefriedigungsmodi funktionalem PC-/Internet-Gebrauch Medienkompetenz Rückfallprophylaxestrategien Vorgespräch Bereits vor Beginn der stationären Behandlung wird nach Prüfung der Vorbefunde im Bedarfsfall ein ambulantes Vorgespräch nach Absprache mit den Vorbehandlern geführt. Das Vorgespräch dient einer Klärung der Motivationslage und der Therapievorbereitung. Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist eine hinreichende Veränderungsmotivation, was insbesondere die Motivation zum Aufbau eines angemessenen PC-/Internet-Gebrauchs einschließt. Zum Störungsbild von Patienten mit Pathologischem PC-/Internet-Gebrauch gehören oftmals erhebliche Schwierigkeiten, einem geregelten Tagesrhythmus nachzugehen, mit Regeln angemessen umzugehen und Verpflichtungen einzuhalten. Deshalb kann das Vorgespräch mit einer Verpflichtung auf die Behandlungsstrukturen bereits einen wichtigen Therapiebaustein der gesamten Behandlung darstellen und als erste therapeutische Intervention verstanden werden. Gruppentherapie „Pathologischer PC-/Internet- Gebrauch“ In der störungsspezifischen Gruppentherapie „Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch“ befinden sich ausschließlich Patienten, die aufgrund Pathologischen PC-/Internet-Gebrauchs in der Klinik behandelt werden. Als übergeordnete Behandlungsinhalte ergeben sich die folgenden Schwerpunkte: • Informationsvermittlung und Ausbau der Behandlungsmotivation In der ersten Phase der Therapie geht es zunächst um die Festigung oder den Ausbau der Behandlungsmotivation. Ziel in dieser Phase des Therapieprozesses ist es, die Patienten durch Informationen zum Störungsbild für eine Verhaltensänderung zu interessieren. Schritt für Schritt wird so die Bereitschaft aufgebaut, den eigenen PC-/Internet-Gebrauch in den Mittelpunkt zu rücken. • Funktionale Analyse Daran schließt sich die Phase einer Bedingungsanalyse an. Gemeinsam mit den Patienten wird herausgearbeitet, welches die auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen des Pathologischen PC-/Internet-Gebrauchs sind. Ferner wird untersucht, welche Funktion der PC-/Internet-Gebrauch in den individuellen Interaktions- und Beziehungsmustern hat. • Korrektur kognitiver Fehlannahmen Fehlannahmen über die eigene Person stellen oftmals einen wesentlichen aufrechterhaltenden Faktor für den Pathologischen PC-/Internet- Gebrauch dar (z. B. falsche Annahmen über vorhandene soziale Kompetenzen). Patienten mit Pathologischem PC-/Internet-Gebrauch denken häufig, dass sie in realen sozialen Interaktionen keine Kontakte knüpfen und Beziehungen gestalten können. Sie unterliegen der Illusion, dass ihnen das in der virtuellen PC- Welt in zufrieden stellendem Ausmaß gelingen kann. Derartige Fehlannahmen, die sich vor dem Hintergrund eines dichotomen Erlebens in Bezug auf intrapsychische und interaktive Funktionen in Virtualität und Realität (vgl. Schuhler & Vogelgesang, 2012) entwickeln, werden im Gruppenkontext hinterfragt und verändert. • Umgang mit Selbstwertproblemen Selbstwertdefizite der Patienten erschweren häufig den adäquaten Umgang mit negativen Gefühlen und den Aufbau sozialer Kontakte. Im Rahmen der störungsspezifischen Gruppentherapie können korrigierende Erfahrungen gemacht werden, die dann in anderen Beziehungen im Therapiealltag gefestigt oder erweitert werden können. • Erarbeitung von Alternativen Ein wichtiger Bereich der Therapie befasst sich mit dem Aufbau von alternativen Problembewältigungsstrategien. Dabei geht es um die Wahrnehmung und Identifizierung der bisherigen dysfunktionalen Problemlösestrategien, bevor es schrittweise zur Etablierung neuer Möglichkeiten der Problemlösung sowie der Erregungs- und Gefühlsregulation kommt. Seite 21

TRI∆LOG 16/2015<br />

Verhaltenskontrollkompetenzen<br />

alternativen Problembewältigungsstrategien<br />

alternativen Bedürfnisbefriedigungsmodi<br />

funktionalem PC-/Internet-Gebrauch<br />

Medienkompetenz<br />

Rückfallprophylaxestrategien<br />

Vorgespräch<br />

Bereits vor Beginn der stationären Behandlung<br />

wird nach Prüfung der Vorbefunde im Bedarfsfall<br />

ein ambulantes Vorgespräch nach Absprache mit<br />

den Vorbehandlern geführt. Das Vorgespräch dient<br />

einer Klärung der Motivationslage und der Therapievorbereitung.<br />

Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung<br />

ist eine hinreichende Veränderungsmotivation, was<br />

insbesondere die Motivation zum Aufbau eines angemessenen<br />

PC-/Internet-Gebrauchs einschließt.<br />

Zum Störungsbild von Patienten mit Pathologischem<br />

PC-/Internet-Gebrauch gehören oftmals erhebliche<br />

Schwierigkeiten, einem geregelten Tagesrhythmus<br />

nachzugehen, mit Regeln angemessen<br />

umzugehen und Verpflichtungen einzuhalten. Deshalb<br />

kann das Vorgespräch mit einer Verpflichtung<br />

auf die Behandlungsstrukturen bereits einen wichtigen<br />

Therapiebaustein der gesamten Behandlung<br />

darstellen und als erste therapeutische Intervention<br />

verstanden werden.<br />

Gruppentherapie „Pathologischer PC-/Internet-<br />

Gebrauch“<br />

In der störungsspezifischen Gruppentherapie<br />

„Pathologischer PC-/Internet-Gebrauch“ befinden<br />

sich ausschließlich Patienten, die aufgrund Pathologischen<br />

PC-/Internet-Gebrauchs in der Klinik<br />

behandelt werden. Als übergeordnete Behandlungsinhalte<br />

ergeben sich die folgenden Schwerpunkte:<br />

• Informationsvermittlung und Ausbau der Behandlungsmotivation<br />

In der ersten Phase der Therapie geht es zunächst<br />

um die Festigung oder den Ausbau der<br />

Behandlungsmotivation. Ziel in dieser Phase<br />

des Therapieprozesses ist es, die Patienten<br />

durch Informationen zum Störungsbild für eine<br />

Verhaltensänderung zu interessieren. Schritt für<br />

Schritt wird so die Bereitschaft aufgebaut, den<br />

eigenen PC-/Internet-Gebrauch in den Mittelpunkt<br />

zu rücken.<br />

• Funktionale Analyse<br />

Daran schließt sich die Phase einer Bedingungsanalyse<br />

an. Gemeinsam mit den Patienten<br />

wird herausgearbeitet, welches die auslösenden<br />

und aufrechterhaltenden Bedingungen<br />

des Pathologischen PC-/Internet-Gebrauchs<br />

sind. Ferner wird untersucht, welche Funktion<br />

der PC-/Internet-Gebrauch in den individuellen<br />

Interaktions- und Beziehungsmustern hat.<br />

• Korrektur kognitiver Fehlannahmen<br />

Fehlannahmen über die eigene Person stellen<br />

oftmals einen wesentlichen aufrechterhaltenden<br />

Faktor für den Pathologischen PC-/Internet-<br />

Gebrauch dar (z. B. falsche Annahmen über<br />

vorhandene soziale Kompetenzen). Patienten<br />

mit Pathologischem PC-/Internet-Gebrauch<br />

denken häufig, dass sie in realen sozialen<br />

Interaktionen keine Kontakte knüpfen und<br />

Beziehungen gestalten können. Sie unterliegen<br />

der Illusion, dass ihnen das in der virtuellen PC-<br />

Welt in zufrieden stellendem Ausmaß gelingen<br />

kann. Derartige Fehlannahmen, die sich vor<br />

dem Hintergrund eines dichotomen Erlebens in<br />

Bezug auf intrapsychische und interaktive Funktionen<br />

in Virtualität und Realität (vgl. Schuhler<br />

& Vogelgesang, 2012) entwickeln, werden im<br />

Gruppenkontext hinterfragt und verändert.<br />

• Umgang mit Selbstwertproblemen<br />

Selbstwertdefizite der Patienten erschweren<br />

häufig den adäquaten Umgang mit negativen<br />

Gefühlen und den Aufbau sozialer Kontakte. Im<br />

Rahmen der störungsspezifischen Gruppentherapie<br />

können korrigierende Erfahrungen gemacht<br />

werden, die dann in anderen Beziehungen<br />

im Therapiealltag gefestigt oder erweitert<br />

werden können.<br />

• Erarbeitung von Alternativen<br />

Ein wichtiger Bereich der Therapie befasst<br />

sich mit dem Aufbau von alternativen Problembewältigungsstrategien.<br />

Dabei geht es um die<br />

Wahrnehmung und Identifizierung der bisherigen<br />

dysfunktionalen Problemlösestrategien,<br />

bevor es schrittweise zur Etablierung neuer<br />

Möglichkeiten der Problemlösung sowie der<br />

Erregungs- und Gefühlsregulation kommt.<br />

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