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Trialog_16-2015
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TRI∆LOG 16/2015<br />
im derzeitigen deutschen Familienrecht feststellen<br />
müssen. Gleichzeitig gilt Familie als unersetzlich in<br />
Zeiten immer weiteren Auseinanderdriftens gesellschaftlicher<br />
Teilgruppen.<br />
Familie ist Ort von Gemeinsamkeit, Vertrauen, Verbundenheit<br />
und Verbindlichkeit – aber auch des<br />
Horrors. Sexueller Missbrauch zeigt davon die Spitze<br />
eines allmählich sichtbar werdenden Eisbergs<br />
an. Auch dies können wir nur in gesellschaftlichen<br />
Bezügen sehen mit Linien der Gewalt, die sehr konkret<br />
bis ins Nazi-Reich und auch dahinter zurück<br />
reichen. Historische Linien, die zeigen, wie sehr wir<br />
in einer auf Gewalt sich aufbauenden Kultur leben<br />
(Näheres siehe Herman 1993, Rommelspacher<br />
1995, Müller-Hohagen 1994 und 1996).<br />
Dies ist jedoch nur eine Spannungslinie in unserem<br />
zentralen Tätigkeitsfeld Familie.<br />
Stellvertretend für viele andere sei hier ein weiteres<br />
Beispiel familiärer Gewalt genannt, ein Beispiel,<br />
das wohl erst allmählich in die Wahrnehmbarkeit<br />
auftaucht: als ‚Coolness’ drapierte Gewaltsamkeit<br />
erwachsener Kinder gegenüber ihren (hoch-)betagten<br />
Eltern in den mehrgenerationalen Konfliktfeldern<br />
einer „ergrauenden Gesellschaft“ (Lehr,<br />
2000).<br />
Vor- und unbewusste Rechnungen oder Rechnungsteile<br />
werden präsentiert, die nicht mit deren<br />
konkreten (Erziehungs-)Fehlern zu tun haben,<br />
sondern Ausfluss sind eines kollektiv unbewussten<br />
Abwertens und Ausmusterns von Ressourcen<br />
auf zwischenmenschlichem Gebiet – eines gesellschaftsweiten,<br />
manchmal ins Wahnhaft-Illusionäre<br />
umkippenden Jugendlichkeitskults und einer Werteverschiebung<br />
hin zur Selbstverwirklichung, oft<br />
geprägt von rücksichtslosem Individualismus statt<br />
mitmenschlicher Individualität:<br />
Individualisierung fehlentwickelt!<br />
Aufgaben über Aufgaben liegen da für die Institutionelle<br />
Familienberatung – alles andere als leicht,<br />
zumal wir unlösbar mit einbezogen sind, hin und<br />
herpendelnd zwischen den Betroffenheiten in unseren<br />
eigenen Erfahrungen und denen unserer Klientenfamilien.<br />
Vertrautes und Fremdes im Knäuel.<br />
4. FREMD IN DER BERATUNG – PERSPEKTIVEN<br />
Perspektiven sind ausmachbar, Perspektiven, die<br />
gerade wir als Familienberaterinnen und -berater<br />
entwickeln können, auf die gewartet wird, Freiräume,<br />
die wir besetzen können.<br />
Gefahndet wird in Wissenschaften, Publizistik, Politik<br />
nach etwas, dessen rapide Abnahme konstatiert<br />
und beklagt wird: das Miteinander, die Bindungen<br />
und Verbindungen zwischen den Menschen in den<br />
beschleunigten Zeiten allumfassender Globalisierung<br />
und Individualisierung. Und: Zeit-Räume der<br />
Begegnung, der Entschleunigung und des Innehaltens.<br />
Wie dem auch immer sei und wie es sich auch im<br />
Einzelnen feststellen ließe, so meine ich auf jeden<br />
Fall, dass wir als Erziehungs- und Familienberaterinnen<br />
und -berater dazu viel zu sagen haben. Wir<br />
bekommen vieles mit, wovon Wissenschaftler, Publizisten,<br />
Politiker sich kaum etwas träumen lassen.<br />
Zu konkret, zu nah an den Tränen, der Verzweiflung,<br />
den Albträumen. Zu individuell. Aber eine Gesellschaft,<br />
die sich dem nicht stellt, geht weiterhin<br />
über die Einzelnen hinweg – zur Zeit mit rapid steigender<br />
Tendenz.<br />
Wir bekommen Schweres mit und doch auch anderes,<br />
suchen Gegenkräfte zu stärken: Zusammenhalt<br />
und Auseinandersetzungen, Verbindlichkeit<br />
und Bindung, Entwicklungsimpulse trotz schwerster<br />
Belastungen, Überraschungen, Freude und<br />
Leichtigkeit, neue Wege, Vernetzungen im Kleinen<br />
und im Größeren, Verständigung...<br />
Unsere Bezüge sind vielfältiger als die unserer Kolleginnen<br />
und Kollegen in der Psychotherapie. Und<br />
andererseits sind sie oftmals tiefergehend, stärker<br />
an der ganzen Biografie eines Menschen oder einer<br />
Familie orientiert als sonst in der Jugendhilfe.<br />
Das hat uns in Spannungen verwickelt.<br />
Aber wenn wir ihnen und den anderen Spannungsfeldern,<br />
in denen wir stehen, nicht ausweichen, eröffnen<br />
sich uns auch Möglichkeiten eines Eingreifens,<br />
auf das gewartet wird.<br />
Das sind Hoffnungslinien, die mich weiter in dieser<br />
Arbeit halten.<br />
Und wo liegen die Ihrigen?<br />
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