16.10.2015 Views

EFBx

Trialog_16-2015

Trialog_16-2015

SHOW MORE
SHOW LESS

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

TRI∆LOG 16/2015<br />

2. ZUR SUBJEKTIVEN PHÄNOMENOLOGIE VON<br />

FREMDHEIT IN DER BERATUNG<br />

Diesem Beitrag liegt ein subjektives Forschungsprojekt<br />

zugrunde. Über ein halbes Jahr habe ich<br />

genauer zu registrieren versucht, wann und wie<br />

ich mich innerhalb meiner Arbeitssituation subjektiv<br />

fremd fühlte. Nähere Abgrenzungen von Fremdheit<br />

habe ich dabei bewusst nicht vorgängig getroffen,<br />

außer dass für mich klar war, bloßes anfängliches<br />

Unvertrautsein mit einer neuen Situation nicht darunter<br />

zu fassen.<br />

Vielmehr richtete ich meine Aufmerksamkeit auf<br />

solche Formen von Fremdheit, die etwas längerdauernd<br />

Belastendes mit sich brachten oder anklingen<br />

ließen.<br />

Ich liste in aller Knappheit eine Reihe von Stichpunkten<br />

auf, die mir dabei auffielen.<br />

Fremd in der Beratung nach Invasionen aus<br />

der Betriebswirtschaft?<br />

An diesen Punkt denken wohl viele von uns in der<br />

Beratungslandschaft sehr schnell, wenn es um<br />

Fremdheit geht. Das Stichwort „Kunden“ ist seit<br />

Jahren Auslöser allergischer Reaktionen im Sozialbereich:<br />

Synonym des Fremden für uns Beraterinnen<br />

und Berater?<br />

Zentrale Figur des „betriebswirtschaftlichen Denkens,<br />

das uns an den Beratungsstellen durch Qualitätsmanagement<br />

und ähnliches übergestülpt werden<br />

soll“?<br />

Effizienzbasierte Medizin, das klingt inzwischen<br />

schon vertraut – aber effizienzorientierte Beratung<br />

und effizienzbasierte Psychotherapiemethoden<br />

lässt manchen noch erschaudern... Wie ging und<br />

wie geht es mir damit im Rahmen unseres Qualitätsmanagementprojekts?<br />

Fremd im Sinne von unbekannt war zunächst vieles,<br />

unvertraut ist mir weiterhin manches. Aber<br />

Fremdheit, die nicht weichen will, ist das eigentlich<br />

doch nicht. Dafür habe ich doch zu viel an Wichtigem<br />

hinzulernen und eigene Skepsis als zumindest<br />

teilweise vorurteilsbehaftet erkennen können.<br />

Fremdheit in Zeiten neoliberaler Deregulierung<br />

Eher bemerkte ich anhaltende Fremdheitsgefühle<br />

angesichts dieser Themen:<br />

Markt, überall Markt, Sozialmarkt statt Sozialstaat,<br />

dahinter die Drohung, unsere Zukunft zu gefährden,<br />

wenn wir uns nicht weit mehr als zuvor bewegen<br />

würden.<br />

Aber wie und wohin? Und hilft das dann wirklich?<br />

Globalisierung der Märkte – heißt das vor allen Dingen:<br />

Steigerung der Gewinnchancen für wenige,<br />

bei gleichzeitiger Individualisierung der materiellen<br />

und sozialen Risiken für alle? Von den ökologischen<br />

Kollateralschäden ganz zu schweigen.<br />

Zwei junge Eltern, beide Akademiker, unterhalten<br />

sich mit Freunden, ebenfalls Jungakademiker, ebenfalls<br />

von einem Kurzzeitjob zum nächsten sich hangelnd,<br />

Sozialhilfe zeitweilig eingeschlossen, und sie<br />

unterhalten sich über die Zukunft des 15-monatigen<br />

Kindes, auch über dessen dereinstige Berufswahl.<br />

Einer wirft schließlich ein: „Und wie wär‘s mit Sozialpädagogik?“<br />

Alle prusten vor Lachen. Das wäre<br />

wirklich das Letzte. Eben, so was braucht es doch<br />

nicht mehr in einer Zukunft, wo jeder für sich sorgt.<br />

Fort mit dem betulichen Sozialkram, mit all diesen<br />

Sozios und Psychos. Alte Zöpfe ohne Zukunft.<br />

Ein Beispiel nur. Aber wie fühle ich mich, wenn ich<br />

Sätze wie diese innerhalb meiner Familie höre?<br />

Fremdheit im Treibsand gesellschaftlichen<br />

Wandels<br />

Was wollen wir mit all unserem atemlosen Engagement,<br />

mit all den aufgeregten Sitzungen, mit allen<br />

Anstrengungen des Vernetzens und Öffentlichkeitsarbeitens<br />

noch bewirken angesichts globaler Finanzkatastrophen,<br />

zerstörerischen Klimawandels,<br />

unmenschlicher Hungersnöte und nicht endender<br />

Flüchtlingsströme!?<br />

Weltweit sind heute sechzig Millionen Menschen<br />

auf der Flucht – mehr als zu den schlimmsten Zeiten<br />

des Zweiten Weltkrieges, die Hälfte davon Kinder!<br />

Fremd im Leben<br />

Und immer mehr und immer drängender: Müsste<br />

ich nicht? Müsste ich nicht noch mehr?<br />

Wieso habe ich immer noch nicht? Wieso bin ich so<br />

lahm? Wieso bin ich denn so energielos? Fremd in<br />

mir selber.<br />

Allmählich ging mir auf, mich in einer intensiven<br />

Zeit erneuter Selbsterfahrung zu befinden, diesmal<br />

Seite 10

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!