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ISSN 1611-1583 Nr. 3 / 30. Jahrgang September 2015 14.00 € Umwelt + Mensch + Arbeit in der Nordseeregion im 30. Jahrgang www.waterkant.info 9. Nationale Maritime Konferenz Schiffbau: Verstaatlichen? Seite 9 Unsere Unsere Themen Themen Seeleute: Alle Mann von Bord! Seite 13 Offshore-Terminal Bremerhaven: Kein Bedarf und kein Geld Seite 17 Elbfähre Cuxhaven-Brunsbüttel: Neuer Versuch, neue Chance Seite 19 Vertiefungen von Weser und Elbe: EuGH legt Hürden hoch Seite 21 Werra-Weser-Versalzung: „Weiter wie bisher“ geht nicht Seite 27 Fracking: Umwelt- und Gesundheitsrisiken für schnellen Profit Seite 29
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ISSN 1611-1583<br />
Nr. 3 / 30. Jahrgang<br />
September 2015<br />
14.00 €<br />
Umwelt + Mensch + Arbeit in der Nordseeregion<br />
im 30. Jahrgang<br />
www.waterkant.info<br />
9. Nationale Maritime Konferenz<br />
Schiffbau: Verstaatlichen? Seite 9<br />
Unsere Unsere Themen Themen<br />
Seeleute: Alle Mann von Bord! Seite 13<br />
Offshore-Terminal Bremerhaven: Kein Bedarf und kein Geld Seite 17<br />
Elbfähre Cuxhaven-Brunsbüttel: Neuer Versuch, neue Chance Seite 19<br />
Vertiefungen von Weser und Elbe: EuGH legt Hürden hoch Seite 21<br />
Werra-Weser-Versalzung: „Weiter wie bisher“ geht nicht Seite 27<br />
Fracking: Umwelt- und Gesundheitsrisiken für schnellen Profit Seite 29
| 2 |<br />
| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
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Burkhard Ilschner, D-27628 Sandstedt<br />
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Tel.: 0 47 02 / 92 00 94 (bitte vormittags)<br />
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Kirchringstraße 2/12<br />
D-26736 Krummhörn-Loquard<br />
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Inhalte ist unzulässig.<br />
Alle Rechte am Titel WATERKANT inkl.<br />
Untertitel »Umwelt + Mensch + Arbeit in<br />
der Nordseeregion« bei Burkhard Ilschner,<br />
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Namentlich gekennzeichnete Beiträge<br />
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Herausgeber oder der Redaktion wieder. Für<br />
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Inhaltsverzeichnis<br />
Burkhard Ilschner<br />
9. Nationale Maritime Konferenz (NMK) in Bremerhaven steht bevor<br />
Wettlauf um Fördergeld und Subventionen Seite 7<br />
Christoph Spehr<br />
Die Flucht der Meyer Werft vor der Mitbestimmung ist kein Einzelfall<br />
Verstaatlichen wäre eine gute Idee Seite 9<br />
Klaus-Rüdiger Richter<br />
Reeder, Schifffahrtsbranche und Politik schaffen gemeinsam deutsche Seeleute ab<br />
Seemann, lass das Träumen! Seite 13<br />
Eike Narringa<br />
Kein Bedarf, kein Investor, kein Geld, kein rechtlich sicherer Rahmen:<br />
Wieso braucht Bremerhaven einen Offshore-Terminal? . . . . . . . Seite 17<br />
Burkhard Ilschner<br />
Mit „Grete“ und „Anne-Marie“ unter (vorerst) estnischer Flagge über die Unterelbe<br />
Kann neue Fähre Cuxhaven-Brunsbüttel überleben? Seite 19<br />
Peer Janssen<br />
Europäischer Gerichtshof legt Hürden für geplante Weser- und Elbvertiefungen hoch<br />
Luxemburger Klatsche Seite 21<br />
Die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union (WRRL) steht grundsätzlich der<br />
weiteren Ausbaggerung der Weser und der Elbe entgegen: Zwar hat der Europäische<br />
Gerichtshof (EuGH) Anfang Juli Ausnahmen prinzipiell für zulässig erklärt, zugleich aber<br />
die Hürden dafür sehr hoch gelegt.<br />
Herbert Nix<br />
Dokumentation: Minderheitenvotum von „Rettet die Elbe“ e. V. im „Dialogforum Tideelbe“<br />
Wer sich selbst eine Grube gräbt... Seite 25<br />
Walter Hölzel<br />
Der Stand der Dinge bei der Werra-Weser-Versalzung<br />
Hängepartie, vorübergehend... Seite 27<br />
Carin Schomann<br />
Sandstein-Fracking, toxische Chemikalien und die Gesundheit anderer Leute<br />
Denn sie wissen noch immer nicht, was sie tun! Seite 29<br />
düt un dat vunne Waterkant Seite 4-6<br />
Register Seite 31<br />
Bildhinweis:<br />
Das Titelbild zeigt eine Montage von Volkmar Kayser, basierend auf je einem Foto von Burkhard Ilschner (Werftchef<br />
Bernard Meyer / NMK), Thomas Schumacher (Schiff »Norwegian Breakaway«) und »Klugschnacker / Wikimedia«<br />
(Krake im Meeresmuseum Stralsund – http://kurzlink.de/krake-stralsund).
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Editorial<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser!<br />
Insgesamt hat es den Anschein,<br />
als hätte der Meeresnaturschutz<br />
es bereits aufgegeben, sich den<br />
ausufernden Nutzungsansprüchen<br />
unüberhörbar entgegenzustellen.<br />
Das Thema Meeresnaturschutz stehe derzeit<br />
ganz oben auf der politischen Agenda, heißt es<br />
in ersten Berichten aus Stralsund: Dort hat Mitte<br />
September die internationale Tagung „Progress in<br />
Marine Conservation in Europe“ (PMCE) begonnen,<br />
die das Bundesamt für Naturschutz (BfN)<br />
und das Stralsunder „Oceaneum“ bereits zum<br />
vierten Male ausrichten. Zwar überschneidet sich<br />
dieser Termin mit dem Produktionszeitrahmen<br />
dieser Ausgabe, weshalb im Heft keine Details<br />
zu finden sind. Trotzdem soll diese Konferenz<br />
hier Erwähnung finden – als ein markantes Beispiel<br />
für eine von Grund auf falsche Politik.<br />
Nein, diese Worte sollen beileibe nicht das<br />
Engagement all derer beleidigen, die eine solche<br />
Konferenz ermöglichen. Es geht vielmehr um<br />
Verdeutlichung eines elementaren Widerspruchs:<br />
Am Strelasund diskutieren einige hundert<br />
Hochqualifizierte über die Bedrohung der<br />
Meeresumwelt durch menschliche Aktivitäten.<br />
Den vorab veröffentlichten „Abstracts“ zufolge<br />
werden aber Letztere in so gut wie keinem<br />
Beitrag ernsthaft in Frage gestellt. Mal wird<br />
der marinen Raumplanung die Rolle zugesprochen,<br />
Konflikte mit Fischerei, Schifffahrt oder<br />
Energiegewinnung zu entschärfen. An anderer<br />
Stelle wird das gute, alte Vorsorgeprinzip – statt<br />
es zum Gesetz zu erheben – zu einer Art Mediator<br />
erklärt für eine „kluge Nutzung“ (wise<br />
use) sowohl lebender als auch mineralischer<br />
Ressourcen. Insgesamt hat es den Anschein,<br />
als hätte der Meeresnaturschutz es bereits<br />
aufgegeben, sich den ausufernden Nutzungsansprüchen<br />
unüberhörbar entgegenzustellen.<br />
An der Wesermündung zum Beispiel wäre<br />
Gelegenheit dazu: Dort werden bekanntlich<br />
Mitte Oktober einige hundert Vertreter der so<br />
genannten maritimen Wirtschaft konferieren,<br />
und dies mutmaßlich (siehe Seite 7‐16) ohne jede<br />
Spur von Zurückhaltung oder Bescheidenheit.<br />
Laut bisheriger Planung wird dort allenfalls<br />
und nur am Rande jenes krude Verständnis von<br />
so genannter „Nachhaltigkeit“ zelebriert, das<br />
der Ressourcenausbeutung unter dem heuchlerischen<br />
Etikett „Schutz durch Nutzung“ den<br />
Weg ebnet. Meeresnaturschutz gilt in diesen<br />
Kreisen erfahrungsgemäß als lästig oder gar<br />
gefährlich: Schutzgebiete behindern die Schifffahrt,<br />
Grenzwerte wirken kostentreibend usw.<br />
Wohlgemerkt: Es ist nicht damit getan, das<br />
Nebeneinander von Schützern und Nutzern durch<br />
gemeinsames Konferieren zu ersetzen – das<br />
hatten wir schon oft, es hat nur nichts gebracht.<br />
Denn letztlich war es immer die Schützer-Seite,<br />
die entweder von der Nutzer-Front über den Tisch<br />
gezogen oder unter nicht immer würdigen Bedingungen<br />
zum Einknicken und Nachgeben gezwungen<br />
wurde. Dabei hätten die Schützer allen<br />
Grund, entschlossener aufzutreten. Ein Beispiel:<br />
Soeben haben Kieler GEOMAR-Forscher erste<br />
Berichte vorgelegt von einer aktuellen Expedition<br />
zu der Fragestellung, welche Umweltfolgen denn<br />
der Abbau von Manganknollen in der Tiefsee wohl<br />
hätte. Zu den Berichten zählt unter anderem auch<br />
ein Foto vom Meeresboden jenes pazifischen<br />
Gebiets, in dem deutsche Forscher 1989 Manganknollenförderung<br />
versucht haben. Das Bild von<br />
heute zeigt deutlich die Spuren, die sowohl die<br />
damaligen wie spätere Aktivitäten hinterlassen<br />
haben (http://kurzlink.de/geomar-spuren): 26<br />
Jahre später, so kann man schlussfolgern, hat das<br />
Meer diese Eingriffe noch immer nicht „vergessen“.<br />
Während allerdings GEOMAR daraus den<br />
Schluss zieht, eventuellen künftigen Bergbau-<br />
Unternehmungen „genau auf die Finger schauen“<br />
zu wollen, neige ich eher zu der Haltung, die im<br />
Mai 2014 in Bremen von der Verbändekonferenz<br />
„Ein anderes Meer ist möglich“ kurz und knapp<br />
so formuliert wurde: „Stop sea bed mining“.<br />
Es ließen sich problemlos weitere Beispiele für<br />
das Unverhältnis zwischen Schutz und Nutzung<br />
auflisten, an dieser Stelle ist dafür kein Platz;<br />
vermutlich fallen jeder und jedem von Euch<br />
genügend von selbst ein. Es ist jetzt etwas mehr<br />
als acht Jahre her, dass die Damals-schon-undheute-immer-noch-Kanzlerin<br />
Angela Merkel<br />
eine EU-Meereskonferenz in Bremen eröffnete<br />
mit den Worten, es dürfe nicht nur auf die Nutzung<br />
der Meeresressourcen geschaut werden,<br />
die Erhaltung der Meere sei „auch ein Wert an<br />
sich“. Selbstverständlich war das nur ein verbalradikaler<br />
Ausrutscher, sowohl die betreffende<br />
Konferenz als auch die Meerespolitik der EU und<br />
der Kanzlerin insgesamt zeigen eine elementar<br />
andere Prägung. Aber gerade das belegt den<br />
heuchlerischen Charakter des herrschenden<br />
Verständnisses von Meeresnaturschutz.<br />
Ebenso wie dieses: Laut Ankündigung zur PMCE<br />
in Stralsund hat Bundesumweltministerin<br />
Barbara Hendricks darauf hingewiesen, in den<br />
vergangenen Jahren 27 Projekte im Gesamtvolumen<br />
von mehr als 100 Millionen Euro zum<br />
Schutz und zur nachhaltigen Nutzung von<br />
maritimen Ökosystemen und Küstengewässern<br />
gefördert zu haben, weitere acht Projekte mit<br />
einem Volumen von 30 Millionen Euro seien<br />
aktuell im Bewilligungsprozess. Mal abgesehen<br />
davon, dass diese Förderbeträge sich durch die<br />
Beschreibung „nachhaltige Nutzung“ von selbst<br />
relativieren – es sind Kinkerlitzchen, wenn man<br />
sie vergleicht mit den Fördersummen, die Hendricks'<br />
Amtskollege Sigmar Gabriel als Chef des<br />
BMWi gerade im NMK-Bericht für die maritime<br />
Wirtschaft auflistet. Warum also rühmt sich<br />
die Ministerin statt öffentlich zu bereuen?<br />
Nochmals: Insgesamt hat es den Anschein, als<br />
hätte der Meeresnaturschutz es bereits aufgegeben,<br />
sich den ausufernden Nutzungsansprüchen<br />
unüberhörbar entgegenzustellen. Wieso<br />
eigentlich?<br />
Burkhard Ilschner
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un dat vunne Waterkant… düt un dat vunne Waterkant… düt un dat vunne Waterkant… düt un dat vunne Waterkant…<br />
Hafenarbeiter festigen Zusammenhalt<br />
In Rotterdam haben Vertreter der Hafengewerkschaften Belgiens,<br />
Frankreichs, Deutsch-lands, der Niederlande und Großbritanniens<br />
Ende August eine noch engere Zusammenarbeit beschlossen.<br />
Nach einer Pressemitteilung der Gewerkschaft ver.di sehen die<br />
Beschäftigten der verschiedenen Standorte sich mit „sehr ähnlichen<br />
Herausforderungen“ konfrontiert, die Kooperation soll beitragen,<br />
sich gemeinsam stärker gegen Folgen der aktuell massiven<br />
Kapazitätserweiterungen vor allem im Containersegment stemmen<br />
zu können. ver.di-Bundesfachgruppenleiter Torben Seebold<br />
verwies auf die „lange Tradition der Solidarität“ beispielsweise<br />
während der gemeinsamen Kämpfe gegen die „port packages“ der<br />
Europäischen Kommission. In Rotterdam etwa befürchtet die<br />
Gewerkschaft FNV, dass die aktuellen Erweiterungen auf die<br />
„Maasvlakte 2“ einen schleichenden Arbeitsplatzabbau auf älteren<br />
Bestands-Terminals auslösen könne. Es hat in diesem Zusammenhang<br />
bereits erste Arbeitsniederlegungen gegeben.<br />
Neue AKW für Nordseeküste<br />
Quelle: ver.di-Pressemitteilung vom 28. August 2015<br />
Großbritannien plant nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“<br />
eine Energiewende der besonderen Art: Während die Subventionen<br />
für Erneuerbare Energien, insbesondere für Photovoltaik-<br />
und Windkraftanlagen, drastisch weiter gekürzt werden, sollen<br />
nun chinesische Investoren und Konzerne am AKW-Standort<br />
Bradwell-on-Sea (Essex) nordöstlich von London einen neuen<br />
Reaktor errichten. Beim Besuch des chinesischen Präsidenten<br />
Xi Jinping im Oktober soll der Vertrag über diesen ersten chinesischen<br />
Reaktor in einem westlichen Land unterzeichnet werden.<br />
Es wäre allerdings nicht die erste Beteiligung chinesischer Konzerne<br />
an Atomgeschäften in Europa: Auch bei der Anlage „Hinkley<br />
Point C“ südwestlich von Bristol sind neben dem französischen<br />
Energiekonzern EDF als Bauherrn mit den beiden Staatsbetrieben<br />
China General Nuclear Power Corporation und China National<br />
Nuclear Corporation ebenfalls zwei chinesische Partner beteiligt.<br />
Generalprobe für den Meeresschutz<br />
Quelle: „Süddeutsche Zeitung vom 7. September 2015<br />
Die Öffentlichkeitsbeteiligung zum Entwurf der Maßnahmenprogramme<br />
im Rahmen der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie<br />
(MSRL) ist Ende September abgeschlossen worden. Trotz<br />
dürftiger Umweltmaßnahmen und nur weniger Einschränkungen<br />
für die Meeresnutzung (siehe Bericht in unserer Juni-Ausgabe)<br />
haben sich in den vergangenen Monaten vermehrt Nutzerverbände<br />
zur MSRL positioniert. Schon vor Veröffentlichung der<br />
Maßnahmenprogramme hatten die Fischereiverbände erreicht,<br />
dass Fischereimaßnahmen komplett aus der vorläufigen Liste<br />
gestrichen wurden. Nun lärmt die Hafenwirtschaft plötzlich<br />
wegen „massiver Einschränkungen“ durch die MSRL und hat eine<br />
große Kampagne ausgelöst, um schifffahrtsbezogene Maßnahmen<br />
möglichst zu blockieren. Laut Wilhelmshavener Hafenwirt-<br />
schafts-Vereinigung (WHV) wird die MSRL bisher viel zu „ambitiös“<br />
umgesetzt und nehme „wie bei der Umsetzung der WRRL“<br />
wenig ökonomische Rücksicht. Und das angesichts der massiven<br />
Umsetzungsdefizite bei allen Umweltschutz-Richtlinien in<br />
Deutschland und in Europa... – Aus Umweltschutzsicht ist das<br />
Maßnahmenprogramm bei Weitem nicht geeignet, bis 2020 den<br />
guten Umweltzustand der Meeresgewässer herbeizuführen. In<br />
den kommenden sechs Monaten muss sich nun herausstellen, ob<br />
Bund und Küstenländer ein Zeichen für Meeresumweltschutz setzen<br />
und wenigstens an diesem Maßnahmenprogramm festhalten<br />
oder ob sie sich von Wirtschaftsinteressen überrollen lassen und<br />
das Programm weiter kürzen.<br />
Beeindruckende Meeresbilder<br />
Mehr Infos unter www.bund.net/msrl<br />
Der Bremer Palazzi-Verlag, spezialisiert auf großformatige Fotokalender<br />
– WATERKANT hat sie bereits wiederholt ausführlicher<br />
vorgestellt – hat auch für das kommende Jahr wieder mehrere<br />
Sammlungen beeindruckender Meeresbilder zusammengestellt.<br />
Die Redaktion bedankt sich auf diesem Wege zunächst für den<br />
Kalender „Das Meer – Planet Ocean“ als netten Wandschmuck für<br />
die Büroräume: Die zwölf Fotos mit Impressionen tosender, lebendiger,<br />
farbenprächtiger Meeresszenen werden in 2016 die Motivation<br />
fürs engagierte WATERKANT-Machen vorantreiben. Wen‘s<br />
interessiert, der findet auf der Webseite des Verlages palazzi.de<br />
aber auch weitere maritime Kalender mit packenden Motiven wie<br />
„Nordisches Licht – Nord- und Ostsee“ oder „Hafenlicht Hamburg“,<br />
letzterer mit Schifffahrts- und Hafenmotiven, die, wenn man es<br />
denn möchte, in zeitlos schönen Bildern die Containerriesen- und<br />
Billigflaggen-Realität auch mal ausblenden helfen.<br />
Das musste ja so kommen!<br />
In der vorigen Ausgabe hat sich WATERKANT unter anderem kritisch<br />
mit der WWF-Studie „Reviving the Ocean Economy: the Case
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un dat vunne Waterkant… düt un dat vunne Waterkant… düt un dat vunne Waterkant… düt un dat vunne Waterkant…<br />
for Action“ auseinandergesetzt und dabei auch bemängelt, mit der<br />
Bemessung eines monetären Werts der Ozeane würden deren<br />
Ressourcen und Schätze institutionell zum Spekulationsobjekt<br />
erklärt. Aktuell hat nun das EU-Kommissariat für Maritime Angelegenheiten<br />
und Fischerei zu einer „öffentlichen Konsultation“<br />
aufgerufen über die Frage, „wie die EU im Sinne des nachhaltigen<br />
blauen Wachstums zu einer besseren Governance ihrer Ozeane<br />
und Meere beitragen kann“. Die Ergebnisse sollen dann einfließen<br />
in Überlegungen, „wie eine kohärente, effiziente und wirksame<br />
EU-Strategie zur Verbesserung des internationalen Rahmens für<br />
die meerespolitische Governance zu gestalten ist“. Wer aus dieser<br />
Sprachregelung einen erneuten Versuch ableitet, seitens der<br />
EU-Kommission die Meeresausbeutung unter dem verkleisternden<br />
Nachhaltigkeits-Etikett massiv voranzutreiben, liegt sicher nicht<br />
falsch. Es ist allerdings beeindruckend – und erschreckend –, dass<br />
die Brüsseler Kommission sich zur Rechtfertigung ihres Vorhabens<br />
gleich im ersten Absatz des Aufrufs auf die WWF-Studie stützt und<br />
beruft: „Obwohl die Meere schon heute ein Motor der Weltwirtschaft<br />
sind, bieten sie noch weitere bedeutende Chancen für<br />
Unternehmen. Das Potenzial für ‚blaues Wachstum‘ ist gewaltig.<br />
Der WWF schätzt den Gesamtwert des ‚Bruttomeeresprodukts‘ auf<br />
24 Billionen US-Dollar.“ – Die Konsultation läuft noch bis zum<br />
15. Oktober dieses Jahres, bis zu diesem Datum können Kommentare<br />
und Einwendungen online eingereicht werden.<br />
Quelle: EU-Kommission; Internationale meerespolitische Governance;<br />
http://kurzlink.de/eu-mar-kon-2015<br />
Tarifvertrag mit Geheimhaltung<br />
Die Tarifparteien der Schifffahrt haben sich Ende August auf einen<br />
neuen Tarifvertrag geeinigt, der laut Vereinbarung skurrilerweise<br />
erst im Oktober – nach der Nationalen Maritimen Konferenz (NMK)<br />
– publiziert werden soll. Wie WATERKANT erfuhr, sollen die<br />
Gewerkschafter bei ver.di entsprechend „geimpft“ worden sein.<br />
Aber wie das so ist, finden irgendwelche Informationen immer den<br />
Weg in irgendeine Öffentlichkeit – so auch in diesem Fall: Der neue<br />
Heuer-Tarifvertrag (HTV) sieht eine Erhöhung um 2,4 Prozent ab<br />
Dezember dieses Jahres vor und zwar mit einer Laufzeit von<br />
13 Monaten, anschließend soll es in 2017 weitere 2,1 Prozent mit<br />
zwölf Monaten Laufzeit geben. Vor Ende 2017 kann der HTV nicht<br />
gekündigt werden. Der vorherige HTV lief bis September 2014,<br />
somit bedeutet die aktuelle Einigung eine Nullrunde von 15 Monaten.<br />
Selbst wenn man den niedrigen Abschluss jetzt vor dem Hintergrund<br />
der niedrigen Inflation als faktische Heuererhöhung wertet<br />
– er entspricht definitiv nicht der wirtschaftlichen Lage und dem<br />
Wachstum der Branche. Und: Nach wie vor bietet der HTV für die<br />
Überstundenpauschale nicht einmal annähernd den Mindestlohn-<br />
Satz. Dem Abschluss vorausgegangen waren aggressive Provokationen<br />
der Arbeitgeberseite, so haben etwa Vertreter des Verbands<br />
Deutscher Reeder (VDR) mehrfach Verhandlungstermine platzen<br />
lassen und zwischenzeitlich auch direkt eine Minus-Runde – ein<br />
Prozent weniger für Nautische und Technische Offiziersassistenten<br />
sowie Schiffsmechaniker-Azubis – gefordert; das immerhin<br />
konnte abgewehrt werden. Warum ver.di sich auf die Geheimklausel<br />
eingelassen hat, war nicht in Erfahrung zu bringen...<br />
Bernd Moritz 7. August 1962 – 30. Juli 2015<br />
Ein Nachruf<br />
von Herbert Nix für den Förderkreis Rettet die Elbe e. V.<br />
Wir sind sehr traurig und können es noch gar nicht fassen: Unser lieber<br />
Mitstreiter für eine bessere Elbe und Umwelt ist seit dem 30. Juli nicht<br />
mehr unter uns. Während des Urlaubs auf Kreta mit seiner Familie ist er<br />
im Mittelmeer ertrunken.<br />
Bernd war seit 1994 aktiv im Förderkreis „Rettet die Elbe“ e. V. (RdE), er<br />
war ein engagierter, freundlicher, manchmal etwas verschmitzter und<br />
zielstrebiger Mitkämpfer für eine bessere Elbe. Er beteiligte sich an unseren<br />
Hafenrundfahrten, arbeitete auf dem Floßcafé, an Planverfahren und<br />
trieb die Aktionsform „Kritischer Aktionär“ voran. Mit seinem schier<br />
unendlichen Wissen hat er uns stets verblüfft und auch geholfen, in<br />
unsere Arbeit neue Aspekte einzubringen.<br />
Zielstrebig war er Anfang der 1990er aus der Nähe von Frankfurt zu uns<br />
gekommen. Er hatte sich schon vorher intensiv mit der Elbe von der<br />
Quelle bis zur Mündung und deren Problemen sowie mit „Rettet die Elbe“<br />
beschäftigt und brachte sein Wissen<br />
sofort in unsere Arbeit ein.<br />
„Rettet die Elbe“ hat sich immer dafür<br />
eingesetzt, nicht nur politisch zu arbeiten,<br />
sondern auch Kultur mit einzubeziehen<br />
und Feste zu feiern. Anlässe gab es viele<br />
und so entstanden zwischen den Mitgliedern<br />
und auch mit Bernd sehr freundschaftliche<br />
Beziehungen. Bernd war ein<br />
gerader und unkonventioneller Mensch.<br />
Ich erinnere mich gut an eine Begebenheit<br />
in der Altenwerder Kirche – als Altenwerder<br />
schon längst der Hafenerweiterung<br />
hatte weichen müssen:<br />
Die Kirchengemeinde Altenwerder wollte,<br />
obwohl einige Tage vorher sämtliche<br />
Kirschbäume gefällt worden waren, trotzdem<br />
wie üblich ihr Kirschblütenkonzert<br />
durchführen. Bernd trat – ungewohnt im<br />
dunklem Anzug und Krawatte – mutig vor<br />
den Altar der Kirche und fing an, darüber<br />
zu sprechen, was uns so empörte. Weit kam er nicht, wir wurden mit<br />
Schimpf und Schande aus der Kirche gejagt. Aber trotzdem – wir konnten<br />
unsere Position deutlich machen – dank Bernd.<br />
Auf unserem legendären Floßcafé hat sich Bernd nicht nur mit politischen<br />
Vorträgen ausgezeichnet, sondern hat auch mit Küchendienst und Nachtwache<br />
viel zum guten Gelingen beigetragen. Das Floßcafé war nicht nur<br />
Treffpunkt für Menschen, die eine bessere Elbe wollten, sondern auch<br />
der Treffpunkt zwischen Bernd und seiner späteren Frau.<br />
Wir haben gemeinsam in Gorleben gegen Atom und in Rostock gegen<br />
Nazis demonstriert. Die Platzverweise, die uns erteilt wurden, haben wir<br />
ignoriert und sind an anderer Stelle wieder aufgetaucht. Uns hat das dafür<br />
mehr zusammengebracht. Auch die „Alternative Hafenrundfahrt“ hat<br />
Bernd lange Zeit mit durchgeführt, bis es ihn nicht mehr herausforderte.<br />
Konsequent, wie er war, hat er damit aufgehört und sich anderer Themen<br />
bei RdE angenommen.<br />
Auf seiner letzten Barkassenfahrt auf der Elbe haben wir traurig Abschied<br />
von Bernd genommen. Er wird uns fehlen.
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un dat vunne Waterkant… düt un dat vunne Waterkant… düt un dat vunne Waterkant… düt un dat vunne Waterkant…<br />
WATERKANT fürs Bücherregal<br />
Das bereits seit einigen Jahren publizierte Angebot, eine komplette Sammlung aller<br />
WATERKANT-Ausgaben in gebundener Form zu beziehen, ist jetzt aktuell erweitert worden:<br />
Zu den bislang fünf Bänden für die Jahrgänge 1986 bis 2008 gesellt sich nun ein<br />
sechster Band (2009-2012). Weil von einzelnen Heften nur noch eine spärliche Anzahl<br />
übrig ist, bleibt dieses Angebot limitiert – es sind derzeit noch genau sieben vollständige<br />
Sammlungen zu haben. Die Bände enthalten alle 108 bis Ende 2012 erschienenen Hefte<br />
– in Klebebindung, mit festen Deckeln und selbstverständlich ordentlich beschnitten; sie<br />
haben jeweils eine Rückenprägung mit dem Namen „Waterkant“ sowie jeweils zwei Jahreszahlen<br />
(von – bis). Kurzfristig können zwei Sammlungen erworben werden, die fertig<br />
vorliegen – eine in rotem Einband mit goldfarbener Rückenprägung, die andere in einem<br />
dunklen Blau mit weißer Prägung. Die anderen fünf verfügbaren Sammlungen werden<br />
erst nach Auftragserteilung sukzessive zur Buchbinderin gegeben. Wer sich für den Erwerb<br />
einer solchen Sammlung interessiert, wende sich bitte bezüglich exakter Konditionen und<br />
Termine umgehend an die Redaktion (siehe Impressum).<br />
„Leidbranche“ Logistik<br />
Die süd-nord-politische Zeitschrift „iz3w“ des Freiburger<br />
„informationszentrums 3. welt“ hat sich in<br />
ihrer Sommerausgabe die Logistik als „Leidbranche<br />
der Globalisierung“ zum Schwerpunktthema<br />
gewählt. In sieben Beiträgen konzentriert sich die<br />
Zeitschrift dabei vor allem auf die soziale Frage, die<br />
mit dem technisch-ökonomischen Netzwerk der<br />
Logistik verbunden ist und weltweit auch dessen<br />
Schattenseiten ausmacht. Der Transport von Gütern,<br />
Rohstoffen oder Fertigwaren in ungeheuren Mengen<br />
auf zum Teil irrsinnig-unsinnigen Wegen kreuz<br />
und quer und hin und her rund um den Globus<br />
macht die Logistikbranche nicht nur zu einem der<br />
größten Wirtschaftssektoren, sondern kann überhaupt<br />
nur funktionieren mittels massiver Ausbeutung.<br />
Als fester Bestandteil des Versuchslabors<br />
„Arbeitswelt von morgen“ stützt sich die Logistik in<br />
vielen Bereichen auf einen boomenden Markt prekär Beschäftigter und forciert eine<br />
Arbeitswelt fernab jeder Fairness.<br />
Helgoland muss warten<br />
Quelle: https://www.iz3w.org<br />
Die in der vorigen Ausgabe der WATERKANT für den Monat Juli angekündigte Inbetriebnahme<br />
der neuen Helgolandfähre der Reederei Cassen Eils ist seitens Reederei und Bauwerft<br />
Fassmer (Berne / Wesermarsch) auf die zweite Oktoberhälfte verschoben worden.<br />
Laut einer Pressemitteilung der beiden Unternehmen hat die Verzögerung „unterschiedliche<br />
Gründe, die im Wesentlichen mit der innovativen und komplexen LNG-Technik in<br />
Zusammenhang stehen“. Sowohl die Helgoländer als auch etliche ihrer Besucher und<br />
Gäste vom Festland dürften allerdings die sehr spärliche und sehr späte Informationspolitik<br />
von Cassen Eils und Fassmer bedauert haben – um es höflich zu formulieren: Monatelang<br />
hatten beide auf vielen Medien-Kanälen die bevorstehende Inbetriebnahme der<br />
neuen, modernen, leisen, komfortablen (etc.) Fähre belobhudeln lassen, die ab Juli Cuxhaven<br />
mit dem roten Felsen in der Nordsee verbinden sollte – einerseits ohne röhrende<br />
Hochgeschwindigkeit wie beim „Halunder Jet“, andererseits aber auch ohne die unbe-<br />
queme Umsteigerei in beziehungsweise<br />
aus Börte-Booten. Ab Mitte Juli indes gab<br />
es zunächst nicht einmal Hinweise auf die<br />
Verzögerung – und eine fundierte Information<br />
über die oben zitierten Floskeln<br />
hinaus fehlt bis heute. „Wir sind uns ...<br />
bewusst, dass wir es mit einem Pilotprojekt<br />
zu tun haben“, verkündet Cassen-<br />
Eils-Geschäftsführer Bernhard Brons:<br />
„Unterstützung der EU für die LNG-Technik<br />
haben wir nicht ohne Grund erhalten.“<br />
Gut, dass die EU keine Förderung für Servicequalität<br />
zahlt...<br />
Foto: Folke Mehrtens /AWI<br />
Quelle: Pressemitteilung vom 28. August 2015<br />
Korallen aus der Retorte?<br />
Das Bremer Leibnitz-Zentrum für Marine<br />
Tropenökologie (ZMT) hat laut einer Pressemitteilung<br />
„gemeinsam mit Partnern aus<br />
der Wirtschaft“ ein Projekt eingeworben,<br />
das dem Bundeswirtschaftsministerium<br />
eine Fördersumme in Höhe von<br />
900.000 Euro wert ist – und das einmal<br />
mehr die Idee vom Meeresumweltschutz<br />
auf den Kopf stellt, ja, pervertiert: „Meerwasseraquaristik“,<br />
heißt es da, sei „in vielen<br />
Industrienationen ein bedeutender<br />
Wirtschaftsfaktor“, denn derartige Aquarien<br />
fänden sich ja nicht nur in privaten<br />
Haushalten, sondern zierten unter anderem<br />
auch öffentliche Einrichtungen als<br />
Exponat oder „Statussymbol“. Und weil<br />
der so entstehende „hohe Bedarf an tropischen<br />
Korallen … hauptsächlich durch Entnahmen<br />
aus der Natur gedeckt“ und „den<br />
Riffen dadurch erheblicher Schaden zugefügt“<br />
werde, kommen die ZMT-Forscher<br />
nun auf die Idee, „die Nachzucht von<br />
Korallen zu optimieren“. Denn um „die<br />
steigende Nachfrage der Aquarianer zu<br />
decken, wird vor allem in Tropenländern<br />
versucht, Korallenzuchten aufzubauen“,<br />
allerdings meist mit „geringerer genetischer<br />
Vielfalt“. Das ZMT will nun nach<br />
optimalen Aufzuchtbedingungen suchen,<br />
betont aber ganz im Sinne moderne Nachhaltigkeit:<br />
„Unsere Erkenntnisse werden<br />
nicht nur für den Aquaristikhandel wichtig<br />
sein, sondern vor allem auch für die Restauration<br />
von Riffen.“ – Und irgendwann<br />
basteln wir uns unseren musealen Ozean,<br />
um den natürlichen effektiver nutzen zu<br />
können, oder?<br />
Quelle: https://idw-online.de/de/news591060<br />
Redaktionelle Bearbeitung: (-bi-)
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9 Nationale Maritime Konferenz (NMK) in Bremerhaven steht bevor<br />
Wettlauf um Fördergeld und Subventionen<br />
Von Burkhard Ilschner<br />
Es ist mal wieder so weit: Die Bundesregierung<br />
ruft zur Nationalen Maritimen Konferenz<br />
(NMK) Reeder und Schifffahrtsexperten,<br />
Hafenmanager und Logistiker, Schiffbauer<br />
und Meerestechniker, die Offshore-Windkraftbranche<br />
sowie Marine- und Sicherheitskräfte<br />
treffen sich, dieses Mal in Bremerhaven, zum<br />
erneuten Wettlauf um öffentliche Gelder Es ist<br />
die neunte NMK seit ihrer Gründung im Jahr<br />
2000 – und Kanzlerin Angela Merkels fünfte<br />
Unsere Titelseite vom Juni 2011 zeigte diese<br />
Karikatur der Kanzlerin anlässlich der 7. NMK in<br />
Wilhelmshaven: Manche Bilder haben leider eine<br />
langwährende Aktualität...<br />
Karikatur: Caspar / www.gruppo635.com<br />
„Zwei Tage lang werden Expertinnen und<br />
Experten aus Unternehmen, Verbänden, Wissenschaft<br />
und Politik über Zukunftsstrategien<br />
für die maritime Wirtschaft diskutieren“,<br />
behaupten das veranstaltende Bundesministerium<br />
für Wirtschaft und Energie (BMWi) und<br />
dessen Staatssekretär Uwe Beckmeyer in seiner<br />
Funktion als „Maritimer Koordinator der<br />
Bundesregierung“. Das ist, höflich formuliert,<br />
Blödsinn; später mehr dazu. Die Branche trifft<br />
sich zu optimistischem Getute über „Zukunftsstrategien“<br />
und „Perspektiven“ im „harten<br />
internationalen Wettbewerb“; und natürlich,<br />
um die Politik einmal mehr zu nötigen, die<br />
„Innovationskraft“ zu stärken und der Branche<br />
„Rückenwind für die anstehenden Herausforderungen“<br />
zu geben: Gemeint sind Fördergelder,<br />
Subventionen und Steuererleichterungen<br />
in wechselnder Verteilung und Verknüpfung.<br />
Ach, ja: Die NMK-Kosten von rund einer halben<br />
Million Euro tragen der Bund und Bremen je<br />
zur Hälfte, Bremen legt nochmal 146.000 Euro<br />
drauf für den Abendempfang – gerade eben<br />
wurde im Haushaltsnotlageland eine Etatsperre<br />
verhängt...<br />
Wie üblich, hat die Bundesregierung vor der<br />
NMK einen Bericht „über die Entwicklung und<br />
die Zukunftsperspektiven der maritimen<br />
Wirtschaft in Deutschland“ vorgelegt:<br />
Auf 59 Seiten finden sich insgesamt<br />
86-mal Begriffe wie „Förderung“,<br />
„Förderinstrument“, „förderfähig“<br />
oder „Fördersumme“, aber<br />
nur siebenmal Ausdrücke wie<br />
„Pflicht“ oder „verpflichtend“<br />
– allerdings kein einziges Mal im<br />
Zusammenhang mit irgendeiner<br />
seitens der Branchen einzulösenden<br />
Verantwortung. Die maritime<br />
Wirtschaft bleibt sich treu als ein<br />
Sektor, dem das Nehmen weitaus<br />
wichtiger ist als das<br />
Geben. Und alle Bundesregierungen<br />
haben dies<br />
immer konsequent mit<br />
getragen – und gefördert.<br />
Die verschiedenen<br />
Steuergeschenke an die<br />
Reeder etwa sind hier<br />
schon wiederholt thematisiert<br />
worden (siehe<br />
auch Seite 13 ff.). Wenn<br />
der aktuelle Regierungsbericht<br />
allerdings – zum Beispiel<br />
bei der so genannten<br />
Tonnagesteuer – betont, an dieser<br />
massiven Subvention werde festgehalten „vor<br />
dem Hintergrund der positiven volkswirtschaftlichen<br />
Wirkung“, dann liegt eine Frage nahe:<br />
Was hat denn die gesellschaftliche Gesamtheit,<br />
die damit gemeint ist, davon, wenn eine<br />
Milliardenbranche kaum Steuern zahlt, aber<br />
ständig Ausbau und Unterhalt öffentlich finanzierter<br />
Infrastruktur als Voraussetzung für ihre<br />
Geschäfte einfordert?<br />
Die Tatsache, dass die Bundesregierung der<br />
Branche zur NMK nicht nur die Fortsetzung<br />
weiterer Steuergeschenke garantiert, sondern<br />
diese sogar noch ausbaut, ist bezeichnend.<br />
Zwei Beispiele: Eben wurde den so genannten<br />
Schiffserlöspools eine dauerhafte Befreiung<br />
von der Versicherungssteuerpflicht versprochen.<br />
Zwecks besserer Auslastung ihrer Schiffe<br />
bringen Reeder die Frachtkapazitäten ihrer<br />
Flotten in solche Pools ein, die Einnahmen werden<br />
dann proportional aufgeteilt – nun soll<br />
„dauerhaft Rechtssicherheit geschaffen werden“<br />
über die bislang strittige Versicherungssteuerfreiheit<br />
für diese Erlöse. Außerdem soll<br />
zur „spürbaren Entlastung bei den Personalkosten<br />
an Bord“ das bislang geltende Recht des<br />
Arbeitgebers, 40 Prozent der den Beschäf-<br />
tigten abgezogenen Lohnsteuer einzubehalten,<br />
auf 100 Prozent<br />
angehoben werden.<br />
Selbstverständlich<br />
würdigt der<br />
Regierungsbericht<br />
ausführlich das<br />
„Maritime Bündnis<br />
für Ausbildung<br />
und Beschäftigung“.<br />
Das wurde seinerzeit<br />
bekanntlich<br />
gepriesen als<br />
ein Abkommen auf<br />
Gegenseitigkeit – die<br />
Reeder erhalten Hilfen<br />
nicht nur, aber insbesondere<br />
für Schaffung<br />
und Erhalt von<br />
Schifffahrts-Jobs<br />
und holen dafür<br />
festgelegte Anteile<br />
ihrer ausgeflaggten<br />
Flotte zurück unter<br />
Nationalfarben. Dieser<br />
Verpflichtung sind die<br />
Reeder nie nachgekommen,<br />
die Förderung<br />
kassieren sie
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dennoch und ausgebaut wird sie (siehe oben)<br />
auch. Welche Folgen diese einseitige Politik für<br />
die Seeleute hat, ist ab Seite 13 nachzulesen.<br />
Zwar hat Beckmeyer noch im Frühsommer dieses<br />
Verhalten der Reeder als „sehr egoistische<br />
Sichtweise“ gebrandmarkt, das hindert ihn aber<br />
nicht, als Maritimer Koordinator für die Fortsetzung<br />
des Bündnisses zu werben. Was schert ihn<br />
schon sein Geschwätz von gestern?<br />
Ralf Nagel, Geschäftsführer des Verbands<br />
Deutscher Reeder (VDR), begrüßte schon mal,<br />
dass der Regierungsbericht in seiner Analyse<br />
der Lage der maritimen Wirtschaft „im Wesentlichen<br />
mit dem VDR übereinstimme“, verlangte<br />
aber sogleich weitere Unterstützung. So sollten<br />
etwa Schiffbauer und Reeder Fördermittel<br />
erhalten, um mehr Schiffe mit Flüssigerdgas-Antrieb<br />
(LNG) in Fahrt zu bringen – die<br />
„Mehrkosten für den Markteintritt“ müssten<br />
aufgefangen werden. Der Bericht sieht hierzu<br />
nämlich bislang nur öffentliche Gelder für Forschung<br />
sowie für Versorgungs- und Transport-<br />
Infrastruktur vor.<br />
Selbstverständlich verspricht die Regierung<br />
der Branche zur NMK auch die Weiterentwicklung<br />
des Nationalen Hafenkonzepts aus dem<br />
Jahre 2009. Damit ist nicht die seit Jahren vorgetragene<br />
Idee der Umweltverbände gemeint,<br />
zur Vermeidung von Überkapazitäten, unnötigem<br />
Landschafts- und Flussverbau etc. eine<br />
Zusammenarbeit der bislang konkurrierenden<br />
Häfen politisch anzuordnen. Sondern es geht<br />
um (öffentlich finanzierten oder massiv geförderten)<br />
betonharten Ausbau der Infrastruktur,<br />
oft nach dem Motto „das meiste ist gerade gut<br />
genug“. Nun gibt es gegen manche Elemente<br />
zivilgesellschaftlichen, gegen andere haushälterischen<br />
Widerstand – verzögernd wirken beide.<br />
Was also 2009 mit einer Laufzeit von zehn Jahren<br />
strategisch konzipiert wurde, ist trotz des<br />
damaligen Appells, „alle Beteiligten … (sollten)<br />
… verbindliche Absprachen über die Umsetzung<br />
der Maßnahmen“ treffen, bis heute nicht annähernd<br />
umgesetzt.<br />
Nur einige „Kleinigkeiten“ sind unter den<br />
Tisch gefallen – so etwa das ausdrückliche politische<br />
Ziel, mit dem Hafenkonzept auch Ausbildung<br />
und Beschäftigung zu sichern und zu<br />
stärken. Im aktuellen Regierungsbericht zur<br />
9. NMK fehlt diese Verknüpfung und es heißt<br />
nur floskelhaft: „Häfen sind Hightech-Standorte<br />
mit attraktiven Arbeitsplätzen und sie benötigen<br />
hochqualifizierte Arbeitskräfte.“ Mumpitz!<br />
Gerade eben wurde bekannt, dass das Hafenunternehmen<br />
Eurogate – bekanntlich ein teilstaatlicher<br />
Konzern und aktiv unter anderem<br />
in Beckmeyers Heimat Bremerhaven – darüber<br />
nachdenkt, auf seinen Terminals automatisierte<br />
Van Carrier zu erproben und sich so einiger<br />
hundert Beschäftigter zu entledigen. Die<br />
Zusage, das Bundesverkehrsministerium werde<br />
„zeitnah“ einen Entwurf für ein neues Konzept<br />
vorlegen, zeigt somit nur, dass „zeitnah“ ein<br />
sprachlich völlig substanzloser Begriff ist.<br />
Es überrascht nicht wirklich, dass elf der<br />
59 Seiten des Regierungsberichts den verschiedenen<br />
Formen öffentlicher Förderung<br />
gewidmet sind. Allerdings in derart prosaischvernebelndem<br />
Stil, dass der ernsthafte Versuch<br />
des Autors, eine Gesamtsumme aller<br />
öffentlichen Subventionen und Fördermaßnahmen<br />
zugunsten der maritimen Wirtschaft<br />
zu errechnen, kläglich gescheitert ist: Sorry.<br />
Interessant ist aber ein (nur allgemeiner) Blick<br />
auf die politischen Mechanismen. Da heißt es,<br />
bestimmte Förderinstrumente wie etwa Schiffbau-Beihilfen<br />
seien EU‐rechtlich „ausgelaufen“<br />
– nur um im nächsten Absatz zu erläutern,<br />
welche neuen „Förderarchitekturen“ stattdessen<br />
gerade geschaffen worden sind; selbstverständlich<br />
oft einhergehend mit „Verlängerung“<br />
des Förderzeitraums, „Ausweitung des Anwendungsbereichs“<br />
oder des Kreises der Berechtigten<br />
und / oder Erhöhung der Förderquoten.<br />
Man kann es drehen und wenden, wie man will:<br />
Der maritimen Wirtschaft, die sich bekanntlich<br />
gerne als öffentlicher Wohltäter geriert (siehe<br />
auch Bericht Seite 21 ff.), gelingt es jedes Jahr,<br />
jede NMK aufs Neue, sich den Zugriff auf hunderte<br />
Millionen Euro zu sichern.<br />
Um nicht missverstanden zu werden: Auch in<br />
anderen Staaten – nah wie fern – werden Reeder,<br />
Schiffbauer oder Meerestechnik-Zulieferer<br />
unter schillerndsten Etiketten subventioniert.<br />
Insofern ist auf den ersten Blick jeder Ruf der<br />
hiesigen maritimen Branche nach Zuschüssen<br />
nichts weiter als Ausdruck des Wunsches, im<br />
globalen Wettbewerb so etwas wie Chancengleichheit<br />
zu erlangen. Aber das gilt eben nur<br />
auf den ersten Blick: Der zweite hat unbedingt<br />
zu berücksichtigen, dass die deutsche maritime<br />
Wirtschaft im Weltmaßstab eine führende Rolle<br />
spielt und trotz allen Gejammers gute Geschäfte<br />
macht. Und daraus muss folgen, dass sie endlich<br />
auch Verantwortung übernimmt – soziale<br />
wie ökologische –, statt jede Tarifforderung<br />
oder jede Umweltvorschrift zum vernichtenden<br />
Angriff auf sich hochzustilisieren und mit Standort-Flucht,<br />
Ausflaggung und ähnlichen Ausweichmustern<br />
zu reagieren. Geschieht das nicht<br />
freiwillig, muss die Konsequenz her, dass die<br />
Politik jede Förderung für die maritime Branche<br />
unmissverständlich an Bedingungen knüpft<br />
– keinen Cent und keinen Euro ohne Gegenleistung<br />
– und deren Erfüllung buchstabengetreu<br />
überwacht statt ständig aufs Neue vor der Branche<br />
einzuknicken.<br />
Dazu gehört auch öffentliche Kontrolle.<br />
Oben war die Rede vom Anspruch der NMK,<br />
ein Diskussionsforum zu sein. Ja, aber kein<br />
öffentliches: Unter dem Vorwand einer<br />
„Modernisierung“ hat das BMWi die Struktur<br />
der NMK geändert. Statt bislang üblicher Themen-Workshops,<br />
in denen während der Konferenzen<br />
offen debattiert und oft auch heftig<br />
gestritten wurde und deren Resultate dann<br />
ins Plenum einflossen, ist nun die NMK quasi<br />
gesplittet worden. Debattiert wurde im Frühjahr<br />
in mehreren Branchenforen überwiegend in<br />
Berlin, in Bremerhaven werden nur noch deren<br />
Ergebnisse vorgestellt. Für Verbandsfunktionäre,<br />
Lobbyisten und Experten mag diese Struktur<br />
effektiver sein – sie macht die NMK aber zu<br />
einem Instrument, dessen Detailarbeit vor der<br />
Öffentlichkeit teilweise abgeschirmt wird.<br />
Denn auf früheren NMK konnten Medienvertreter<br />
ebenso wie NGO-Repräsentanten freizügig<br />
zwischen parallelen Workshops wechseln<br />
und sich so über Diskussionsverläufe abwechslungsreich<br />
informieren. Schon bei der 8. NMK<br />
im Jahr 2013 in Kiel war das vorbei – Workshops<br />
erforderten separate Anmeldungen mit umfassenden<br />
Einlasskontrollen; für Medienvertreter<br />
waren sie komplett gesperrt. Zwar waren 2015<br />
für die Branchenforen auch für NGO Anmeldungen<br />
möglich – Medien wurden in separaten<br />
Pressegesprächen „informiert“ –, aber das setzt<br />
immer voraus, dass der betreffende Verband,<br />
die jeweilige Redaktion über die nötigen finanziellen<br />
und personellen Ressourcen verfügt.<br />
Man darf davon ausgehen, dass diese abschirmende<br />
Wirkung der so genannten „Modernisierung“<br />
gewollt ist: Die Branche bleibt lieber<br />
unter sich. <br />
Bei der 8. NMK in Kiel im April 2013 war<br />
Werftpatriarch Bernard Meyer Sprecher des Workshops<br />
„Schiffbauindustrie“: Ob er damals schon an<br />
Luxemburg dachte?<br />
Foto: Burkhard Ilschner
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Die Flucht der Meyer Werft vor der Mitbestimmung ist kein Einzelfall<br />
Verstaatlichen wäre eine gute Idee<br />
Von Christoph Spehr<br />
Es war ein Paukenschlag für die deutsche Werftenlandschaft:<br />
Im Juni wurde bekannt, dass die<br />
Meyer‐Gruppe als größtes Schiffbauunternehmen<br />
ihren Konzernsitz nach Luxemburg verlegt.<br />
Dabei gehe es gar nicht vorrangig um die Steuern,<br />
so Konzernchef Bernard Meyer. Man wolle<br />
vor allem keinen Aufsichtsrat mit Arbeitnehmer-<br />
Beteiligung. Das wirft ein Schlaglicht auf eine<br />
verbreitete Unternehmensphilosophie, die<br />
volkswirtschaftlich nicht mehr tragbar ist.<br />
Das Gelände der Papenburger Meyer Werft (links),<br />
deren Erweiterungen wiederholt mit EU-Hilfen für<br />
Infrastrukturmaßnahmen subventioniert wurden.<br />
Fotos (2): Thomas Schumacher<br />
Die Krise begann mit einem Gespräch im vertrauten<br />
Kreis. Am 4. Juni 2015 spricht Bernard<br />
Meyer, geschäftsführender Gesellschafter<br />
der Meyer Werft, in Hannover mit dem<br />
niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan<br />
Weil, dessen Wirtschaftsminister Olaf Lies und<br />
der SPD‐Fraktionsvorsitzenden Johanne Modder.<br />
Dabei eröffnet Meyer den Dreien, dass er<br />
den Hauptsitz des Konzerns nach Luxemburg<br />
verlegen werde. Ende Juni erfährt die Öffentlichkeit<br />
von den Plänen. Die Landesregierung<br />
äußert sich „überrascht und verärgert“. Daraufhin<br />
findet ein Krisentreffen zwischen Werft<br />
und Landesregierung am 1. Juli statt, dessen<br />
Ergebnis angeblich ein „Moratorium“ ist: Bis<br />
September sollten keine weiteren Schritte zur<br />
Verlegung unternommen werden, bis dahin<br />
würden Gespräche über eine andere Lösung<br />
geführt. Dieses Moratorium verläuft jedoch<br />
ohne Ergebnis. Das einzige Zugeständnis,<br />
das Meyer macht, ist die Zusicherung, die kriselnden<br />
Nordseewerke in Emden (seit Mai in<br />
Insolvenz) mit Aufträgen der Meyer Werft zu<br />
versorgen. Die öffentliche Vermutung, hier<br />
finde ein Ablasshandel statt, weist die Landesregierung<br />
zurück.<br />
An der Verlegung des Konzernsitzes nach<br />
Luxemburg ändert sich indes nichts. Meyer<br />
erklärt in der Öffentlichkeit, es gehe ihm nicht<br />
um Steuerflucht. Dafür legt er sogar ein Gutachten<br />
vor, aus dem die Presse zitiert, die neue<br />
Konzernstruktur sei „für ein Steuersparmodell<br />
ungeeignet“. Wichtig sei ihm vielmehr,<br />
die Gründung eines Aufsichtsrats zu vermeiden.<br />
Denn nach deutschem Recht ist dies für<br />
Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten<br />
zwingend. Dabei muss die Arbeitnehmerbank<br />
bei 500‐2000 Beschäftigten mit einem Drittel<br />
der Sitze beteiligt werden, bei mehr als<br />
2000 Beschäftigten mit der Hälfte der Sitze,<br />
einschließlich unternehmensunabhängiger Vertreter<br />
der Gewerkschaft. Das schade der Flexibilität,<br />
die im Werftengeschäft unerlässlich sei,<br />
behauptet Meyer. In Luxemburg gibt es derartige<br />
Bestimmungen nicht.<br />
Einige Irritation herrscht darüber, ob und<br />
wann genau denn nun seitens Meyer Fakten<br />
geschaffen worden seien – nach dem Moratorium,<br />
während des Moratoriums oder schon viel<br />
früher? Noch während des Moratoriums winkten<br />
Vertreter der IG Metall ab. Hartmut Geiken,<br />
Chef des IGM‐Bezirks Küste, verlautbarte<br />
im August: „Da ist einfach nichts mehr möglich.<br />
Das Unternehmen sitzt nicht mehr in Deutschland<br />
und damit ist rechtlich für uns nichts mehr<br />
zu machen.“ Thomas Gelder, IGM‐Vorsitzender<br />
im Bezirk Leer‐Papenburg, sagte: „Das Ding in<br />
Luxemburg ist faktisch scharf geschaltet.“<br />
Die Presse mutmaßte, die rechtliche Verlagerung<br />
sei schon längst passiert, möglicherweise<br />
mehr als ein halbes Jahr, bevor die<br />
Pläne bekannt wurden. Denn bereits im Dezember<br />
2014 existierten drei Gesellschaften<br />
Meyers in Luxemburg: Die „Meyer Werft Verwaltungs<br />
GmbH“, die „Neptun Industrie Holding<br />
GmbH“ und die „Meyer Neptun GmbH“<br />
– Letztere bereits ausgestattet mit 360 Millionen<br />
Euro Kapital. Das wäre insofern pikant, als<br />
die Meyer Werft und die niedersächsische Landesregierung,<br />
unter Beteiligung der IGM und<br />
des Betriebsrats, im Januar 2015 den „Standortsicherungsvertrag“<br />
für Papenburg unterzeichnet<br />
hatten und im März 2015 der „Masterplan
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Ems“ beschlossen wurde, an dem die Werft großes<br />
Interesse hat. Der Kreistag Leer, der diesem<br />
Masterplan – wie berichtet – erst nach langem<br />
Hin und Her zustimmte, hätte sich möglicherweise<br />
anders entschieden, wenn die Verlegungspläne<br />
schon öffentlich gewesen wären. In<br />
diese Richtung äußerte sich auch Wirtschaftsminister<br />
Lies nach Ablauf des Moratoriums:<br />
„Von dem längst erfolgten Schritt der Verlegung<br />
haben wir erst mehr als ein halbes Jahr<br />
später über die Medien erfahren, erst nachdem<br />
wichtige Entscheidungen mit weitreichenden<br />
Verpflichtungen des Landes wie dem Standortsicherungsvertrag<br />
und dem Masterplan Ems<br />
schon getroffen waren.“<br />
Vielleicht war man seitens der Politik aber<br />
auch froh über den Befund, dass man sich<br />
nur noch aufregen, aber nichts mehr machen<br />
konnte? Firmenchef Bernard Meyer verstand<br />
die ganze Aufregung ohnehin nicht. Es<br />
ändere sich doch nichts: Die Werften blieben<br />
in Papenburg und in Rostock, mehr als den<br />
zentralen Einkauf wolle man über die Luxemburger<br />
Holding gar nicht machen, und einen<br />
Aufsichtsrat hatte es ja schließlich bisher auch<br />
nicht gegeben. Und damit alles so bleibt, wie<br />
es ist, müsse halt die Holding in Luxemburg<br />
sitzen. Insbesondere jetzt, da man die finnische<br />
Turku‐Werft dazugekauft habe. Die FDP<br />
schickte eine Kleine Anfrage im Landtag hinterher<br />
mit der treuherzigen Frage: „Was ist<br />
an der unternehmerischen Entscheidung aus<br />
betriebswirtschaftlicher Sicht unklug?“<br />
War also alles längst gelaufen oder passierte<br />
es ungerührt während des „Moratoriums“? Wie<br />
es aussieht, stimmt beides. Der Prozess der Verlagerung<br />
wurde bereits 2014 eingeleitet, vermutlich<br />
nach eingehender Planung mit einer<br />
Wirtschaftsberatung, die das neue Konzerndesign<br />
entwickelte. Damals entstand bereits die<br />
„Meyer Neptun“ Luxemburg, der das Stammkapital<br />
übertragen wurde. Abgeschlossen wurde<br />
der „Umzug“ aber erst im Juli und August 2015,<br />
direkt während des „Moratoriums“. Meyer hatte<br />
höflich akzeptiert, dass die Politiker irgendeine<br />
Form von Handeln darstellen mussten, war<br />
aber zu keinem Zeitpunkt von seinem Zeitplan<br />
abgewichen. Am 13. Juli übertrug er die Führung<br />
der Meyer Werft an eine Luxemburger Verwaltungsgesellschaft,<br />
am 13. August die Führung<br />
der Rostocker Neptun Werft an die „Neptun<br />
Industrie Holding“ (NIR), ebenfalls Luxemburg.<br />
Der Umbau der Meyer-Gruppe könnte programmatischen<br />
Charakter haben für die deutsche<br />
Werftenlandschaft. Die Meyer Werft ist<br />
nicht irgendwer. Sie ist derzeit – neben ThyssenKrupp<br />
Marine Systems (TKMS), den ehemaligen<br />
Kieler Howaldtswerken (HDW) – die<br />
größte deutsche Werft mit rund 3300 Beschäftigten<br />
und einem Jahresumsatz von 1,3 Milliarden<br />
Euro (Konzernbilanz 2013). Standorte<br />
Aus dem „Unternehmensregister“, Handelsregister-Einträge:<br />
Amtsgericht Osnabrück Aktenzeichen: HRA 204138<br />
Bekannt gemacht am: 13.07.2015 19:01 Uhr<br />
In () gesetzte Angaben der Anschrift und des Geschäftszweiges erfolgen ohne Gewähr:<br />
Veränderungen<br />
13.07.2015<br />
HRA 204138: MEYER WERFT GmbH & Co. KG, Papenburg, Industriegebiet Süd, 26871 Papenburg.<br />
Ausgeschieden als Persönlich haftender Gesellschafter:<br />
Meyer Werft Verwaltungs-GmbH, Papenburg (Amtsgericht Osnabrück HRB 121225).<br />
Eingetreten als Persönlich haftender Gesellschafter:<br />
Meyer Werft Verwaltungs-GmbH, Luxemburg / Luxemburg (Handelsregister Luxemburg<br />
B 193173), mit der Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen<br />
Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen.<br />
Amtsgericht Rostock Aktenzeichen: HRA 3321<br />
Bekannt gemacht am: 13.08.2015 21:59 Uhr<br />
In () gesetzte Angaben der Anschrift und des Geschäftszweiges erfolgen ohne Gewähr:<br />
Veränderungen<br />
13.08.2015<br />
HRA 3321:NEPTUN INDUSTRIE GmbH & Co. KG, Rostock, Werftallee 13, 18119 Rostock.<br />
Ausgeschieden als Persönlich haftende Gesellschafterin:<br />
NEPTUN Meyer Verwaltungs GmbH, Rostock (Amtsgericht Rostock HRB 9354).<br />
Eingetreten als Persönlich haftende Gesellschafterin:<br />
NIR Holding GmbH, Luxemburg / Luxemburg (Handelsregister Luxemburg B 193155),<br />
mit der Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter<br />
eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen.<br />
Die Handelsregisterauszüge aus Osnabrück und Rostock vom Sommer dieses Jahres dokumentieren:<br />
Die Eintragungen erfolgten während des mit der Regierung vereinbarten »Moratoriums«.<br />
sind Papenburg (Meyer), Rostock (Neptun)<br />
und Turku (Turku). Im Unterschied zu TKMS,<br />
wo mittlerweile vor allem Militärschiffe entstehen,<br />
baut die Meyer Werft zivile Fahrzeuge:<br />
Hauptsächlich Kreuzfahrtschiffe, aber auch<br />
Tankschiffe für Flüssigerdgas (LNG). Die Auftragslage<br />
ist derzeit gut: Vier Kreuzfahrtschiffe<br />
für Costa Crocière, zwei in Papenburg und zwei<br />
in Turku, sollen bis 2020 gebaut werden – alle<br />
mit Flüssigerdgas-Antrieb.<br />
Noch 2013 war der Meyer-Konzern in typischer<br />
Weise aufgespalten in eine zentrale<br />
Beteiligungsgesellschaft, den eigentlichen<br />
Mutterkonzern „Meyer Neptun GmbH“ mit Sitz<br />
in Rostock, und in zwei Betriebsgesellschaften,<br />
die „Meyer Werft GmbH“ in Papenburg und<br />
die „Neptun GmbH“ in Rostock. Die verbreitete<br />
Konstruktion, Werftkonzerne in Beteiligungsgesellschaft<br />
(der die Vermögenswerte gehören)<br />
und Betriebsgesellschaften (bei denen<br />
die Arbeitnehmer beschäftigt sind) zu trennen,<br />
dient dem Zweck, das Kapital vor dem Risiko zu<br />
schützen und dieses Risiko auf die Beschäftigten<br />
abzuwälzen. Denn die Betriebsgesellschaften<br />
sind die eigentlichen Werftbetriebe, die<br />
Auftragnehmer und die Arbeitgeber, während<br />
ihnen die Besitzgesellschaft die Anlagen nur<br />
leiht. So können die Betriebsgesellschaften gegebenenfalls<br />
in Konkurs geschickt werden, ohne<br />
den eigentlichen Wertbestand des Konzerns<br />
(und der Eigentümer) zu gefährden.<br />
Diese Struktur gab sich 2012 auch die<br />
Lloyd Werft in Bremerhaven. Die Umsetzung<br />
der Beschäftigten in die neu gegründete<br />
Betriebsgesellschaft wurde gleich noch für ein<br />
paar Lohnabsenkungen genutzt, begründet<br />
mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage der<br />
Werft – im Jahr zuvor hatte man noch üppige<br />
Gewinne ausgeschüttet und die Werft ökonomisch<br />
leer gezogen. Die Struktur Beteiligungsgesellschaft-Betriebsgesellschaft<br />
war<br />
der sinnfällige Ausdruck der Privatisierung<br />
von Gewinnen und der Sozialisierung von Verlusten.<br />
Sie passte zu einem Markt, der in traditioneller<br />
Weise von „Schweinezyklen“ aus<br />
Boom und Krise geprägt war und von einem<br />
hohen Vorfinanzierungsrisiko. Es war die Struktur<br />
von Unternehmen, die nach den Katastrophen<br />
der deutschen Werftindustrie und der<br />
Schifffahrtskrise 2009 übriggeblieben waren,<br />
die mitnahmen was sie konnten und beständig<br />
nach Kniffen suchten, den Hals günstig aus der<br />
Schlinge zu ziehen, wenn gerade nichts ging.<br />
Das ändert sich jetzt. Der Umbau der Meyer-<br />
Gruppe zielt auf eine andere Struktur. Zuerst<br />
übertrug die Betriebsgesellschaft den Werftgesellschaften<br />
in Papenburg und Rostock die<br />
Anlagen zurück, so dass der Dachkonzern<br />
nur die Anteile hielt. Dann baute sie beide in
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GmbH & Co.-Kommanditgesellschaften um,<br />
bei denen die Kapitaleinlage vom Mutterkonzern<br />
kommt, aber die Firmenleitung von einer<br />
eigenen Verwaltungs‐GmbH besorgt wird. Und<br />
als dritten Schritt transferierte sie den Mutterkonzern<br />
und beide Verwaltungs-Gesellschaften<br />
nach Luxemburg. Die Gesellschafter sind<br />
letztlich überall dieselben, Bernard Meyer und<br />
Jan Meyer, es ist ein reiner Familienbetrieb mit<br />
100‐prozentigen Tochterbeziehungen. Aber<br />
es ist der Umbau in eine globalisierungs- und<br />
finanzmarktorientierte Struktur, mit der Holding<br />
als Leitung eines internationalisierten Konzerns<br />
– die gleichzeitig mit der Alleinentscheidung<br />
des Firmenchefs auf allen Ebenen verbunden<br />
ist. Man kann sich gut vorstellen, wie Bernard<br />
Meyer das in Auftragsverhandlungen als besonderen<br />
Bonus verkauft: Nein, bei mir gibt es keinen<br />
Aufsichtsrat, wenn ich das so sage, wird es<br />
so gemacht, da gibt es keine Unsicherheiten.<br />
Aber der Umbau spiegelt auch einen veränderten<br />
Markt. 2013 hatten der Verband für<br />
Schiffbau und Meerestechnik (VSM) und die<br />
fünf Küstenbundesländer beim Beratungsunternehmen<br />
PricewaterhouseCoopers (PwC)<br />
eine Studie „Zur Lage des deutschen Schiffbaus<br />
2013“ in Auftrag gegeben. Wie das 80‐seitige<br />
Gutachten optisch eindrucksvoll vorstellt,<br />
ist der Bau von Fracht- und Arbeitsschiffen<br />
zwischen 2008 und 2013 praktisch aus der<br />
deutschen Werftenlandschaft verschwunden.<br />
Zwar haben Werften wie Bremerhavens<br />
Lloyd, Hamburgs Blohm & Voss und andere sich<br />
in der jüngeren Vergangenheit ganz wesentlich<br />
mit Reparatur- und Wartungs-Aufträgen<br />
nicht nur über Wasser gehalten, sondern auch<br />
Renommee erworben. Der Neubautrend indes<br />
konzentriert sich auf Marineschiffe (TKMS),<br />
Marineschiffe plus Luxusyachten (Lürssen)<br />
oder eben Kreuzfahrtschiffe (Meyer-Gruppe).<br />
Dieser Trend verstärkt sich weiter: Auch die<br />
Lloyd Werft hat gerade einen Großauftrag für<br />
fünf Kreuzfahrtschiffe von der Reederei Crystal<br />
Cruises an Land gezogen. Dafür müssen die<br />
Bremerhavener aber den Mutterkonzern der<br />
Reederei, die malaysische Genting Group, als<br />
Teilhaber akzeptieren. Genting ist ein global<br />
operierender Tourismus-Konzern, der in Freizeitparks<br />
und Casinos investiert und gerade ein<br />
paar Flächen in Las Vegas gekauft hat. Die Genting<br />
Group nimmt beim Lloyd-Deal die Rolle ein,<br />
die man in der Bauwirtschaft vom „Projektentwickler“<br />
kennt: Er bringt Ressourcen und Investoren<br />
zusammen und designt das „Projekt“, in<br />
das sich die verschiedenen Player einfügen,<br />
möglichst passgenau.<br />
Frachtschiffe werden bestellt, aber ihre<br />
Spezifikation hält sich in Grenzen. Aristoteles<br />
Onassis baute sein Imperium, indem er in der<br />
Flaute billig Tanker baute, weil sie schon irgendwann<br />
jemand brauchen würde. Das funktioniert<br />
mit Kreuzfahrtschiffen nicht. Sie müssen<br />
so gebaut werden, dass sie in eine spezifische<br />
Kalkulation passen. Sie sind weniger klassischer<br />
Schiffbau als Bau von Eventanlagen. Die<br />
Meyer Werft ist ganz nebenbei Deutschlands<br />
größter Theater-Bauer, niemand sonst hat so<br />
viele Theater gebaut in den vergangenen Jahren<br />
– weil Kreuzfahrtschiffe heutzutage jeweils<br />
mehrere Bühnen an Bord haben.<br />
Frachtschiffe werden typischerweise mit<br />
20 Prozent angezahlt, der Rest ist erst bei Ablieferung<br />
fällig. Das Finanzierungsrisiko liegt also<br />
stark auf seiten der Werft, die andererseits<br />
auch Chancen hat, ein Frachtschiff notfalls an<br />
eine andere Reederei loszuwerden. Bei Kreuzfahrtschiffen<br />
und den meisten anderen heutigen<br />
Spezialschiffen wird dagegen üblicherweise<br />
in kontinuierlichen Raten bezahlt, mehr oder<br />
weniger parallel zu den Baukosten.<br />
Damit ändert sich die Rolle des „Werftchefs“.<br />
Er verliert seine psychologische Funktion. In<br />
alten Zeiten war es sein „Job“, unerschütterliche<br />
Zuversicht auszustrahlen, um Auftraggeber,<br />
Banken, Beschäftigte und lokale Politik<br />
bei Laune zu halten; allen immer wieder neue<br />
Zugeständnisse abzuringen und sie vom vorzeitigen<br />
Aussteigen abzuhalten, weil am Ende doch<br />
alle froh waren, wenn es wieder mal geklappt<br />
hatte. Eine gewisse Hybris und Risikobereitschaft<br />
bis hart an die Grenze des legal Zulässigen<br />
gehörten zur „Arbeitsplatzbeschreibung“.<br />
Der Typus des Unternehmenspatriarchen war<br />
in diese Rolle fest eingebaut und er konnte seinen<br />
Anspruch auf Alleinherrschaft bis zu einem<br />
gewissen Grad mit dem Verweis auf die Art des<br />
Marktes rechtfertigen. Das galt für die Führungsetagen<br />
des Bremer Vulkan bekanntlich<br />
genauso – bis zum großen Crash.<br />
Es hat vor diesem Hintergrund etwas Symptomatisches,<br />
dass die „Meyer Neptun Sozialwerk<br />
GmbH“ (MSN) als erste den Marsch<br />
in die Steueroasen antrat. Im Juni 2013 kaufte<br />
Meyer die „MSW Verwaltungs AG“ in Vaduz,<br />
Liechtenstein, und übertrug ihr den gesamten<br />
Geschäftsbetrieb der MSN: Alle Verpflichtungen<br />
des Konzerns aus „Pensionen, Altersteilzeit<br />
und Jubiläen“ wurden transferiert. 2013 bekam<br />
das Image des Patriarchen mehrfach Risse: Im<br />
Juli starben zwei rumänische Werkvertragsarbeiter<br />
bei einem Brand in ihrer Unterkunft.<br />
Mehr als 30 rumänische und bulgarische Arbeiter<br />
waren darin untergebracht, Werkvertragsarbeiter<br />
stellten damals fast die Hälfte der<br />
Belegschaft (heute etwa ein Drittel). Von Stundenlöhnen<br />
von drei Euro war die Rede. Eine<br />
hastig aufgestellte „Sozialcharta“ beteuerte,<br />
dass „Arbeitsteilung der Werft für die internationale<br />
Wettbewerbsfähigkeit unverzichtbar“ sei,<br />
aber man künftig genauer hinsehen wolle.<br />
Aber es ist die neue Struktur des Marktes, die<br />
dem Familienunternehmer alter Prägung den<br />
Todesstoß gibt. Was bei der Lloyd Werft heute<br />
ansteht, wird auch bei der Meyer-Gruppe<br />
irgendwann vor der Türe stehen: Der Projekt-<br />
Designer, der sich zugleich mit dem Auftrag<br />
auch einkaufen will, weil die Dinge heute so<br />
laufen. Ein Teil der deutschen Werften verliert<br />
allmählich den Charakter von Schiffbauunternehmen<br />
und wird der globalen Tourismus-Industrie<br />
einverleibt, mit allen Folgen, die das hat.<br />
Die Umstrukturierung der Meyer-Gruppe öffnet<br />
hierfür in gefährlicher Weise das Tor.<br />
Der Markt für Kreuzfahrtschiffe, von dem<br />
ein Teil der Branche heute gut lebt, ist definitiv<br />
endlich. China rüstet auf und kooperiert<br />
sowohl mit dem italienischen Werftkonzern<br />
Fincantieri als auch mit der amerikanischen<br />
Carnival Cooperation für den Aufbau des Kreuzfahrtschiff-Baus.<br />
Im Großen und Ganzen ist es<br />
mehr die Erfahrung mit Innenausstattung und<br />
Design, die den deutschen Werften bei Cruisern<br />
und Yachten (einem minimalen Teil des<br />
Die traditionsreichen Kieler Howaldtswerke (HDW)<br />
sind Geschichte, sie gehören heute zu ThyssenKrupp<br />
Marine Systems (TKMS); der Konzern ist auf<br />
Militäraufträge spezialisiert.<br />
Foto: Burkhard Ilschner
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Schiffbau-Weltmarkts) Vorteile verschafft,<br />
weniger die technologische Innovation. Wenn<br />
Planung, Finanzierung und Koordination vermehrt<br />
aus der Hand des globalen Tourismus-<br />
Projektentwicklers kommen, wird sich dieser<br />
Vorteil verflüchtigen.<br />
Das fällt der staatlichen Schiffbaupolitik bislang<br />
nicht so auf, da ihre Vorstellungen von<br />
Innovation ebenfalls sehr begrenzt sind. Die<br />
Branchenforen der Nationalen Maritimen Konferenz<br />
(NMK) drehen sich um Nischenmärkte,<br />
Finanzierungskonzepte, immer wieder um Hoffnungen<br />
auf Offshore- und Tiefseebergbau-Spezialequipment,<br />
und selbstverständlich immer<br />
wieder um mehr staatliches Geld für Forschung<br />
und Entwicklung, Risikoabsicherung und Infrastruktur.<br />
Bezüglich der Strategien dominiert<br />
eine gewisse Halsstarrigkeit. Weder die Umbewertung<br />
der Entwicklungspotenziale zwischen<br />
Offshore- und Onshore-Windenergie wird zur<br />
Kenntnis genommen noch die Tatsache, dass<br />
deutsche Anbieter auch bei Tiefsee-Förderschiffen<br />
bislang ohne Chance sind. Auch auf die weitere<br />
Militarisierung der EU-Grenzsicherung und<br />
der Schifffahrt überhaupt wird gesetzt („maritime<br />
Sicherheit“ als „Innovationsschmiede“).<br />
Die eigentlichen Trends werden verpasst. Anforderungen<br />
an Nachhaltigkeit, Klimaschutz<br />
und soziale Standards werden in den nächsten<br />
Jahren zunehmend an Gewicht gewinnen. Die<br />
Internationale Seeschifffahrts-Organisation<br />
der UNO (International Maritime Organization,<br />
IMO) drängt auf niedrigere Emissionswerte.<br />
Das wird nicht nur die Antriebe verändern, sondern<br />
– sobald auch Emissionen bei der Herstellung<br />
einbezogen werden – auch den Schiffbau<br />
revolutionieren. Die „Shipbreaking Platform“<br />
mobilisiert gegen die unhaltbaren Zustände<br />
auf den Abwrack-Werften in Pakistan, Indien<br />
und Bangladesh und fordert eine Lebenszyklus-Betrachtung,<br />
bei der Schiffe von vornherein<br />
so gebaut werden, dass sie ungefährlich und<br />
mit geringen Umweltbelastungen auch wieder<br />
zerlegt werden können (viele wissen es nicht<br />
und andere haben vergessen, dass eben dafür<br />
bereits vor mehr als 20 Jahren detaillierte<br />
Konzepte erarbeitet worden sind – am Schiffbaustandort<br />
Bremen, wo Kollegen der Vulkan<br />
Werft das „umwelt- und sozialverträgliche<br />
Schiff“ entwickelten). Eine Reihe von multinationalen<br />
Konzernen (darunter H&M, Volkswagen,<br />
Philips, Volvo) drängt inzwischen die Reedereien,<br />
ihre Abwrackpraxis offenzulegen und zu<br />
korrigieren, weil sie ihre Produkte sonst nicht<br />
mehr bei ihnen transportieren würden. Das sind<br />
nur zwei Beispiele für die völlig neuen Herausforderungen,<br />
die sich stellen.<br />
Die betriebliche Innovationsstrategie von<br />
heute ist dem nicht gewachsen. Die Innovationsphilosophie<br />
des deutschen Schiffbaus befindet<br />
Außen bunt, innen Theater und Entertainment: Meyers Kreuzfahrtschiffe – hier die „Norwegian Breakaway“ –<br />
sind immer mehr zu schwimmenden Eventanlagen geworden.<br />
sich in einer ähnlichen Sackgasse wie die Automobilbauindustrie.<br />
Innovation beschränkt sich<br />
auf die Frage: Gibt es nicht irgendetwas Aufwändiges,<br />
Teures, was wir zusätzlich noch einbauen<br />
können? Strukturelle Innovation, die<br />
Lebenszyklen ebenso im Blick hat wie Umweltfolgen<br />
und Arbeitsbedingungen, ist Mangelware.<br />
Und die veränderte Marktlage macht es<br />
nicht besser. Auch die multinationalen Auftraggeber<br />
haben wenig Lust, bei ihren Luxuslinern<br />
für irgendetwas anderes zu bezahlen<br />
als die präzise kalkulierte Herstellung – wer<br />
beim nächsten Mal vielleicht woanders kauft,<br />
hat kein Interesse, betriebliche Innovation<br />
mitzufinanzieren.<br />
Es wäre also Zeit für den Staat. Teile der<br />
deutschen Schiffbauindustrie zu verstaatlichen,<br />
wäre eine hervorragende Idee.<br />
– Erstens lehrt das Beispiel der Meyer-Gruppe:<br />
Wer nicht mindestens eine öffentliche Sperrminorität<br />
im Konzern hat, kann sich gegen Abwanderung<br />
nicht wehren.<br />
– Zweitens: Wer nicht im Konzern drin sitzt,<br />
erfährt alles erst, wenn es längst zu spät ist.<br />
– Drittens: Wer heute öffentlich in Schiffbau-<br />
Standorte investiert (und das wird den betreffenden<br />
Kommunen und Küstenländern heute<br />
beständig abverlangt), muss seine Investition<br />
auch durch Beteiligung schützen – dazu gehen<br />
auch große private Auftraggeber längst über.<br />
– Viertens: Eine Phase struktureller Innovation,<br />
die dem Schiffbau möglicherweise sogar<br />
wieder eine Perspektive auf den Transportschiffmärkten<br />
verschaffen kann, erfordert<br />
konzentrierte Anstrengungen, die von den Betrieben<br />
nicht von selbst geleistet werden.<br />
– Fünftens: Die Einbindung in eine nationale<br />
Schiffbau-Strategie, die Kooperation statt Konkurrenz<br />
realisiert, kann ohne öffentliche Beteiligung<br />
an den Unternehmen nicht erzwungen<br />
werden.<br />
Foto: Thomas Schumacher<br />
Verstaatlichung wäre übrigens eine ganz<br />
reale Möglichkeit, die rechtliche Abwanderung<br />
der Meyer-Gruppe nach Luxemburg zu blockieren.<br />
Verstaatlichung ist durch das Grundgesetz<br />
abgesichert; die einzigen Einschränkungen sind:<br />
Es muss ein öffentliches Interesse geben, das<br />
anders nicht erfüllt werden kann; Verstaatlichung<br />
muss durch ein Gesetz erfolgen; und die<br />
Entschädigung muss geregelt sein. Man erinnere<br />
sich an 2009. Damals beschloss der Bundestag<br />
– nach dem Prinzip „Was muss, das<br />
muss“ – in Windeseile das „Rettungsübernahmegesetz“.<br />
Es ermächtigte die Bundesregierung,<br />
kriselnde Banken zu verstaatlichen, indem<br />
die Aktionäre enteignet werden. Ein „Abwanderungsverhinderungsgesetz“,<br />
um öffentliche<br />
Standortinvestitionen vor der Gefahr der Entwertung<br />
zu schützen, wäre auch zur Erzwingung<br />
einer Mindestbeteiligung an den Werften ohne<br />
weiteres möglich.<br />
Bleibt noch eine Frage: Warum hatte die<br />
Meyer-Gruppe eigentlich bisher keinen Aufsichtsrat?<br />
Gesetzlich wäre es längst vorgeschrieben<br />
gewesen. Damit ist sie aber kein<br />
Einzelfall. Wie man einer Studie über „Umgehung<br />
des Drittelbeteiligungsgesetzes in Industrieunternehmen“<br />
von 2009 entnehmen kann,<br />
haben 40 Prozent aller deutschen Unternehmen,<br />
die unter die Vorschrift zur Drittelbeteiligung<br />
fallen, trotzdem keinen Aufsichtsrat.<br />
Es wird einfach nicht gemacht – und niemand<br />
geht rechtlich dagegen vor. Familienunternehmen<br />
sind für die „Aufsichtsratslücke“ besonders<br />
anfällig. Die rechtswidrige Verteidigung der<br />
Alleinherrschaft – und dementsprechend auch<br />
der innovationstechnische Scheuklappen-Blick<br />
– ist demnach nicht nur bei den Werften bislang<br />
ungebrochen.
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Reeder, Schifffahrtsbranche und Politik schaffen gemeinsam deutsche Seeleute ab<br />
Seemann, lass das Träumen!<br />
Von Klaus-Rüdiger Richter<br />
Deutschland ist einer der erfolgreichsten<br />
Schifffahrtsstandorte der Welt – aber längst<br />
keine „Seefahrernation“ mehr. Die „Nationale<br />
Maritime Konferenz“ (NMK) wird in Kürze über<br />
weitere Reeder-Subventionen beraten und das<br />
„Maritime Bündnis“, das eigentlich Arbeits- und<br />
Ausbildungsplätze schaffen und erhalten sollte,<br />
fortschreiben – obwohl es bald weder Jobs noch<br />
Nachwuchs unter deutscher Flagge mehr gibt:<br />
Analyse einer Katastrophe mit Ansage.<br />
1988: Protestkundgebung der Gewerkschaft ÖTV<br />
gegen das geplante Zweitregister-Gesetz vor der Bremischen<br />
Bürgerschaft, dem Parlament des Bundeslandes.<br />
Fotos (2): Jochen Stoss<br />
Deutsche Reedereien und Schifffahrtsgesellschaften<br />
kontrollieren aktuell 2939 Handelsschiffe<br />
und belegen damit den vierten Platz<br />
der Weltrangliste. Deutsche Reeder führen mit<br />
1280 Einheiten knapp 30 Prozent der globalen<br />
Containerschiffsflotte (1). Rund ums Jahr zelebrieren<br />
die Hansestädte an den Küsten „Sail“-<br />
Events oder „Hafengeburtstage“, versuchen,<br />
maritimes Pseudo-Flair mit Seemanns-Motiven,<br />
Shanty-Chören und anderem pittoresken<br />
Schnickschnack zu verknüpfen, um noch mehr<br />
Touristen besser ausnehmen zu können. Eines<br />
aber fehlt nicht nur in der Schifffahrt, sondern<br />
auch bei diesen Events immer mehr: Echte Kapitäne,<br />
Steuerleute, Bootsmänner, Maschinisten<br />
und Matrosen – die „Sehleute“ sind längst weit<br />
zahlreicher als die Seeleute.<br />
Die Wahrheit ist, dass kaum noch etwas übrig<br />
geblieben ist von einst zigtausend aktiven Seefahrern.<br />
Die Gesamtzahl der Beschäftigten in<br />
der deutschen Seeschifffahrt (bezogen auf die<br />
BRD) wurde Ende 1970 noch mit 49.085 angegeben,<br />
darunter 741 aus EWG-Staaten und 10.562<br />
aus Nicht-EWG-Staaten – unterm Strich also<br />
37.782 deutsche Seeleute (2). Damals zählte die<br />
deutsche Handelsflotte laut Statistik des Verbands<br />
Deutscher Reeder (VDR) 2578 Schiffe<br />
– davon 2578 unter deutscher Flagge (3). Vom<br />
„Ausflaggen“ war noch ebenso wenig die Rede<br />
wie vom „Zweitregister“ (siehe unten) und vor<br />
allem war die Praxis, auf Schiffen deutscher<br />
Flagge ungelerntes Personal aus aller Herren<br />
Länder nach so genanntem „heimatüblichen<br />
Lohn“ einzusetzen, noch streng verboten. Das<br />
änderte sich aber rasch: 15 Jahre später listete<br />
eine Bundestags-Drucksache nur noch 23.273<br />
Mann Besatzung auf Schiffen unter deutscher<br />
Flagge, davon 4773 nicht näher differenzierter<br />
fremder Nationalitäten (4).<br />
Nach der genannten VDR-Quelle betrug die<br />
Flottenstärke deutscher Reeder in diesem Jahr<br />
1750 Schiffe (mit deutlich höherer Gesamttonnage<br />
als 1970), davon fuhren aber nur 1388<br />
– knapp 80 Prozent – noch unter deutscher<br />
Flagge. Denn inzwischen grassierte der Trend<br />
eben zur Ausflaggung, um Personalkosten und<br />
Steuern zu sparen – und er setzte sich so massiv<br />
fort, dass im Frühjahr 1989 gegen massiven<br />
Widerstand der Gewerkschaften das so<br />
genannte Zweitregister eingeführt wurde (später<br />
mehr dazu).<br />
Um die Zahlenvergleiche an dieser Stelle abzuschließen:<br />
1995, sechs Jahre nach Einführung<br />
dieses Zweitregisters, kontrollierten die<br />
VDR-Reeder exakt 1542 Schiffe (3), davon aber<br />
nur 825 unter deutscher Flagge – bemannt mit<br />
15.376 Seeleuten, darunter 4488 Ausländer (5).<br />
Und schließlich: Die eingangs genannten Bestandszahlen<br />
von diesem Sommer beinhalten<br />
nur noch 354 Handelsschiffe unter deutscher<br />
Flagge, rund zwölf Prozent, davon aber 195 im<br />
besagten Zweitregister (1). Über die heutige Anzahl<br />
der Seeleute auf diesen Schiffen gibt es<br />
keine aktuellen Zahlen, der VDR brüstet sich lediglich<br />
auf seiner Webseite, auf all seinen Schiffen<br />
zusammen (einschließlich ausgeflaggter)<br />
würden rund 62.000 Seeleute fahren (6).<br />
Das Jahr 1970 mit seinem Komplett-Flottenbestand<br />
unter BRD-Schwarzrotgold markiert<br />
einen Schnittpunkt: Irgendwer entdeckte<br />
damals den Trick, dass westdeutsche Reeder<br />
völlig legal, aber gesellschaftspolitisch und<br />
sozial fragwürdig bei geringsten „Unpässlichkeiten“<br />
– ob real oder gefühlt – trotz des<br />
Firmensitzes im Inland ihre Schiffe mittels<br />
Briefkastenfirmen komplett in bestimmte<br />
andere Staaten ummelden („ausflaggen“) konnten.<br />
Damit waren und sind ab Vollzug keine<br />
„teuren“ inländischen Beschäftigten mehr vorgeschrieben,<br />
nicht einmal deutsche Rechtsvorschriften<br />
gelten noch an Bord, zudem<br />
werden auch hübsche Sümmchen an Steuern<br />
gespart. Schon 1971/72 ging es los: Westdeutsche<br />
Reeder flaggten mal eben 631 Schiffe aus<br />
– den überwiegenden Teil übrigens nach Griechenland,<br />
dessen faschistische Militärjunta<br />
ausdrücklich dazu eingeladen und „den Niederlassungen<br />
ausländischer Schiffsreeder (per
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Gesetz) Steuern, Abgaben und Zölle gestrichen“<br />
hatte (7). Wobei die Ausflaggung eindeutig als<br />
Flucht zu interpretieren war: Die in den beiden<br />
Vorjahren erkämpften Heuertarife bescherten<br />
den Seeleuten überfällige Lohnsteigerungen,<br />
zudem schrieb eine neue Schiffsbesetzungsund<br />
Ausbildungsordnung (SBAO) größere<br />
Besatzungsstärken vor. Und schon damals<br />
betrachteten hiesige Reeder es als absolute<br />
Zumutung, sich an dieselben Regeln wie andere<br />
Unternehmer halten zu müssen. Ihre Reaktion<br />
war immer gleich: große Rausschmeiße, Tarifund<br />
Steuerflucht.<br />
Das heute „Schiffsbesetzungsverordnung“<br />
(SchBesV) genannte Regelwerk, damals<br />
eine recht scharfe Waffe, ist an die Flaggenführung<br />
geknüpft, gilt also nur auf Schiffen<br />
unter deutscher Flagge. Inzwischen weitgehend<br />
abgestumpft, schreibt diese Verordnung<br />
aktuell selbst für Schiffe unter Schwarzrotgold<br />
nur noch sinkende Anteile nicht einmal mehr<br />
deutschen, sondern europäischen Fachpersonals<br />
vor. Auf allen anderen Schiffen deutscher<br />
Reeder gelten die Bedingungen des fremden<br />
Flaggenstaats.<br />
Wesentlicher Teil dieser Entwicklung war die<br />
Ende der 1980er Jahre vom VDR mit dem Druckmittel<br />
anhaltender Ausflaggungsdrohungen<br />
politisch erpresste Einführung des so genannten<br />
„Zweitregisters“, offiziell „Internationales<br />
Schiffsregister“ (ISR) genannt. Erstmals musste<br />
seither auch unter deutscher Flagge nur noch<br />
ein Teil der Seeleute aus Deutschland stammen,<br />
Auszubildende gehen baden: Demonstrativ sprangen<br />
Bremer Seefahrtschüler 1988 vor der „Schulschiff<br />
Deutschland“ ins Weserwasser – sie ahnten bereits,<br />
dass das ISR 'ne Billigflagge wird....<br />
der überwiegende Teil der Kollegen hingegen<br />
kam fortan aus Staaten der so genannten Dritten<br />
Welt und wurde nach dort üblichen Konditionen<br />
beschäftigt – ungelernt, angelernt, in<br />
Leih- und Zeitarbeit und zu Bruchteilen hiesiger<br />
tariflicher Heuer. Das Prinzip „gleicher<br />
Lohn für gleiche Arbeit“ wurde abgeschafft und<br />
es begann zugleich die Aushebelung der bis<br />
dahin breiten Ausbildung seemännischen Nachwuchses.<br />
Massiver Widerstand der Gewerkschaften<br />
und Seefahrtschüler (8) konnte das<br />
Zweitregister ebenso wenig verhindern wie<br />
eine anschließende Normenkontrollklage vor<br />
dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Das<br />
urteilte nämlich im Januar 1995: „Die Ungleichbehandlung<br />
ist jedoch durch sachliche Gründe<br />
gerechtfertigt“ (9). Diese Annahme, durch teilweise<br />
Legalisierung von Dumpinglöhnen den<br />
Restbestand von Arbeitsplätzen deutscher<br />
Seeleute beziehungsweise den Rest der deutschen<br />
Flagge erhalten zu können, erwies sich<br />
bekanntlich als fataler Irrtum: Von aktuell<br />
1280 Containerschiffen deutscher Reeder fahren<br />
noch 139 unter deutscher Flagge, und davon<br />
sind 135 auch im besagten Zweitregister erfasst.<br />
Die allermeisten Arbeitsplätze deutscher Seeleute<br />
sind somit vernichtet.<br />
Natürlich sind hochqualifizierte hiesige Fachkräfte<br />
mit fundierter Ausbildung oder Studium<br />
und entsprechenden Lebenshaltungskosten<br />
stets „teurer“ als Kollegen aus so genannten<br />
Drittweltstaaten, die sich aus Not ohne Sozialversicherung<br />
und befristet für ein Drittel<br />
hiesiger Heuern ausbeuten lassen. Festzustellen,<br />
dass die „teuren“ Fachkräfte gegenüber<br />
der „billigen“ Konkurrenz ohne entsprechendes<br />
internationales Regelwerk keine Chance<br />
haben, hat nichts mit Nationalismus oder<br />
Ausländerfeindlichkeit zu tun. Die deutsche<br />
Flagge bleibt über die Schiffsbesetzungsverordnung<br />
das letzte Mittel, einigermaßen akzeptable<br />
Arbeitsbedingungen zu erhalten – für<br />
hiesige Beschäftigte und nicht gegen Ausländer.<br />
Die Internationale Transportarbeiter-Föderation<br />
(ITF), weltweit aktiv gegen Dumpinglöhne,<br />
zählt auch das deutsche ISR zu den ausbeuterischen<br />
Billigflaggen (10)!<br />
Heute schreibt die Schiffsbesetzungsverordnung<br />
für die wenigen Schiffen im ISR an inländischem<br />
Personal ohnehin nur noch Kapitän,<br />
zwei Offiziere, einen gelernten Facharbeiter<br />
(Schiffsmechaniker) und ein wachbefähigtes<br />
Besatzungsmitglied vor (11), wobei dies laut<br />
EU-Recht nicht mehr Deutsche sein müssen.<br />
De facto muss bereits heute kein deutsches<br />
Schiff mehr mit auch nur wenigen Deutschen<br />
bemannt sein. Tarifanbindung haben die statt<br />
dessen angeheuerten EU-Bürger dann zwar<br />
trotzdem, aber für den Reeder hat das den wesentlichen<br />
Vorteil, dass diese wie ihre Drittwelt-Kollegen<br />
mit deutschem Arbeitsrecht meist<br />
nicht vertraut, in der Regel nicht gewerkschaftlich<br />
organisiert sind und selten Betriebs- oder<br />
Aufsichtsräte kennen. Der Mannschaftsdienstgrad<br />
„Schiffsmechaniker“ wird oft und völlig<br />
legal durch Auszubildende ersetzt – der einzige<br />
Grund, warum überhaupt noch ausgebildet wird<br />
– oder dank freizügiger Sondergenehmigungspraxis<br />
gleich ganz weggelassen.<br />
Oft gibt es bereits heute unter den Mannschaften<br />
niemanden mit Ausbildung mehr. Das<br />
bereitet an Bord viele Probleme, denn im Zuge<br />
der technischen Entwicklung sowie durch isoliertes<br />
Arbeiten und hohe Effizienzansprüche<br />
sind sämtliche Tätigkeiten an Bord seit<br />
den 1980ern technisch immer anspruchsvoller<br />
geworden. Automation, Elektronik, Hydraulik<br />
und Prozesstechnik dominieren den Schiffsbetrieb<br />
– von der hohen Verantwortung der<br />
Schiffsführung ganz zu schweigen.<br />
Früher wurde dem in der Berufsausbildung<br />
für Mannschaften (Lehre) und Offiziere (FH-Studium)<br />
Rechnung getragen. Doch auf Druck der<br />
Reeder gibt es längst zahlreiche Möglichkeiten,<br />
als Mannschaftsdienstgrad anzuheuern oder als<br />
Offizier ein Patent zu erwerben. Unterschiede in<br />
den Befähigungszeugnissen je nach Abschluss<br />
sind ebenso Geschichte – jeder Steuermann<br />
aus so genannter „kleiner Fahrt“ kann theoretisch<br />
auf 20.000-TEU-Containerriesen anheuern<br />
– wie etwa die Diplomstudiengänge: Mit<br />
nur zwei Jahren Fachschule ist man heute schon<br />
dabei, es müssen nur die Forderungen des<br />
so genannten STCW-95-Abkommens („Standards<br />
of Training, Certification and Watchkeeping“)<br />
erfüllt werden, was allerdings auch jede<br />
„Schule“ von Limassol bis Kiribati schafft. Es<br />
ist die traurige Realität des Zweitregisters, dass
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| 15 |<br />
fast überall im „Betrieb Schiff“ – dem Gesetz<br />
nach Hoheitsgebiet der BRD – abweichend von<br />
hier bekannten Schul- oder Ausbildungs-Normen<br />
wieder komplett „learning by doing“ angesagt<br />
ist. Immer weniger Beschäftige können<br />
dem noch gerecht werden, was man in Industrie<br />
und Handwerk als Arbeitsstandard betrachtet.<br />
Wie auch? Duale Facharbeiterausbildungen<br />
oder Nautik/Schiffsbetriebstechnik als vollwertigen<br />
Hochschul-Studiengang gibt es in den<br />
meisten IMO-Mitgliedsländern nicht, EU-Staaten<br />
eingeschlossen. Aber nicht nur ausgeflaggte<br />
Schiffe deutscher Reeder, sondern eben auch<br />
ISR-Schiffe sind längst fast ausschließlich mit<br />
Beschäftigten aus diesen Ländern bemannt.<br />
Auch wenn Reeder gerne von hochqualifiziertem<br />
rumänischem oder ukrainischem Personal<br />
in Konkurrenz zu deutschen Seeleuten<br />
schwärmen – schlussendlich wird man immer<br />
irgendwo auf der Welt jemanden finden, der<br />
den Job für noch weniger Lohn erledigt.<br />
Längst ist es an Bord normal, dass etwa<br />
Ingenieure bereits einfache Montagearbeiten<br />
bis hin zu Ölwechseln an Hilfsaggregaten selber<br />
zu verrichten oder auch eigenhändig verstopfte<br />
Vakuumtoiletten zu reparieren haben<br />
– um Folgeschäden zu vermeiden und weil<br />
sonst niemand weiß, wie das geht. Qualifizierte<br />
Betreuung der wenigen verbliebenen deutschen<br />
Auszubildenden an Bord findet nicht statt,<br />
weil niemand der größtenteils internationalen<br />
Kollegen an Bord dies etwa in Kenntnis des<br />
Ausbildungsrahmenplans leisten kann; von Problemen<br />
der sprachlichen Verständigung ganz<br />
zu schweigen. Wo eigentlich Instandhaltung,<br />
Reparatur, Maschinenkunde, Metallbearbeitung<br />
gelehrt werden sollte, werden Azubis oft nur<br />
zum Müllpressen, Deckwaschen oder zur Kläranlagenwartung<br />
eingesetzt.<br />
Seit einiger Zeit hat die ITF nach Kontrollen<br />
sogar schon wiederholt Schiffsmechaniker-<br />
Azubis von Bord geholt, weil kein geeigneter<br />
deutschsprachiger Ausbildungsverantwortlicher<br />
verfügbar war – und das auf Schiffen renommierter<br />
deutscher Reeder mit offizieller<br />
Ausbildungsbefugnis. Aber statt das zu ändern,<br />
beklagt sich der VDR über mangelndes Interesse<br />
selbst für die wenigen verbliebenen Ausbildungsplätze<br />
– nur um das wiederum als<br />
Argument für weiteres Ausflaggen zu verwenden.<br />
Dabei sind in den nächsten fünf Jahren<br />
laut Unternehmensberatung Drewry weltweit<br />
42.500 weitere Offiziere und Nautiker nötig (12)<br />
– aber eben keine teuren und qualifizierten.<br />
Während die Personalverleiher in Folge zunehmenden<br />
globalen Elends quasi unendlich Zulauf<br />
haben, behauptet der VDR einfach, niemanden<br />
verfügbar zu haben. Meist genügt das der Verwaltung,<br />
der Dienststelle Schiffssicherheit bei<br />
der Berufsgenossenschaft (13), dann schon für<br />
Eisiger Job: Seemann bei Enteisungsarbeiten an der Winde.<br />
eine Ausnahmegenehmigung und das Schiff<br />
darf trotz Nichterfüllens der SchBesV dennoch<br />
fahren. Die 300 Stunden Arbeit pro Monat und<br />
fehlendem Mann müssen dann eben andere mit<br />
übernehmen – unbezahlt, denn die Tarifheuern<br />
der Europäer sind unterdessen ausschließlich<br />
Pauschallöhne. Übrigens gewähren fast<br />
alle anderen europäischen Staaten ihren Seeleuten<br />
zumindest Lohnsteuernachlässe, wenn<br />
sie mehr als die Hälfte des Jahres nicht zu Hause<br />
sind. Deutschland hingegen gewährt Steuervergünstigungen<br />
nur für Arbeitgeber, für die<br />
VDR-Reeder.<br />
Der massive Rückgang im Bestand deutscher<br />
Seeleute und die Tatsache, dass die Ausbildung<br />
gegen Null tendiert, hat auch an Land schwerwiegende<br />
Folgen: Die gesamte maritime Peripherie<br />
– Hafenverwaltungen, Schifffahrtsämter,<br />
Lotsenbrüderschaften, Seenotretter, Logistik<br />
und viele andere mehr – ist existenziell auf das<br />
Knowhow erfahrener Nautiker angewiesen. Es<br />
hat aber Tradition, dass diese Bereiche sich für<br />
diesen spezifischen Bedarf gerne und bequem<br />
aus dem Pool ausscheidender Seeleute bedienen,<br />
statt in ausreichendem Maße selbst für<br />
Nachwuchs zu sorgen. Die Bundesregierung hat<br />
zwar vor 15 Jahren im Zuge der neu etablierten<br />
„Nationalen Maritimen Konferenz“ (NMK) das<br />
so genannte „Maritime Bündnis für Ausbildung<br />
und Beschäftigung“ geschaffen. Im Ergebnis<br />
war das leider ein sehr einseitiges Unterfangen,<br />
ausschließlich zum Nutzen der Arbeitgeber:<br />
Trotz der bekannt reichhaltigen Förderinstrumente<br />
wie Tonnagesteuer, Ausbildungsbeihilfen<br />
und teilweisem Lohnsteuereinbehalt – Letzteren<br />
hielt schon 2007 der Bundesrechnungshof<br />
Fotos (2): Hasenpusch Photo Productions<br />
für „verfassungsrechtlich bedenklich und darüber<br />
hinaus anfällig für Missbrauch“ (14) –<br />
verweigern sich die Reeder ihrem Teil der<br />
Bündnisverpflichtungen. Faktoren wie Rückflaggung,<br />
Jobsicherung und Nachwuchsförderung<br />
haben sie erst nur zögerlich erfüllt und<br />
ignorieren sie inzwischen völlig.<br />
Laut zuständiger Gewerkschaft ver.di ist „die<br />
derzeitige Regelung zur Gewährung von staatlichen<br />
Beihilfen und Subventionen [...] nicht<br />
geeignet, die deutsche Flagge zu stärken und<br />
damit vermehrt deutsche und europäische Seeleute<br />
auf den Schiffen in deutscher Eigentümerschaft<br />
zu beschäftigen“ (15). Das ist nicht<br />
neu, schon früh ist an der Struktur des Maritimen<br />
Bündnisses die fehlende Verknüpfung<br />
der Förderinstrumentarien mit Bedingungen<br />
etwa zum Arbeitsplatzerhalt kritisiert worden.<br />
Keine der Subventionen ist jemals verbindlich<br />
an die deutsche Flagge geknüpft gewesen, der<br />
Schutz von Jobs und Ausbildung nie verpflichtend<br />
vereinbart worden. Und da den Reedern<br />
jede Bescheidenheit fremd ist, muss sich niemand<br />
wundern, dass sie gerne kassieren und<br />
nach Möglichkeit nicht nur nichts dafür geben,<br />
sondern sich vor nicht verpflichtenden Zusagen<br />
davonstehlen. Das maritime Bündnis gehört<br />
längst aufgekündigt.<br />
Apropos fehlende Bescheidenheit: VDR-Präsident<br />
Alfred Hartmann nannte es kürzlich erst<br />
problematisch, „dass manche hohe Ansprüche<br />
an Arbeitsplatz und Bezahlung haben“ (16). Und<br />
auch, dass an Bord deutsch geflaggter Schiffe<br />
noch deutsches Sozial- und Arbeitsrecht gilt,<br />
stößt Hartmann sauer auf: „Deutsche Schiffe<br />
müssen auch in Ostasien konkurrenzfähig sein
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– drei Viertel der weltweiten Handelsflotte sind<br />
nicht im Land ihrer Eigner geflaggt. Die fremde<br />
Flagge ist ein völlig normaler Zustand“ (17). Mit<br />
anderen Worten: Die zugesagte Rückflaggung<br />
kommt überhaupt nicht in Frage.<br />
Wohl aber weitere Vergünstigungen – Kurz<br />
vor Weihnachten 2014 wurde bekannt, dass<br />
der Reederverband eine weitere Änderung der<br />
Schiffsbesetzungsverordnung beantragt hat:<br />
Künftig sollen an Bord nur noch zwei Unionsbürger<br />
vorgeschrieben sein; insbesondere Osteuropäer<br />
stellen schon lange einen Großteil<br />
der Offiziere unter deutscher Flagge. Hamburg<br />
hat sich im Sommer einmal mehr zum VDR-<br />
Büttel gemacht und die weitere Reederforderung<br />
nach vollem Lohnsteuereinbehalt – statt<br />
bisher 40 Prozent – auf den Gesetzgebungsweg<br />
gebracht. Und aktuell verkündet der Maritime<br />
Koordinator Uwe Beckmeyer (SPD) stolz,<br />
die Bundesregierung habe sich „auf eine dauerhafte<br />
Entfristung der Versicherungssteuerbefreiung<br />
für Schiffserlöspools geeinigt“ (18). Nur<br />
von Gegenleistungen der Reeder ist nirgends<br />
die Rede.<br />
Die meisten deutschen Arbeitsplätze zur See<br />
sind längst vernichtet, die Berufsausbildung<br />
derart drastisch dereguliert, dass das Knowhow<br />
nicht nur in quantitativer, sondern auch in<br />
qualitativer Hinsicht bereits größtenteils verloren<br />
ist. Es bedürfte eines äußerst radikalen<br />
Kurswechsels, um die Kernprobleme mangelhafter<br />
Gesetzgebung, willfähriger Hilfe der Politik,<br />
falsch verstandener Sozialpartnerschaft<br />
und immer schlimmeren Arbeitsbedingungen<br />
zu beseitigen und danach noch die wahnwitzige<br />
Subventionsabzocke umzukrempeln. Wer sollte<br />
das anpacken?<br />
Gefährlicher Job: Seemann eines Containerschiffs bei der Bordwandreinigung.<br />
der Tarifkonflikte hinaus verboten – übrigens<br />
im Gegensatz zu vielen anderen Ländern. Die<br />
Gewerkschafter haben selbst in Zeiten hoher<br />
Organisationsgrade nie wirklich eine Chance<br />
gehabt, sondern sind allenfalls zum Betteln<br />
verdammt. So fordert ver.di unterdessen sogar<br />
noch mehr Subventionen für die Reeder, wenn<br />
doch bloß die verbliebenen Arbeitsplätze erhalten<br />
blieben (12).<br />
Auf die abschließende Frage, wer denn in<br />
Zukunft das Knowhow für Offshore, Häfen,<br />
Lotsen, Seenotrettung oder Verwaltung einbringen<br />
soll, gibt es derzeit nur die frustrierende<br />
Antwort: „Irgendjemand wird sich schon finden“.<br />
Vielleicht sollten sich aber zumindest die<br />
Steuerzahler mal fragen, warum die Reedereikonzerne<br />
weiterhin mit undurchsichtigen Subventionen<br />
in schwindelerregender – und, siehe<br />
oben, wachsender – Millionenhöhe vollgepumpt<br />
werden, obwohl sie sich einen Dreck um den<br />
Standort scheren und trotzdem ungeniert zum<br />
finalen Rausschmiss ansetzen. <br />
Die zuständige Gewerkschaft ver.di wäre theoretisch<br />
wohl der einzige Kandidat. Aber deren<br />
Kampfkraft im Bereich Seeschifffahrt leidet<br />
unter den in Folge der Entwicklung drastisch<br />
geschrumpften Mitgliederzahlen sowie den<br />
schwierigen organisatorischen Rahmenbedingungen<br />
der Branche. Zudem sind im deutschen<br />
Arbeitsrecht Streiks über den Tellerrand<br />
Anmerkungen:<br />
1. Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH): „Statistik über den Bestand<br />
der deutschen Handelsflotte“, Stand 31. August 2015; http://kurzlink.de/bsh-flottenstatistik<br />
2. Deutscher Bundestag, Drucksache 6/3346, Seite 5; http://kurzlink.de/bt-06-3346<br />
3. Verband Deutscher Reeder: Entwicklung der deutschen Handelsflotte, Stand 1.<br />
August 2012; http://kurzlink.de/vdr-flotte-2012<br />
4. Deutscher Bundestag, Drucksache 12/3016, Seite 5; http://kurzlink.de/bt-12-3016<br />
5. http://www.seefunknetz.de/hist90.htm<br />
6. Verband Deutscher Reeder: Leistungsfähigkeit der deutschen Handelsflotte 2015;<br />
http://kurzlink.de/vdr-flotte-2015<br />
7. DER SPIEGEL 16/1973, Seite 54 f.; http://kurzlink.de/spiegel-1973-16<br />
8. WATERKANT; Jg. 2, Heft 4 / 1987, Seite 11 ff.; Jg. 3, Heft 2 / 1988, Seite 7 ff.; Jg. 4, Heft<br />
1-2 / 1989, Seite 23 f.<br />
9. http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv092026.html<br />
10. ITF-Billigflaggen-Kampagne: http://kurzlink.de/itf-foc-list<br />
11. siehe SchBesV §§ 4, 5; http://www.buzer.de/gesetz/10819/index.htm<br />
12. zitiert nach „Täglicher Hafenbericht“ vom 25. Juni 2015<br />
13. http://www.deutsche-flagge.de/de/besatzung/schiffsbesetzung<br />
14. Bundesrechnungshof, Jahresbericht 2007, Ziffer 48, Seite 212 f.: http://kurzlink.de/<br />
brh-2007-48<br />
15. ver.di: „Schifffahrtspolitische Forderungen“ vom Mai 2014<br />
16. „Deutsche Seeschifffahrt“ (Organ des VDR), Heft 1-2 / 2015, Seite 18 ff.<br />
17. Rede bei seinem Amtsantritt beim Schifffahrtsessen des Nautischen Vereins zu<br />
Hamburg<br />
18. BMWi-Pressemitteilung vom 7. September 2015<br />
19. ver.di: „Auf den richtigen Kurs“ – Schifffahrtspolitisches Programm; 2015
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Kein Bedarf, kein Investor, kein Geld, kein rechtlich sicherer Rahmen:<br />
Wieso braucht Bremerhaven einen Offshore-Terminal?<br />
Von Eike Narringa<br />
Die Regierung des Zwei-Städte-Staats Bremen<br />
will im Süden der Stadt Bremerhaven an der<br />
Wesermündung einen Spezialhafen mit einer<br />
500 Meter langen Schwerlastkaje für den<br />
Umschlag von Bauteilen der Offshore-Windkraft<br />
bauen lassen. Dieses Projekt eines „Offshore-<br />
Terminal Bremerhaven“ (OTB) ist nicht einfach<br />
umstritten – aus finanziellen, ökologischen und<br />
anderen politischen Gründen hat das Vorhaben<br />
das Zeug zum handfesten Skandal.<br />
Dieses wertvolle und geschützte Weserwatt südlich von<br />
Bremerhaven wollen die OTB-Planer unter<br />
Stahl und Beton begraben. Im Hintergrund das<br />
Panorama von Bremerhaven – links die Containerkaje,<br />
rechts die Touristencity.<br />
Foto: Burkhard Ilschner<br />
Über den OTB wird schon einige Jahre lang<br />
debattiert, seit 2009: Bremerhaven als Standort<br />
etlicher OWK‐Betriebe und -Zulieferer soll, so<br />
der Anspruch der damals wie heute regierenden<br />
Koalition von SPD und Grünen, mit dem nach<br />
amtlicher Schätzung 180 Millionen Euro teuren<br />
Projekt gewissermaßen an die Spitze der Branchenstandorte<br />
entlang der Nordseeküste katapultiert<br />
werden.<br />
Dummerweise kam die Idee etwas spät,<br />
denn schon im selben Jahr wurde 50 Kilometer<br />
nördlich im niedersächsischen Cuxhaven<br />
ein Offshore-Terminal mit drei Liegeplätzen an<br />
der Elbe in Betrieb genommen. Es folgte die<br />
bekannte Branchenkrise mit anschließender,<br />
vom Bund verordneter Reduzierung der Ausbauziele<br />
für Erneuerbare Energien. Bremen<br />
aber hielt am OTB‐Projekt fest – und wie:<br />
Die anfangs noch wortreich beschworene<br />
Zusage, in den OTB würden keine öffentlichen<br />
Gelder fließen, zerstob alsbald im ach, so<br />
marktwirtschaftlichen Wind. Trotz mehrfacher<br />
Anläufe blieb die Suche nach einem Bauträger<br />
im Weserschlick stecken: Die Ausschreibung<br />
brachte kein Ergebnis, kein privater Investor<br />
wollte die Risiken schultern. Weil der OTB aber<br />
inzwischen zu einem unverzichtbaren Image-<br />
Projekt aufgepustet worden war, musste ein<br />
Kurswechsel her. Gestützt auf eine „Regionalwirtschaftliche<br />
Potenzialanalayse“ der bekannten<br />
Firma PROGNOS, die darin dem OTB Projekt<br />
auftragsgemäß Sinn und Notwendigkeit<br />
bescheinigte (1), erklärten die politisch Verantwortlichen<br />
das Vorhaben zu einer nun doch<br />
öffentlichen Aufgabe.<br />
Zwar hielten sie zunächst noch an der Illusion<br />
fest, wenigstens der Betrieb müsse privatwirtschaftlich<br />
erfolgen. Aber auch das ging<br />
schief: Bei dieser Ausschreibung blieb am Ende<br />
nämlich nur ein Interessent übrig, und das war<br />
– welch Zufall? – der mehrheitlich staatseigene<br />
Hafen- und Logistikkonzern BLG. All dies und<br />
weitere Pannen konnten den Senat, die Landesregierung<br />
des Zwei-Städte-Staats, aber keinen<br />
Deut von seinem Kurs abbringen. Ungeachtet<br />
aller Verzögerungen und Probleme und trotz<br />
aller Erfahrungen mit Preissteigerungen beharren<br />
die Planer bis heute übrigens auf der Investitionssumme<br />
in Höhe von 180 Millionen Euro<br />
– ein Betrag, den Kritiker des Vorhabens massiv<br />
bezweifeln.<br />
Auch in den Koalitionsverhandlungen nach<br />
der jüngsten Wahl zur Bremischen Bürgerschaft<br />
(dem Landtag) beharrte die SPD im<br />
Frühsommer dieses Jahres darauf, das OTB‐Projekt<br />
in den Vertrag mit den Grünen hineinzuschreiben<br />
– und die knickten wieder einmal<br />
ein, stornierten ihre vorherigen Bedenken und<br />
stimmten zu. Nach derzeitiger Terminierung<br />
soll Ende dieses Jahres der Planfeststellungsbeschluss<br />
vorliegen und kurzfristig angepackt<br />
werden; 2018 soll der OTB dann fertig sein.<br />
Dieser bereits erweiterte Zeitrahmen –<br />
ursprünglich war 2016 ins Auge gefasst –<br />
ist allerdings mehr als fraglich. So musste<br />
zwischendurch die Ausschreibung ausgesetzt<br />
werden, als Bundesrichter die geplante<br />
Weservertiefung stoppten, denn deren Ergebnisse<br />
hatten die OTB‐Planer bereits vorauseilend<br />
eingearbeitet. Nun wird, ohne die<br />
juristische Entscheidung abzuwarten, umgeplant<br />
– obwohl niemand weiß, wie die Richter<br />
letztlich urteilen werden. Je nachdem, ob<br />
die Baggerpläne demnächst genehmigt oder<br />
geschreddert werden, bleibt die OTB‐Planung<br />
also eine Hängepartie. Skurril übrigens ist auch<br />
dieses: Wegen des Scheiterns der privaten<br />
musste die öffentliche Finanzierung haushaltsrechtlich<br />
abgesichert werden – und dazu soll<br />
auch „bei anderen Projekten, beispielsweise<br />
bei der Weservertiefung, gekürzt werden“ (2).<br />
Wie sich das eine mit dem anderen vereinbaren<br />
lässt, ohne die jeweiligen Rechtsgrundlagen<br />
zu erschüttern, bleibt abzuwarten. Zweifelhaft<br />
erscheint auch die geplante Lage des OTB:<br />
Weil die „Seeschiffahrtsstraßenordnung“ dem<br />
Schiffsverkehr auf der Weser zwingend Vorfahrt<br />
gewährt, müssten vor jeder Verschiffung<br />
der riesigen OWK‐Teile seewärts immer reviersperrende<br />
Zeitfenster beantragt, der normale<br />
Verkehr zu und von den anderen Häfen also<br />
gesperrt werden, was deren Flexibilität ebenso<br />
massiv einschränkt wie die des OTB.<br />
Aber das sind nicht die einzigen Hindernisse:<br />
Zum einen haben die Naturschützer sowohl des<br />
BUND als auch des NABU heftigen Widerstand
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gegen das Vorhaben angekündigt; zumindest<br />
vom BUND ist bekannt, dass eine Klage gegen<br />
den Planfeststellungsbeschluss vorbereitet<br />
wird (3). Der Grund: Der OTB soll im Süden<br />
Bremerhavens in ein geschütztes Flusswatt<br />
hinein gebaut werden – so wertvoll, dass es seinerzeit<br />
bei Erweiterung der Containerkaje im<br />
Norden der Stadt zur ökologischen Ausgleichsfläche<br />
erklärt wurde. Unter anderem ist dieses<br />
Weserwatt das weltweit drittgrößte Rastgebiet<br />
des Säbelschnäblers. Auch hier übrigens<br />
hat die Geschichte eine skurrile Komponente:<br />
Die geplante OTB‐Fläche erstreckt sich unter<br />
anderem über ein benachbartes Areal namens<br />
Luneplate, das schon mehrfach zum Inbegriff<br />
für Fehlplanung wurde – vor rund 30 Jahren ist<br />
dieses Gebiet mit einem Aufwand von mehr als<br />
100 Millionen D‐Mark vorbereitet worden für<br />
großindustrielle Ansiedlungen, die alle niemals<br />
kamen. Chemieindustrie, Hochtemperaturreaktor,<br />
Daimler-Teststrecke – die Liste der gescheiterten<br />
Vorhaben ist lang. Ein Flüsschen namens<br />
Lune wurde in großem Bogen verlegt, um Platz<br />
zu machen (und zugleich dem kühlturmlosen<br />
AKW Unterweser mehr Kühlwasser zuzuführen...).<br />
Am Ende wurde, siehe oben, das Areal<br />
aufwändig renaturiert als Ausgleichsfläche.<br />
Zum anderen fußt die gesamte Planung für<br />
den OTB darauf, dass der zwischen Weserufer<br />
und den Arealen schon ansässiger OWK‐Firmen<br />
gelegene Regionalflughafen und Sportflugplatz<br />
„Luneort“ plattgemacht und seine ausgebaute<br />
Landebahn als Schwerguttrasse zur und von<br />
der neuen Kaje genutzt wird. Dieser Flughafen<br />
ist aber erst jüngst mit erheblichen öffentlichen<br />
Mitteln modernisiert worden und entwickelt<br />
sich trotz momentan noch anhaltendem Zuschussbedarf<br />
gut. Nun soll sein Betrieb ebenso<br />
wie die Sportfliegerei ins 30 Kilometer nördliche<br />
Nordholz verlegt werden – dort ist ein Militärflugplatz<br />
vor Jahren zur auch zivilen Nutzung<br />
ausgebaut worden, die aber trotz aller Phantastereien<br />
nie in Gang kam: Weder eine geplante<br />
Im- und Export-Frachtlinie nach Burkina Faso<br />
– no joke! – noch seit Jahren debattierte Pläne<br />
kommerziell-privater Raumflüge (4) haben dem<br />
Flughafen Nordholz je mehr als zweifelhafte<br />
Schlagzeilen beschert; das wachsende jährliche<br />
Rockfestival „Deichbrand“ nebenan ist da ungleich<br />
erfolgreicher, aber durch die OTB‐Pläne<br />
ebenfalls gefährdet.<br />
Die gewerblichen Nutzer des Flughafens<br />
Luneort sind entsetzt über das angekündigte<br />
Aus, denn sie brauchen die räumliche<br />
Anbindung an Bremerhaven, Nordholz wäre<br />
zu weit ab „vom Schuss“. Einer der Nutzer hat<br />
im Sommer 2015 eine Petition für einen Volksentscheid<br />
gestartet, die zwar viel Zuspruch<br />
bekommt, aber auch heftig umstritten ist:<br />
Einerseits wegen der erkennbaren Interessenverquickung,<br />
andererseits wegen inhaltlicher<br />
Schwächen, denn der Mann votiert ausdrücklich<br />
nicht gegen das Projekt, sondern nur gegen die<br />
öffentliche Finanzierung (und hofft so vermutlich,<br />
das Vorhaben durch die finanzpolitische<br />
Hintertür kippen zu können). Die Sportflieger<br />
von Luneort indes zeigen den OTB‐Planern<br />
den Stinkefinger und haben beschlossen, aufs<br />
andere Weserufer ins niedersächsische Butjadingen<br />
umzuziehen, falls Luneort OTB‐Areal<br />
wird: Tschüs, Bremerhaven!<br />
Die Bremer Hafengesellschaft „bremenports“,<br />
zuständig für das OTB‐Projekt, hat sich<br />
inzwischen von PROGNOS in einem Update<br />
zum erwähnten Gutachten den ungebrochen<br />
wuchernden Optimismus absegnen lassen. In<br />
einer „Stellungnahme“ vom Juni dieses Jahres<br />
versteigen sich die Gutachter zu der Aussage,<br />
ein Bremerhavener Offshore-Terminal könne<br />
beim OWK‐Ausbau im Bereich der deutschen<br />
Nordsee gegenüber den Konkurrenzhäfen im<br />
englischen Hull, im dänischen Esbjerg, im niederländischen<br />
Eemshaven sowie in Emden<br />
und Cuxhaven einen Marktanteil von – 55 Prozent<br />
erwarten (5): „Möchte Bremerhaven seine<br />
Potenziale ausschöpfen, … ist eine infrastrukturelle<br />
Aufwertung und damit der Bau des OTB<br />
unumgänglich.“<br />
Das sehen, insbesondere angesichts der<br />
bekannten Haushaltsnotlage des Bundeslandes<br />
Bremen, große Teile der Öffentlichkeit<br />
sowie anerkannte Experten wie der Wirtschaftswissenschaftler<br />
Rudolf Hickel anders:<br />
Immer mehr wächst das Unverständnis über<br />
die Sturheit des seit Jahren mit Infrastruktur-<br />
Pleiten „erfahrenen“ Senats – als ob es Steuermillionen<br />
verschlingende Planungspleiten<br />
wie den „Space Park“ in Bremen-Gröpelingen,<br />
den „Ocean Park“ in Bremerhaven oder aktuell<br />
das Investitionschaos in der Bremer City nicht<br />
gäbe beziehungsweise gegeben hätte. Nein, der<br />
Senat hält fest am OTB‐Vorhaben – selbst angesichts<br />
der jüngsten lokalen Branchen-Flops:<br />
Erst hat mit „Weserwind“, einer Tochter des<br />
Stahlkonzerns Georgsmarienhütte, ein langjährig<br />
ansässiger potenzieller Nutzer eines OTB<br />
Insolvenz angemeldet, dann entschied sich der<br />
Siemens-Konzern auf der Suche nach einem<br />
Standort für ein neues OWK‐Werk mit angekündigten<br />
„bis zu 1000 Arbeitsplätzen“ für Cuxhaven<br />
– und damit gegen Bremerhaven.<br />
Auf jeden Fall wird das Thema OTB in Kürze<br />
über Bremens Landesgrenze hinaus relevant: Der<br />
Hafen- und Schifffahrtsexperte der Links-Fraktion<br />
im Bundestag, Herbert Behrens, hat eine Kleine<br />
Anfrage auf den parlamentarischen Weg gebracht,<br />
in der er nun auch von der Bundesregierung<br />
eine Bewertung dieses Projekts einfordert<br />
– Bedarf, Auslastung, Kosten, Konkurrenzsituation,<br />
Arbeitsplätze, Hinterlandanbindung und vieles<br />
andere mehr.... <br />
Anmerkungen:<br />
1. Prognos AG, Download unter http://kurzlink.de/<br />
prognos-otb-2011<br />
2. Arbeitnehmerkammer Bremen: Bericht zur Lage<br />
der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land<br />
Bremen; März 2013, Seite 21<br />
3. Details unter www.bund-bremen.net – eine leicht<br />
recherchierbare Rubrik „Offshore-Terminal“ fehlt dort<br />
leider.<br />
4. „Von Nordholz ins All“ – „Weser-Kurier“ vom 17. Juli<br />
2015<br />
5. Prognos AG, Download unter http://kurzlink.de/<br />
prognos-otb-2015<br />
Der Offshore-Terminal in Cuxhaven wurde in Betrieb<br />
genommen, als Bremen sich entschied, die Planung<br />
des OTB zu beginnen: Kennt man im Bremer Rathaus<br />
eigentlich das Märchen von Hase und Igel?<br />
Foto: cuxclipper-flickr
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Mit „Grete“ und „Anne-Marie“ unter (vorerst) estnischer Flagge über die Unterelbe<br />
Kann neue Fähre Cuxhaven-Brunsbüttel überleben?<br />
Von Burkhard Ilschner<br />
Zwei so genannte Doppelendfähren<br />
verbinden seit Mitte August im 90‐Minuten‐Takt<br />
die Küstenstädte Cuxhaven und Brunsbüttel<br />
quer über die Elbmündung. Wieder, muss man<br />
sagen, denn es ist nicht der erste Versuch dieser<br />
Art. Frühere Unternehmungen scheiterten aus<br />
unterschiedlichen Gründen, die jetzige Linie<br />
schippert in einem Spannungsfeld: Aktuell<br />
bringt sie dem Regionalverkehr Entlastung,<br />
künftig könnte sie aber auch leicht zu<br />
einem Opfer werden.<br />
Elb-Link-Fähre „Anne-Marie“ auf dem Weg von<br />
Brunsbüttel nach Cuxhaven – für das Anbringen<br />
des neuen Namens hat auch neun Tage nach Eröffnung<br />
die Zeit noch nicht gereicht. Aber vielleicht war<br />
das ja alles nur „Chi-Chi“ und der alte Name<br />
„Saaremaa“ soll bleiben...<br />
Fotos (2): Burkhard Ilschner<br />
Am 19. August legte die 98 Meter lange Doppelendfähre<br />
„Anne-Marie“ von Cuxhavens<br />
„Steubenhöft“, dem früheren Auswandererhafen<br />
der HAPAG, ab und nahm Kurs auf<br />
Brunsbüttel. Mit an Bord: Niedersachsens Wirtschaftsminister<br />
Olaf Lies (SPD), sein schleswigholsteinischer<br />
Amtskollege und Parteifreund<br />
Reinhard Meyer sowie etliche weitere Kommunal-<br />
und Landespolitiker samt vieler Leute,<br />
die für wichtig gehalten werden (wollen).<br />
Natürlich durften auch Medienvertreter mitfahren,<br />
denn Lies und Meyer zelebrierten die<br />
Wiederaufnahme des Fährbetriebs mit einer<br />
Pressekonferenz an Bord der „Anne-Marie“,<br />
enthusiastischen Reden in beiden Häfen sowie<br />
abschließendem Volksfest in Cuxhaven.<br />
Seit dem 20. August fahren „Anne-Marie“<br />
und ihr Schwesterschiff „Grete“ im Wechsel<br />
von morgens bis abends. Geplant ist, die Linie<br />
ab 2016 mit einem dritten Schiff im 60‐Minuten‐Takt<br />
zu betreiben; ob das Wirklichkeit wird,<br />
entscheidet die Akzeptanz. Rund 70 Minuten<br />
dauert die Überfahrt bis zur Landungsbrücke<br />
nördlich der Stadt Brunsbüttel und der Schleusen<br />
zum Nord‐Ostsee-Kanal. Die neue Fährlinie<br />
soll nicht einfach nur die Nahverbindung<br />
zwischen beiden Elbufern verbessern. Das<br />
käme vor allem für Regional(güter)verkehre<br />
sowie für eventuelle Pendler in Betracht: Ein<br />
Nautiker schwärmte bei Eröffnung bereits von<br />
Arbeitnehmern, die aus dem Raum Brunsbüttel<br />
künftig einen Job im geplanten Cuxhavener Siemens-Werk<br />
übernehmen könnten. Daneben<br />
zielt die Planung ausdrücklich auch auf Touristen.<br />
Na, ja: Für Besucher Dithmarschens mag<br />
es ja ganz nett sein, mal nach Cuxhaven und<br />
zurück zu schippern – umgekehrt ist das angesichts<br />
der vier Kilometer Entfernung von der<br />
Landungsbrücke in die ohnehin sparattraktive<br />
Innenstadt Brunsbüttels eher fraglich.<br />
Selbstverständlich soll die neue Fährlinie<br />
auch den ständig verstopften Großraum Hamburg<br />
entlasten. Ob das funktioniert? Auf niedersächsischer<br />
Seite ist es nur ein kurzer Weg von<br />
der A 27 zur Fähre – knapp zehn Minuten durchs<br />
Hafengebiet. Gegenüber, in Schleswig-Holstein,<br />
braucht es je nach Strecke rund eine halbe<br />
Stunde bis zur A 23 oder zur B 77 nach Norden<br />
sowie eine satte Stunde bis zur A 7. Die<br />
seit langem bestehende Elbfähre Glückstadt-<br />
Wischhafen, mangels Erweiterungsmöglichkeit<br />
von häufig langen Wartezeiten geplagt, sieht<br />
laut Chefin Hildegard Both-Walberg die neue<br />
Konkurrenz mit gemischten Gefühlen – „sie<br />
nimmt was weg“, gefährde aber nicht den eigenen<br />
Betrieb, „nicht so, dass wir uns ernsthaft<br />
Gedanken machen müssen.“<br />
Bleibt der Blick in die Zukunft: Bekanntlich<br />
soll die A 20 mittels einer weiteren festen<br />
Elbquerung zur „Küstenautobahn“ ausgebaut<br />
werden. WATERKANT hat dieses umstrittene<br />
Vorhaben seit Jahren und Jahrzehnten im Fokus.<br />
Jeder weiß, dass weder „Ob“ noch „Wann“ bislang<br />
klar sind, dass da ohne Klagen und Prozesse<br />
sowieso nichts geht. Both-Walberg übrigens<br />
ist bereits Klägerin, nämlich gegen den geplanten<br />
Elbtunnel, der ihre Existenz weitaus heftiger<br />
gefährden würde als die neue Fährlinie. Es<br />
war allerdings bei deren Eröffnung verblüffend,<br />
mit welcher Chuzpe sowohl Lies als auch Meyer<br />
die versammelten Medien ungefragt mit einem<br />
vehementen Plädoyer für Küstenautobahn<br />
und Elbtunnel konfrontierten: „Überragende<br />
Bedeutung“ habe die Trasse und „eine europäische<br />
Dimension“ – und natürlich durfte auch<br />
das dämliche Argument „Hinterlandanbindung<br />
unserer Seehäfen“ nicht fehlen. Falls der anwesende<br />
estnische Fähr-Reeder Vjatseslav<br />
Leedo die beiden sprachlich verstanden haben<br />
sollte, muss er sich düpiert gefühlt haben –<br />
denn die ihm prognostizierten 48.000 Lkw und<br />
265.000 Pkw pro Jahr dürften durch eine weitere<br />
Elbquerung schlicht untertunnelt werden...<br />
Leedo wäre ja nicht der erste, der an der Passage<br />
über die nordwestliche Unterelbe scheitert.<br />
Frühe Versuche vor 1914 hielten immer nur<br />
wenige Jahre, Ähnliches gilt für mehrere Versuche<br />
nach 1945. Mit mehr als 19 Jahren Bestand<br />
ist die Cuxhavener Unternehmerin Greten Handorf<br />
bislang Rekordhalterin, sie hatte die Linie<br />
von 1919‐1938 mit zwei umgebauten Fischkuttern<br />
betrieben. 1999 unternahm der Bremer<br />
Spediteur Egon H. Harms einen neuen Versuch:
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In der Hoffnung, seine eigenen Transporte<br />
schneller nach Skandinavien schicken zu können<br />
als via Hamburg, nahm Harms zusammen<br />
mit dem Cuxhavener Bauunternehmer Johann<br />
Voss umgerechnet zehn Millionen Euro in die<br />
Hand. Er baute unter anderem den Terminal am<br />
Brunsbütteler Groden, kaufte drei gebrauchte<br />
Fährschiffe und legte los – hielt aber nur drei<br />
Jahre durch. Als Gründe für das Scheitern wurden<br />
damals neben rasantem Anstieg der Treibstoffpreise<br />
auch mangelnde Eignung der Schiffe<br />
und unzureichende Auslastung genannt – im<br />
ersten Betriebsjahr 6200 Lkw und 95.000 Pkw<br />
inklusive Wohnmobilen. Vergeblich hatte<br />
Harms zuletzt noch versucht, für den Betrieb<br />
der Linie öffentliche Förderung einzuwerben.<br />
Insbesondere Schleswig-Holstein hielt<br />
den Geldbeutel ebenso zugeknöpft wie schon<br />
Anfang der 1980er gegenüber der Hamburger<br />
HADAG als damaligem Fährbetreiber.<br />
Seit Harms‘ Scheitern hat es beiderseits des<br />
Flusses viele Debatten über eine Wiederbelebung<br />
und auch mehrere handfeste Konzepte<br />
dafür gegeben. Das Land Niedersachsen sowie<br />
Brunsbütteler und Cuxhavener Wirtschaftsförderer<br />
ließen sich schließlich von der Rostocker<br />
„Baltic Marine Consult“ 2013 errechnen, eine<br />
Fährverbindung könne doch wirtschaftlich betrieben<br />
werden: Der oben bereits wiedergegebenen<br />
Prognose wurde sogar eine langsam<br />
steigende Tendenz vorhergesagt. Auf Grundlage<br />
der Rostocker Studie gingen dann die Wirtschaftsförderer<br />
auf Investorensuche, Ende 2014<br />
habe die estnische „Saaremaa Laevakompanii“<br />
Interesse bekundet, so das niedersächsische<br />
Wirtschaftsministerium: „Eine förmliche Ausschreibung<br />
hat es nicht gegeben.“<br />
Die Esten haben unter dem Namen<br />
„Elb‐Link“ eine deutsche Firma mit Sitz in<br />
Cuxhaven gegründet. Niedersachsen hat die<br />
Sanierung des Cuxhavener Steubenhöft-Kais<br />
finanziert, die Ertüchtigung des alten Grodener<br />
Terminals auf Brunsbütteler Seite hat Elb‐Link<br />
selbst bezahlt; wieder einmal blieb Kiel stur.<br />
Für die Zukunft betonen beide Seiten, Betreiber<br />
oder Fährbetrieb würden nicht öffentlich<br />
gefördert. Immerhin: Drei Wochen nach Inbetriebnahme<br />
spricht Elb‐Link von einer Auslastung<br />
zwischen 30 und 35 Prozent, sieben oder<br />
acht Fahrten seien schon komplett ausgebucht<br />
gewesen. Die Brunsbütteler Spedition Friedrich<br />
A. Kruse hat einen Exklusivvertrag mit<br />
Elb‐Link und bietet allen professionellen Fähr-<br />
Nutzern einen Trailer-Service an, um etwa Container<br />
personalkostensparend über die Elbe<br />
bringen zu können.<br />
Zur Eröffnung hatten – Politik ist eben auch<br />
Show-Business – Lies und Meyer sich noch<br />
einen besonderen „Gag“ einfallen lassen; Seeleute,<br />
zumal vielleicht abergläubische, dürften<br />
sich dabei allerdings<br />
die Haare raufen: „Aus<br />
Tradition“, nämlich in<br />
Erinnerung an Greten<br />
Handorf, erhielten<br />
die beiden Elb‐Link-<br />
Fähren die Namen von<br />
Handorfs vormaligen<br />
Kuttern, „Anne‐Marie“<br />
und „Grete“. Nun ist<br />
zwar die Umbenennung<br />
von Schiffen ein<br />
fast alltäglicher Akt in<br />
der Handelsschifffahrt<br />
– Lies und Meyer allerdings<br />
ließen dazu zwei<br />
„Schiffstaufen“ inszenieren<br />
und ignorierten<br />
so die Tradition, dass<br />
ein Schiff nur einmal<br />
getauft wird. In Cuxhaven<br />
wurde aus der<br />
„Muhumaa“ mit Sektflaschenscherben<br />
die<br />
„Grete“, in Brunsbüttel<br />
wurde das Schwesterschiff<br />
„Saaremaa“<br />
dann mit vergleichbarem<br />
Pomp in „Anne‐Marie“ umbenannt. Apropos<br />
Aberglaube – es ist zu hoffen, dass nicht<br />
auch Elb‐Link-Geschäftsführer Christian Schulz<br />
und sein estnischer Chef Leedo solchen Allüren<br />
unterliegen: Beide Schiffe trugen trotz feierlichen<br />
Umtaufens auch Wochen später noch ihre<br />
alten Namen neben dem neuen, ganz so, als ob<br />
die Verantwortlichen nicht so recht an ihren<br />
eigenen Erfolg glauben mögen und sich den<br />
Rückzug offenhalten...<br />
Ganz zweifellos wäre ein Fortbestand der<br />
Elb‐Link-Linie, erst recht ihr Ausbau auf stündlichen<br />
Takt, ein deutlicher Gewinn für die<br />
Region – als schnelle und bequeme Verbindung<br />
zwischen zwei nur 25 Kilometer voneinander<br />
entfernten Orten, deren Distanz ohne Fähre nur<br />
via Hamburg in rund drei Stunden zu bewältigen<br />
ist. Aber auch im politischen Sinne: Je mehr<br />
diese Fähre Akzeptanz erringt und genießt,<br />
desto schwieriger wird es für Lies, Meyer & Co.<br />
trotz allen Pfeifens im Keller, ihre A‐20‐Tunnel-<br />
Lösung durchzupauken.<br />
Das wiederum setzt nicht nur wirtschaftlichen<br />
Erfolg für das Unternehmen Elb‐Link voraus,<br />
zur Akzeptanz zählen wesentlich auch sein Ruf<br />
und sein Ansehen bei den Menschen. 45 Dauerarbeitsplätze,<br />
heißt es, würden durch die Neugründung<br />
geschaffen: In der strukturschwachen<br />
Unterelbregion ist das eine wichtige Frage. Da<br />
bleibt es spannend, welcher Art diese Jobs sind.<br />
Egon H. Harms stand neben allen sonstigen<br />
Problemen seinerzeit auch in dem Ruf, auf seinen<br />
Fähren „Zustände wie im 19. Jahrhundert“<br />
Die Brunsbütteler Spedition Friedrich A. Kruse jun.<br />
setzt große Hoffnung in die neue Fährverbindung und<br />
schickte denn auch zur Eröffnung demonstrativ einen<br />
ihrer Trucks an Bord.<br />
zu dulden (beziehungsweise zu forcieren) – mit<br />
knappsten Besetzungen, unbezahlten Überstunden<br />
und mehr. Noch im Mai dieses Jahres hatte<br />
Elb‐Link-Geschäftsführer Schulz erklärt, es sei<br />
geplant, beide Fähren in Malta zu registrieren<br />
– laut ITF bekanntlich eine Billigflagge. Sowohl<br />
Lies als auch Meyer hielten sich auf Anfrage<br />
bedeckt, deuteten an, „im Einzelfall keinen Einfluss<br />
auf unternehmerische Entscheidungen“<br />
zu haben, eine Ausflaggung nach Malta sei aber<br />
ihrer Kenntnis nach nicht vorgesehen. Die Frage<br />
stellt sich aber, warum nicht etwa Niedersachsen<br />
– bei direkter Investition von „rund 2,1 Millionen<br />
Euro ... für die Ertüchtigung des Anlegers<br />
und angrenzender Verkehrsflächen“ – zu offenem<br />
Druck bereit ist, dass die Schiffe hiesige<br />
Gewässer mit Schwarzrotgold am Heck befahren<br />
und 45 Beschäftigte nach hiesigen Tarifen<br />
bezahlt werden. Zwar distanzierten sich bei<br />
Eröffnung sowohl Schulz als auch sein Betriebsleiter<br />
Bernd Bässmann von den Malta-Plänen,<br />
verkündeten jedoch: „Die Schiffe werden umbenannt,<br />
bleiben aber vorerst in Estland registriert.“<br />
Vorerst – und dann...?
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Europäischer Gerichtshof legt Hürden für geplante Weser- und Elbvertiefungen hoch<br />
Luxemburger Klatsche<br />
Von Peer Janssen<br />
Die Wasserrahmenrichtlinie der<br />
Europäischen Union (WRRL) steht grundsätzlich<br />
der weiteren Ausbaggerung der Weser<br />
(und der Elbe) entgegen: Zwar hat der Europäische<br />
Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil<br />
Anfang Juli Ausnahmen prinzipiell für zulässig<br />
erklärt, zugleich aber mit seiner Auslegung der<br />
WRRL‐Umweltziele die Hürden dafür sehr hoch<br />
gelegt. Während der klagende BUND<br />
frohlockt, üben sich Politik und Wirtschaft in<br />
verbissenem Zweckoptimismus.<br />
Anfang März 2015s Jahres kam die „MSC Oscar“<br />
nach Bremerhaven – zu jenem Zeitpunkt das größte<br />
Containerschiff der Welt: Mit 395 Metern zwar<br />
nicht das längste Schiff, mit einer Kapazität von<br />
19.224 TEU aber dennoch (vorübergehend) Rekordhalter.<br />
Bremens Wirtschaftssenator Martin Günthner<br />
(SPD) betonte, der Standort Bremerhaven sei „auf<br />
Schiffe dieser Größe gut vorbereitet“, drängelte aber<br />
dennoch auf Vertiefung..<br />
Foto: Hasenpusch Photo Productions<br />
Kurz zur Erinnerung (1): Zum einen soll die<br />
Weser in drei Abschnitten weiter vertieft werden<br />
– die so genannte Außenweser von der<br />
Nordseemündung bis Bremerhaven, ferner die<br />
Unterweser von dort bis Brake sowie in einem<br />
dritten Schritt zwischen Brake und Bremen.<br />
Damit soll der Fluss in abschnittsweise unterschiedlichen<br />
Dimensionen für jeweils noch<br />
größere Schiffe passierbar werden. Auf die<br />
Außenweservertiefung setzt vor allem Bremerhaven<br />
mit seinem Containerterminal, der nach<br />
wie vor von immer größeren Carriern angelaufen<br />
wird, obwohl derselbe Betreiber – Eurogate<br />
– mit überwiegend denselben Reedereien<br />
– Mærsk und MSC – auch am unausgelasteten<br />
JadeWeserPort im benachbarten Wilhelmshaven<br />
avtiv ist. Der Unterweser-Ausbau wird<br />
maßgeblich vorangetrieben von Niedersachsen<br />
im Auftrage des Braker Hafenunternehmers Jan<br />
Müller; die Häfen in der Stadt Bremen sollen<br />
auch profitieren, spielen aber wegen ohnehin<br />
mäßiger Auslastung eine eher untergeordnete<br />
Rolle.<br />
Die Hafenwirtschaft und ihre Wasserträger<br />
in der bremischen und niedersächsischen<br />
Politik bezeichnen die Vorhaben als „existenziell“<br />
und malen für den Fall der Verweigerung<br />
oder auch nur einer andauernden Verzögerung<br />
den Untergang an den Himmel – aber das tun<br />
sie schon seit Beginn der Planungen vor mehr<br />
als 15 Jahren, ohne dass die Geschäfte mehr<br />
als periodisch krisenbedingt leiden. Gegen<br />
die drei Vorhaben zur Weservertiefung, die in<br />
einem Beschluss zusammengefasst worden<br />
sind, protestierte nicht nur der aktuell klagende<br />
Umweltverband BUND, es gab auch erhebliche<br />
Widerstände seitens der Landwirte, von Wassersportlern<br />
und Anliegern (später mehr dazu).<br />
Zum anderen soll die Elbe bis Hamburg ausgebaut<br />
werden, auch hier geht es um Schifffahrts-<br />
und Hafeninteressen (2). Der Plan sieht<br />
aber bekanntlich nicht einfach nur vertiefende<br />
Ausbaggerungen vor; vielmehr sind auch punktuelle<br />
Verbreiterungen des Flusses beziehungsweise<br />
der Fahrrinne beabsichtigt, um den auch<br />
hier immer größeren Containerschiffen den<br />
Begegnungsverkehr zu erleichtern. Auch dieses<br />
Vorhaben war in seiner vieljährigen Planungsphase<br />
von erheblichen Widerständen begleitet,<br />
und zwar vor allem auf niedersächsischer<br />
Seite: Denn Vertiefung wie Verbreiterung hätten<br />
schwerwiegende Folgen unter anderem<br />
für das Strömungsverhalten oder die Deichsicherheit<br />
insbesondere am linken Unterelbufer,<br />
an dem die Fahrrinne dicht vorbei läuft. Letztendlich<br />
wurde aber auch hier nur von Umweltschutzseite<br />
geklagt, und zwar von einer Allianz<br />
aus BUND, NABU und WWF.<br />
Für beide Verfahren ist laut Beschleunigungsgesetz<br />
als einzige Instanz das Bundesverwaltungsgericht<br />
(BVerwG) in Leipzig zuständig.<br />
Dessen Richter hatten zunächst wegen des Weser-Streits<br />
den EuGH angerufen. Während der<br />
noch mit der Prüfung der Sache befasst war,<br />
hatte das BVerwG sich mit der Klage gegen die<br />
Elbvertiefung zu befassen. Leipzig setzte daraufhin<br />
auch dieses Verfahren aus, weil die<br />
Richter davon ausgehen konnten, dass die angefragte<br />
Luxemburger Weser-Entscheidung auf<br />
das zweite Verfahren übertragbar sein würde.<br />
Nun hat der EuGH sein Urteil gesprochen (3),<br />
ist dabei übrigens wie so oft dem Gutachten des<br />
finnischen Generalanwalts Niilo Jääskinen vom<br />
Oktober vergangenen Jahres (4) gefolgt. Manche<br />
Medien sprachen von einer „Klatsche“ für die<br />
Planer. Nun müssen also beide Verfahren separat<br />
in Leipzig weiter verhandelt und entschieden<br />
werden. Das BVerwG ist bei seinen Abwägungen<br />
jetzt an dieses EuGH‐Urteil gebunden, aber<br />
das war ja seitens der Richter auch so gewollt.<br />
Es geht in beiden Verfahren nicht um Fragen<br />
des Bedarfs oder der Notwendigkeit der geplanten<br />
Vorhaben, sondern um die Bewertung der<br />
ökologischen Folgen der geplanten Eingriffe.<br />
Durch die mehrfachen Vertiefungen der Vergangenheit<br />
hat sich die ökologische Situation<br />
von Weser und Elbe immer weiter verschlechtert.<br />
Sowohl für Außen- als auch Unterweser<br />
wäre es jeweils die mittlerweile sechste<br />
Maßnahme (5), für die Unterelbe sogar bereits<br />
die neunte! Fast 80 Prozent der geschützten
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Lebensräume im Fluss- und Uferbereich der<br />
Flachwasserzonen sind an der Weser in den<br />
vergangenen 100 Jahren verloren gegangen.<br />
Der Ausbau der Außenweser bedeutet schwerwiegende<br />
Eingriffe in das Ökosystem Wattenmeer<br />
und dessen angrenzende Nationalparks,<br />
insbesondere des niedersächsischen. Die gravierenden<br />
Umweltschäden würden zu erheblichen<br />
Beeinträchtigungen für Fauna und Flora<br />
auch im Flusssystem führen. Verluste von<br />
Lebensräumen drohen ebenso wie erhöhte<br />
Gefahr für den Küstenschutz etwa durch verstärkten<br />
Tidenhub. An der Unterelbe haben<br />
bisherige Strombaumaßnahmen zu einem<br />
Rückgang der Vorlandflächen um mehr als<br />
70 Prozent geführt. Die Anzahl der Tage mit<br />
Sauerstoffgehalten unterhalb des kritischen<br />
Werts von weniger als drei Milligramm pro Liter<br />
haben seit der jüngsten Elbvertiefung 1999 signifikant<br />
zugenommen. Kam dies früher allenfalls<br />
im Hochsommer gelegentlich vor, sind<br />
inzwischen Sauerstofflöcher bis in den Herbst<br />
hinein zur bedauerlichen Regel geworden.<br />
Seit dem Jahr 2000 hält das europäische<br />
Recht mittels der erwähnten WRRL<br />
gegen die grassierende Beeinträchtigung der<br />
Gewässer (6). Dabei gilt als Grundlage der<br />
WRRL‐Anwendung eine ökologische Qualitätsbewertung<br />
in fünf Güteklassen, die für jedes<br />
Gewässer spezifisch untersucht und abschnittsweise<br />
festgesetzt worden sind. Innerhalb jeder<br />
Klasse sind für die entsprechende Einstufung<br />
zudem etliche separate Qualitätskomponenten<br />
zu berücksichtigen. Die Umweltziele<br />
der WRRL schreiben nun für den Gewässerschutz<br />
im Wesentlichen zwei Aufgaben fest:<br />
Zum einen obliegt Politik und Verwaltung<br />
die Pflicht, eine Verschlechterung des aktuellen<br />
Zustands von Gewässern zu vermeiden<br />
beziehungsweise zu verhindern (Verschlechterungsverbot).<br />
Zum anderen wird aus den Qualitätsbewertungen<br />
die Verpflichtung abgeleitet,<br />
diese Gewässer nicht nur zu schützen, sondern<br />
ihren Zustand bei Bedarf auch zu sanieren<br />
(Verbesserungsgebot).<br />
Die Richtlinie aus dem Jahr 2000 hatte dafür<br />
einen weiten Zeitrahmen gesetzt, nämlich bis<br />
Ende dieses Jahres: Bis dahin sollen die europäischen<br />
Gewässer eigentlich in einem „guten<br />
Zustand“ sein oder dahin zurückversetzt<br />
werden. Fachleute nennen das schon seit langem<br />
unerreichbar, in Deutschland etwa sind die<br />
meisten Gewässer in mäßigem oder gar schlechtem<br />
Zustand – Weser und Elbe zählen dazu.<br />
Aber auch sonst gilt 2015 als eine Zeitmarke, die<br />
in vielen Regionen als unerreichbar angesehen<br />
werden muss – zu viele Administrationen haben<br />
in den vergangenen Jahren die Umsetzung der<br />
WRRL fahrlässig oder vorsätzlich unterlassen.<br />
Manche bauen mehr oder weniger frech auch<br />
auf Fristverlängerung – zweimal je sechs Jahre<br />
sind in der Richtlinie als Option vorgesehen;<br />
„2021“ oder „2027“ sind aber keine „Selbstläufer“,<br />
die Verlängerungen müssen einzeln und<br />
nacheinander beantragt und geprüft werden.<br />
An der Differenzierung nach Qualitätsklassen<br />
und einzelnen Komponenten setzt nun das<br />
EuGH‐Urteil (3) an: Der Luxemburger Gerichtshof<br />
definiert nämlich, eine „Verschlechterung“<br />
liege bereits dann vor, wenn sich „der Zustand<br />
mindestens einer Qualitätskomponente“ verschlechtere,<br />
auch wenn dies nicht zu einer Abstufung<br />
in eine niedrigere Qualitätsklasse führe.<br />
Somit greift das Verschlechterungsverbot bei jeder<br />
einzelnen Komponente. Was diese juristisch<br />
verklausulierte Formulierung konkret bedeutet,<br />
lässt sich etwa so erklären:<br />
Die Planer sowohl der Weser- als auch der<br />
Elbvertiefung haben nie einen Hehl daraus<br />
gemacht, dass die von ihnen vorgeschlagenen<br />
Maßnahmen zu Veränderungen führen<br />
würden beispielsweise im Tidenhub (Wasserstand<br />
zwischen Ebbe und Flut), bei den Strömungsverhältnissen<br />
(reißende Flussmitte und<br />
verschlickende Randbereiche) oder bei der<br />
Durchmischung von Salz-, Brack- und Süßwasser,<br />
deren Veränderung die Grenze der<br />
so genannten „Brackwasserzone“ flussaufwärts<br />
verschiebt und somit in den Unterläufen<br />
bis weit ins Binnenland hinein die „Salinität“<br />
erhöht. Jede einzelne Veränderung hat nicht nur<br />
Folgen für Landwirtschaft, Deich- oder Bodenstabilität,<br />
sondern birgt immer auch Nachteile<br />
für Fauna und Flora. Aber die Planer haben<br />
jeweils vorausgesetzt, dass diese Faktoren in<br />
keinem Falle dazu zwingen würden, den betreffenden<br />
Gewässerabschnitt in eine schlechtere<br />
Qualitätsklasse abwerten zu müssen. Einmal<br />
abgesehen davon, dass die klagenden Umweltschützer<br />
für beide Flussläufe diese Annahmen<br />
immer bezweifelt haben: Der EuGH hat in seinem<br />
Urteil diese aufrechnende Argumentation<br />
ausgehebelt und damit die bereits ähnlich<br />
geäußerten Bedenken des BVerwG bestätigt.<br />
Es war letztlich diese höchstrichterliche Aufwertung<br />
der Einzelkomponenten innerhalb der<br />
Qualitätsklassen-Einordnung, die den Bremer<br />
BUND‐Geschäftsführer Martin Rode von einem<br />
„Meilenstein für den Gewässerschutz in ganz<br />
Europa“ sprechen ließ.<br />
Bleibt die Frage nach den eingangs erwähnten<br />
Ausnahmen, auf die der EuGH wiederholt<br />
verwiesen hat. Hier allerdings offenbart ein<br />
genauer Blick ins Luxemburger Urteil Ernüchterndes<br />
– zumindest für die vertiefungsgierige<br />
Hafenwirtschaft. Es ist ja (nicht nur) aus<br />
der Schifffahrtsdebatte hinlänglich bekannt,<br />
dass die Akteure der maritimen Wirtschaft sich<br />
gerne den Nimbus gesellschaftlicher Wohltäter<br />
zu geben versuchen. Dazu gehört es auch,<br />
dass (nicht nur) Hafenunternehmen ihre monetären<br />
Ambitionen lieber verschweigen oder<br />
kleinreden und gerne betonen, in „überwiegend<br />
öffentlichem Interesse“ zu handeln.<br />
Daraus, so heißt es dann, seien „zwingende<br />
Gründe“ abzuleiten, für Projekte wie Weseroder<br />
Elbvertiefung besagte „Ausnahmen“ zuzulassen.<br />
Also drängelten sich die verschiedenen<br />
Verbände – etwa der „Wirtschaftsverband<br />
Weser“ in Bremen oder an der Elbe der „Unternehmensverband<br />
Hafen Hamburg“ (UVHH)<br />
– unmittelbar nach dem EuGH‐Urteil in die<br />
Medien mit zweckoptimistischem Getute, das<br />
Nicht nur über Siele, vielfach auch durch Rohre werden<br />
Binnendeichsgräben in der Wesermarsch be- und<br />
entwässert: Zulauf bei Flut, Ablauf bei Ebbe (Bild<br />
links). Verändert sich aber die „Salinität“ des Wassers,<br />
hat das Folgen nicht nur für die Viehtränke, sondern<br />
auch für Fauna und Flora wie etwa die Rote-Liste-Art<br />
„Krebsschere“ (Bild rechts), von existenzieller Bedeutung<br />
für die Libellenart „Grüne Mosaikjungfer“.<br />
Fotos (3): Burkhard Ilschner
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Gericht habe solche Ausnahmen ja ausdrücklich<br />
in Aussicht gestellt. Insofern müsse nun das<br />
BVerwG in Leipzig schnell den Weg freimachen<br />
für die Bagger.<br />
Irrtum. Es ist richtig, dass der EuGH seine<br />
Auslegung der WRRL immer mit dem Zusatz<br />
„vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme“<br />
versehen hat. Aber daraus nun den Automatismus<br />
abzuleiten, dass Weser- und Elbvertiefung<br />
solche Ausnahmen zwingend erfordern, zeigt<br />
nur, dass die betreffenden Akteure das Urteil<br />
nicht richtig gelesen haben; böse Zungen könnten<br />
auch behaupten, sie ignorierten seine Aussagen<br />
vorsätzlich, um propagandistischen Druck<br />
zu erzeugen...<br />
Der EuGH hat nämlich klargestellt, dass es bei<br />
den prinzipiell zulässigen Ausnahmen mitnichten<br />
um singuläre Interessen geht, auch wenn<br />
diese als „öffentlich“ verkauft werden. Vielmehr<br />
zielt das Luxemburger Gericht in seiner<br />
Beschreibung möglicher Ausnahmen deutlich<br />
auf den ökologischen Zustand der betreffenden<br />
Gewässer, auf dessen Erhalt beziehungsweise<br />
seine notwendige Verbesserung. Die Richter<br />
verweisen dazu wiederholt auf Artikel 4 Absatz<br />
7 der WRRL – und der knüpft die Gewährung<br />
von Ausnahmen an einen Katalog von vier<br />
Bedingungen, die „alle erfüllt“ sein müssen (6).<br />
Es gehe bei der WRRL nicht um bloße Zielvorgaben<br />
für eine Bewirtschaftungsplanung,<br />
vielmehr entfalte die Richtlinie verbindliche<br />
Wirkung in jedem einzelnen konkreten Vorhaben.<br />
Nur wenn also in vielen Einzelpunkten<br />
– Tidenhub, Brackwasserzone, Baggergutmengen<br />
und anderes mehr – die negativen Folgen<br />
verhindert oder drastisch gemindert würden,<br />
wäre eine Ausnahme denkbar: vermutlich eine<br />
wasserbautechnische Unmöglichkeit. Außerdem<br />
zählt zum Bedingungskatalog auch die Vorschrift<br />
4 (7) d), nach der die Zulässigkeit einer<br />
geforderten Ausnahme auch davon abhängig<br />
wäre, dass die „nutzbringenden Ziele“ der angestrebten<br />
Maßnahme – also beispielsweise ein<br />
wirtschaftlicher Nutzen von Weser- oder Elb-<br />
Vertiefung – „nicht durch andere Mittel, die<br />
eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen,<br />
erreicht werden“ können.<br />
Spätestens hier kommt ein Gutachten<br />
des Berliner Instituts für Ökologische<br />
Wirtschaftsforschung (IÖW) ins Spiel, dass die<br />
Forscher im Auftrage des WWF erstellt haben.<br />
Unter der Überschrift „Versenkte Millionen –<br />
Steuergrab Elbvertiefung“ bilanziert der BUND<br />
auf seiner Webseite (7) diese Studie so: „Ein<br />
Verzicht auf die geplanten Vertiefungen von<br />
Weser und Elbe würde einen Betrag von insgesamt<br />
570 Millionen Euro an Steuergeldern<br />
freisetzen, der dann für dringlichere Infrastrukturprojekte<br />
zur Verfügung stünde.“ Während<br />
allerdings die Umweltverbände daraus unter<br />
anderem die Forderung nach einer übergreifenden<br />
Hafenkooperation – Hamburg, Bremen/<br />
Bremerhaven und Wilhelmshaven – ableiten,<br />
setzte anlässlich des EuGH‐Urteils der hafenpolitische<br />
Sprecher der Hamburger Links-Fraktion,<br />
Norbert Hackbusch, zukunftsträchtig eins<br />
drauf: Er plädierte für eine Häfen-Allianz gegen<br />
den zunehmenden Größenwahn bei den Containerschiffen,<br />
der über die Vertiefungs-Debatte<br />
hinaus „auch immer höhere, unerfüllbare<br />
Ansprüche an die Infrastruktur und die Hinterland-Anbindung“<br />
bedeute. Bravo.<br />
Wobei hinzuzufügen ist, dass die IÖW‐Studie<br />
sich hinsichtlich der Weser auf die Außenweservertiefung<br />
beschränkt, den Unterweserausbau<br />
mit seinen immensen Folgekosten indes<br />
außer Acht lässt: Dort nämlich sehen die Bauern<br />
insbesondere der so genannten Wesermarsch<br />
auf dem linken Flussufer die Be- und<br />
Entwässerung ihrer Weiden gefährdet, wenn<br />
der Fluss zwischen Bremerhaven und Brake<br />
weiter ausgebaggert wird. Es ist unstrittig und<br />
im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss<br />
nachlesbar, dass die geplante Vertiefung das<br />
Fließverhalten und hier insbesondere die<br />
Durchmischung von Salz-, Brack- und Süßwasser<br />
verändert – wie bereits angedeutet, wandert<br />
damit die Grenze der so genannten Brackwasserzone<br />
flussaufwärts. Wenn aber über die<br />
Rohre und Siele vermehrt salzhaltigeres Wasser<br />
in das angeschlossene Grabensystem der<br />
Marschen hinter den Deichen eindringt, werden<br />
dort nicht nur Flora und Fauna geschädigt; es<br />
werden auch angeschlossene technische Einrichtungen<br />
ebenso beeinträchtigt wie die Funktion<br />
der Grabensysteme für Bewässerung und<br />
Viehtränke. Somit wird ein Bewässern der Weiden<br />
wie bisher über Siele und Gräben schwierig<br />
bis unmöglich. Nach heftigen Protesten der<br />
Landwirte kamen die Planer dann zwar auf die<br />
schlaue Idee, den Bauern für rund 50 Millionen<br />
Euro Steuergeld (zusätzlich zu den Kosten<br />
der geplanten Vertiefung) ein komplett neues<br />
Bewässerungssystem zu schenken – die Akzeptanz<br />
des Vorhabens in der Öffentlichkeit hat das<br />
aber nicht erhöht. Insgesamt liegt es nahe, in<br />
einem Verzicht auf die Vertiefung (nicht nur) der<br />
Weser die „wesentlich bessere Umweltoption“<br />
und beträchtliche Kostenersparnis zu sehen.<br />
Zynisch muss man etwa im Falle der Weser<br />
den Planern zugute halten, dass sie sich nachdrücklich<br />
bemüht haben, Folgekosten einzusparen<br />
– indem sie etliche der mehr als 1000<br />
Einwendungen gegen ihren Planfeststellungsbeschluss<br />
als „unbegründet“ vom Tisch gewischt<br />
haben. Und da in vielen dieser Fälle<br />
Einwender auf den Klageweg verzichten mussten,<br />
spielen all diese Bedenken jetzt verfahrenstechnisch<br />
keine Rolle mehr, können also<br />
auch keine weiteren Kosten verursachen: Die<br />
Betroffenen hoffen nun auf einen Erfolg des<br />
BUND – und dies nicht nur aus ökologischen<br />
Gründen. Der Katalog dieser überwiegend unberücksichtigten<br />
Einwendungen ist lang. Zwei<br />
Beispiele seien erwähnt, um zu verdeutlichen,<br />
mit welcher Unverfrorenheit die Planer sich<br />
zum Teil über die Ängste und Sorgen der Anrainer<br />
hinweggesetzt haben – immer die angeblich<br />
im öffentlichen Interesse wohltätige<br />
Hafenwirtschaft im Blick.<br />
So bangen etwa Wassersportvereine an<br />
der Unterweser um ihre Sportboothäfen, die<br />
schon heute nur während weniger Hochwasserstunden<br />
nutzbar sind und zwischendurch<br />
trocken fallen; die Vertiefung des Flusses wird<br />
zu weiterer Verschlickung der Uferzonen führen,<br />
die Nutzbarkeit der Häfen durch längere<br />
Trockenfall-Phasen somit weiter abnehmen.<br />
Die zugleich zunehmende Strömungsgeschwindigkeit<br />
in Flussmitte beziehungsweise Fahrrinne<br />
hat Folgen sowohl für Uferbereiche als<br />
auch für das Tideverhalten. In einer strukturschwachen<br />
Region, in der viele Ortschaften ihre
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Überlebenssorgen unter anderem an den Tourismus<br />
knüpfen, können Hindernisse für Wassersport<br />
oder Bademöglichkeiten katastrophale<br />
Folgen haben.<br />
Eklatanter noch können – ein weiteres Beispiel<br />
– die hydrogeologischen Folgen einer<br />
Unterweservertiefung werden. Der Planfeststellungsbeschluss<br />
hebt unter anderem hervor,<br />
die durch die Vertiefung bedingten Tidehubschwankungen<br />
könnten sich entlang der Unterweser<br />
in Form seitlich gerichteter Druckwellen<br />
noch in Entfernungen von bis zu einigen Kilometern<br />
im Grundwasser ausbreiten. Druckwellen<br />
im Untergrund aber bedeuten erhebliche<br />
Risiken etwa für die Stabilität von Bauwerken<br />
und Immobilien.<br />
Obwohl die von den Planern beauftragten<br />
Gutachter der Bundesanstalt für Wasserbau<br />
(BAW) ihr Urteil nachweislich mit<br />
wissenschaftlich unhaltbaren Modellrechnungen<br />
belegt (8) haben, gilt dieser Aspekt im Planfeststellungsbeschluss<br />
als „unerheblich“. Was<br />
indes derartige Beeinträchtigungen der Bauwerksstabilität<br />
für Folgen haben, kann beidseitig<br />
der Weser angeschaut werden: In der Stadt<br />
Brake gibt es in Flussnähe jede Menge Häuser<br />
mit starken Rissen und teilweise krude anmutenden<br />
Abstützungen – nach Angaben betroffener<br />
Bewohner Folgen früherer Vertiefungen.<br />
Auch gegenüber, auf dem rechten Weserufer,<br />
wissen Anwohner zu berichten, dass bei einigen<br />
Häusern Anfang der 1980er Jahre bis dato nicht<br />
vorhandene Setzrisse aufgetreten sind: Die<br />
Baggerarbeiten der jüngsten Weservertiefung<br />
waren kurz zuvor beendet worden...<br />
Zurück zum weiteren Verfahren: Nach aktuellen<br />
Angaben des BUND Bremen stellt sich<br />
die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV)<br />
auf „umfangreiche Nacharbeiten am Weserverfahren“<br />
ein; mit einem Beschluss eines Änderungsverfahrens<br />
sei „nicht vor Ende 2017 (!)“<br />
zu rechnen – sofern das BVerwG den Planfeststellungsbeschluss<br />
„nur“ als fehlerhaft und<br />
nicht vollziehbar rügen sollte statt ihn ganz aufzuheben.<br />
Hintergrund: Das Leipziger Gericht<br />
hatte die Vertiefung ja nicht nur ausgesetzt<br />
wegen der beim EuGH angefragten WRRL-Auslegung,<br />
sondern auch wegen etlicher weiterer<br />
Mängel des Planfeststellungsbeschlusses (9).<br />
Deshalb müssen die Planer nun „nachsitzen“,<br />
voraussichtlich müssen die dann geänderten<br />
Unterlagen noch einer weiteren Öffentlichkeitsbeteiligung<br />
unterzogen werden. Zudem hat die<br />
BVerwG-Kritik, dass für „die Weservertiefung“<br />
trotz dreier Abschnitte ein Beschluss gefertigt<br />
worden sei statt jede Etappe einzeln abzuarbeiten,<br />
nicht nur juristische, sondern auch politische<br />
Folgen: Denn dieses Zusammenwürfeln<br />
war der Versuch Bremens, den Niedersachsen<br />
ihre Bedenken gegen die Außenweservertiefung<br />
„abzukaufen“ mit dem Unterweserausbau.<br />
Sportboothafen an der Unterweser: Nur wenige Stunden pro Tag können die Mitglieder in Folge der<br />
Verschlickung auf den Fluss hinausfahren (oder zurückkehren) – dafür haben schon die bisherigen<br />
Weservertiefungen gesorgt: Vor wenigen Jahrzehnten noch war dieser Hafen (Sandstedt) für kleinere<br />
Binnenschiffe erreichbar.<br />
Werden die drei Vertiefungen jedoch aufgesplittet,<br />
ist das aus verschiedenen Gründen<br />
Sprengstoff für diese Allianz.<br />
Insgesamt gilt schon heute als gesichert,<br />
dass in diesem Jahrzehnt keine Vertiefung mehr<br />
zu erwarten ist. Der mittlerweile auf den Boden<br />
der Realität zurückgekehrte „Wirtschaftsverband<br />
Weser“ (siehe oben) lamentierte bereits,<br />
„wesentlich vor 2022“ werde man keine Baggerung<br />
anfangen dürfen (10). Die Hamburger<br />
schweben da vergleichsweise noch einige Meter<br />
über der Wirklichkeit und gehen bislang<br />
von „einem Beschluss über die Elbvertiefung<br />
frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2016“<br />
aus (11).<br />
Da aber bekanntlich fast jedes Lärmen<br />
eines Lobbyisten – zumal eines vorgeblich „in<br />
öffentlichem Interesse“ handelnden – in einer<br />
überwiegend unkritischen Medienlandschaft<br />
umgehend aufgegriffen wird, sah sich beispielsweise<br />
die Bremer Tageszeitung „Weser-Kurier“<br />
zu der Forderung verpflichtet, es sei „zwingend<br />
notwendig, die Planungs- und Genehmigungsverfahren<br />
zu entstauben“ (10). Das ist unverfroren.<br />
Die Rede ist von einem Verfahren, das eine<br />
Wirtschafts-Politik-Verwaltungs-Lobby losgetreten<br />
hat in der festen Überzeugung, dass allgemeine<br />
Vorschriften für sie und ihr Handeln<br />
nicht gelten. Warnungen missachtet, Experten<br />
ignoriert, Nachbesserungen halbherzig vorgenommen<br />
– der Beschluss des BVerwG war eine<br />
schallende Ohrfeige für behördliche Schlamperei<br />
und politische Arroganz. Der freche Zeitungskommentar<br />
besagt demgegenüber: Planer<br />
haben in einem Planverfahren Fehler gemacht,<br />
also muss das Verfahren geändert werden,<br />
damit künftiges Fehlverhalten von Planern nicht<br />
mehr so dumm auffällt. Ja, geht´s noch?<br />
Oben war die Rede von der IÖW-Studie (7),<br />
nach der ein Verzicht auf die Vertiefungen<br />
570 Millionen Euro „freisetzen“ könne – das<br />
Gutachten weist aber darauf hin, dass die Kosten<br />
(ohne Unterweser, Anm. d. Red.) tatsächlich<br />
knapp 720 Millionen Euro betragen: Die Differenz<br />
ist bereits ausgegeben – für Maßnahmen,<br />
deren Umsetzung mehr als fraglich ist. Wie<br />
wäre es denn damit: Planer in der Verwaltung<br />
und ihre Auftraggeber aus Wirtschaft und Politik<br />
werden künftig einer persönlichen Haftung<br />
für fehlerhafte Planung unterworfen. Wetten,<br />
dass unter solchen Vorzeichen die Weser- und<br />
Elbvertiefungspläne längst begraben wären? <br />
Anmerkungen:<br />
1. Weservertiefung in der WATERKANT – zuletzt unter<br />
anderem in den Ausgaben 4 / 2014, 3 / 2013, 2 / 2013,<br />
4 / 2011 oder 3 / 2011. Details siehe Webseite.<br />
2. Elbvertiefung in der WATERKANT – zuletzt unter<br />
anderem in den Ausgaben 2 / 2014, 2 / 2013, 4 / 2012,<br />
2 / 2012 oder 2 / 2009. Details siehe Webseite.<br />
3. EuGH: Aktenzeichen C-461/13, Urteil – http://kurzlink.<br />
de/c461-13-urteil<br />
4. EuGH: Aktenzeichen C-461/13, Schlussantrag – http://<br />
kurzlink.de/c461-13-antrag<br />
5. laut BUND Bremen; http://kurzlink.de/bund-tabelle<br />
6. EU-WRRL, Richtlinie 2000/60, Wortlaut unter http://<br />
kurzlink.de/wortlaut-wrrl<br />
7. BUND Niedersachsen: „Versenkte Millionen“ – http://<br />
kurzlink.de/millionengrab<br />
8. WATERKANT, Jg. 22, Heft 1 (März 2007), Seite 8<br />
9. Aktenzeichen BVerwG 7 A 20.11; Wortlaut http://kurzlink.de/bverwg-weser-2013<br />
10. „Weser-Kurier“ vom 13. Juli 2015<br />
11. http://kurzlink.de/ha-spaeter; http://www.hamburgfuer-die-elbe.de/?p=7597
otwendig: Dialogforum<br />
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Dokumentation: Minderheitenvotum von „Rettet die Elbe“ e V im „Dialogforum Tideelbe“<br />
Wer sich selbst eine Grube gräbt<br />
Von Herbert Nix*<br />
Es ist bekannt, dass Hamburgs Schifffahrts- und<br />
Hafenprobleme nicht beseitigt sein werden,<br />
sollte die umstrittene neunte Elbvertiefung<br />
(siehe vorigen Bericht) genehmigt werden<br />
In Kenntnis dessen hatten die Hamburg Port<br />
Authority (HPA) und die Wasserstraßenverwaltung<br />
(WSV) mehr als 40 Interessenvertreter<br />
Ende 2013 zu einem Dialog eingeladen Im Juli<br />
dieses Jahres ist dieser Dialog abgeschlossen<br />
worden – mit widersprüchlichem Ergebnis<br />
Um die letzte planfestgestellte Fahrrinnentiefe<br />
von 16,70 Metern unter Normalnull (-NN)<br />
aufrecht erhalten zu können, müssen jährlich<br />
etwa sechs Millionen Kubikmeter Sediment<br />
ausgebaggert und in Nordsee und Unterelbe<br />
verklappt oder an Land deponiert werden.<br />
Das Dialogforum Tideelbe – offiziell: „Forum<br />
Strombau- und Sedimentmanagement Tideelbe“<br />
(nachfolgend kurz „Forum“) verfolgte<br />
das Ziel, das bestehende Strombau- und Sediment-Management<br />
für die tideabhängige<br />
Unterelbe gemeinsam weiterzuentwickeln, um<br />
den künftigen Anfall von Baggergut zu reduzieren.<br />
Nach anderthalb Jahren wurde im Juli<br />
der Ergebnisbericht verabschiedet und veröffentlicht<br />
(1). Der Hamburger Förderkreis „Rettet<br />
die Elbe“ e. V. (RdE) hat an diesem Dialog<br />
teilgenommen und abschließend ein Minderheitenvotum<br />
verfasst. Weil die Organisatoren<br />
des Dialogs, HPA und WSV, eine Veröffentlichung<br />
im Ergebnisbericht ablehnten – die<br />
RdE-Kritik wurde stattdessen nur satzweise<br />
aufgenommen –, soll dieses Votum hier dokumentiert<br />
werden:<br />
„In der gemeinsamen Erklärung (2008) der<br />
Länder Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen,<br />
HPA und WSV wurde unter anderem<br />
folgendes vereinbart: Hamburg wird die<br />
Verbringung von Sedimenten in die Nordsee<br />
schnellstmöglich beenden (2). Im Dialogprozess<br />
wurde die Verbringung von Sedimenten in<br />
die Nordsee und im Gebiet der AWZ diskutiert<br />
und im Ergebnisbericht heißt es dazu: ‚Aus diesem<br />
Grund darf die Verbringung in der Nordsee<br />
nicht von vorneherein ausgeschlossen werden‘.<br />
RdE hat sich grundsätzlich gegen eine<br />
Verklappung bei Tonne 3 und anderen Gebieten<br />
in der Nordsee aus ökologischen Gründen<br />
ausgesprochen.<br />
Grundsätzliches<br />
Im ‚Konzept für eine nachhaltige Entwicklung<br />
der Tideelbe‘ (3) wurden folgende Eckpfeiler<br />
eines zukünftigen Aktionsplans postuliert: (...)<br />
1. Dämpfung der einschwingenden Tideenergie<br />
durch strombauliche Maßnahmen insbesondere<br />
im Mündungstrichter,<br />
2. Schaffung von Flutraum im Bereich zwischen<br />
Glückstadt und Geesthacht,<br />
3. Optimierung des Sedimentmanagements<br />
unter Berücksichtigung des Gesamtsystems der<br />
Elbe.<br />
Ohne entsprechende Maßnahmen wird das System<br />
Tideelbe zunehmend verlanden, wodurch<br />
neben den ökologischen Nachteilen auch eine<br />
Unterhaltung des Gewässers und des Hamburger<br />
Hafens immer aufwendiger würde.<br />
Von den drei ‚Eckpfeilern‘ eines Tideelbemanagements<br />
werden die Maßnahmen im Mündungsbereich<br />
(Inseln) von uns abgelehnt, und<br />
was unter ‚Optimierung des Sedimentmanagements‘<br />
zu verstehen ist, beobachten wir skeptisch.<br />
Im Prinzip einverstanden sind wir mit dem<br />
Eckpfeiler ‚Schaffung von Flutraum im Bereich<br />
zwischen Glückstadt und Geesthacht‘.<br />
Über diesen Eckpfeiler sind sich vermutlich<br />
alle im Prinzip einig. Jeder weiß aber, wie<br />
schwierig es ist, den Raum zwischen den Deichen<br />
zu erweitern. Unterhalb des Wehrs Geesthacht<br />
droht eine faktische Rückdeichung an den<br />
Bedenken der Anwohner zu scheitern, und für<br />
die Rückdeichung der Haseldorfer Marsch zum<br />
Ausgleich der Airbus-Erweiterung wurde ein<br />
so hochwertiges Biotop binnendeichs benannt,<br />
dass ein Gericht den Plan stoppen musste. Auf<br />
das Ansinnen, Wiese oder Acker oder Haus oder<br />
Hof zu verkaufen, wird jeder private Eigentümer<br />
entgegnen, der Staat Hamburg möge doch bei<br />
sich selbst anfangen. RdE schlägt vor, die Alte<br />
Süderelbe weitgehend in ihrem alten Verlauf<br />
zu öffnen, und zwar auf Grund und Boden, der<br />
größtenteils der Stadt Hamburg gehört. … (Das<br />
ist) eine politische Entscheidung, zu welchem<br />
Opfer die Wirtschaftsbehörde bereit ist.<br />
Dem ‚Konzept Tideelbe‘ wurde das Forum …<br />
nicht gerecht. Die ‚Steckbriefe‘ und die ‚Bewertungsmatrix‘<br />
decken nur kleine Ausschnitte der<br />
‚Eckpfeiler‘ ab. Die Steckbriefe reduzieren das<br />
Sedimentmanagement auf die Frage, wo man<br />
eine vorgegebene Menge Baggergut verklappen<br />
könne, und die Bewertungsmatrix kopiert<br />
unverbindlich Vorschläge des ‚Integrierten<br />
Bewirtschaftungsplans‘. Die entscheidende<br />
Frage wurde nicht verhandelt: die Baggergutmengen<br />
zu reduzieren!<br />
Bilanz und Analyse<br />
Vorauszusetzen ist eine Mengenbilanzierung<br />
der jetzigen Baggerorte und Klappstellen.<br />
Dies wurde von HPA und WSV nicht geleistet.<br />
Statt die Schwerpunkte von Auflandungen aufzuzeigen<br />
und ihre Ursachen zu analysieren,<br />
erschöpften sich die Behörden darin, der Tidepumpe<br />
und niedrigen Oberwasserabflüssen die<br />
Schuld zuzuweisen.<br />
RdE hat aus den Umlagerungsberichten<br />
2002-13 und den Berichten zum Sedimentfang<br />
Wedel eine Bilanz der Baggermengen im Hamburger<br />
Raum erstellt (4). Aus ihr ergeben sich<br />
Schwerpunkte der Baggerei bzw. der vorangegangenen<br />
Auflandungen. Für jede Auflandung
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kann eine individuelle Entstehungsgeschichte<br />
angenommen werden. Denn wären Tidepumpe<br />
und Oberwasserabfluss eine dominierende<br />
Ursache, würde der Hafen gleichmäßig mit<br />
einer uniformen Sedimentmischung eingedeckt.<br />
Der Sedimentfang Wedel, obwohl unterhalb<br />
der Delegationsstrecke, wird dem Hamburger<br />
Bereich zugeordnet, weil er von HPA angelegt<br />
wurde.<br />
Dass die Tidepumpe seit der Elbvertiefung<br />
1999 verstärkt Sediment stromauf transportiert,<br />
wird im Prinzip anerkannt, umstritten ist nur<br />
das Gewicht, das man ihr beimisst. Will man die<br />
Baggermengen reduzieren, muss man die Tidepumpe<br />
drosseln. Das ‚Strombau- und Sedimentmanagementkonzept<br />
Tideelbe‘ von HPA und<br />
WSV (5) führt unter Maßnahmen zur Reduzierung<br />
der Baggermengen auf:<br />
‚Mit strombaulichen Maßnahmen zur Beeinflussung<br />
der Hydrodynamik soll die Tidecharakteristik<br />
verändert werden. Bezogen auf die<br />
Feststoffe ist eine Verringerung des Tidal Pumping<br />
und damit des Stromauftransports von<br />
Sediment das Ziel. Aufgrund der Größe und<br />
Komplexität der erforderlichen Maßnahmen<br />
sind diese sorgfältig und umfassend zu planen.<br />
Sie sollen im Laufe der nächsten Jahrzehnte<br />
nachhaltig greifen.‘ Weder die Steckbriefe noch<br />
die Bewertungsmatrix liefern Vorschläge, wie<br />
diese Erkenntnis konkret umzusetzen wäre.<br />
Als zweiten Schritt müsste man die erkannten<br />
Baggerschwerpunkte entschärfen. Der Hafen<br />
Hamburg ist wahrhaftig nicht baggerfreundlich<br />
gebaut. Zur Sedimentationsverminderung<br />
heisst es:<br />
‚Durch örtlich begrenzte Einschnürungen,<br />
Umlenkwände o. ä. können Sedimentationsschwerpunkte<br />
vermindert oder sogar aufgelöst<br />
werden. Hydraulisch kommt es dabei zu einer<br />
Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit oder<br />
Veränderung der Strömungsrichtung, so dass<br />
die Feststoffteilchen sich nicht absetzen können.<br />
Beispiele dafür sind die Strömungsumlenkwand<br />
im Finkenwerder Vorhafen oder die<br />
Unterwasserablagerungsfläche Krautsand, bei<br />
der mit Einbau von etwa 4,6 Millionen Kubikmeter<br />
Sediment die Strömungsgeschwindigkeit<br />
in der Fahrrinne deutlich erhöht und der bisherige<br />
Baggerschwerpunkt eliminiert wurde.‘<br />
Weder die Steckbriefe noch die Bewertungsmatrix<br />
liefern Vorschläge, wie diese Erkenntnis<br />
konkret umzusetzen wäre. Gänzlich ignoriert<br />
werden … Aspekte wie die Vergrößerung der<br />
erodierbaren Sandfläche im Fahrrinnentrog seit<br />
der letzten Elbvertiefung.<br />
Als letzten Schritt, nachdem die Baggermengen<br />
minimiert wurden, kann man die Systemstudie<br />
‚Sedimentmanagement Tideelbe<br />
– Strategien und Potenziale‘ der Bundesanstalt<br />
für Gewässerkunde (BfG) zu Rate ziehen (6), die<br />
Bei Redaktionsschluss war die „MSC Zoe“ das größte Containerschiff der Welt: Wie lange der Rekord gehalten<br />
wird, ist offen. Anfang August war die „MSC Zoe“ in Hamburg – und ihr Wendemanöver vor dem Eurogate-<br />
Terminal zeigte einmal mehr, dass Hamburgs Schifffahrts- und Hafenprobleme auch mit der umstrittenen<br />
neunten Elbvertiefung nicht beseitigt sein werden, denn das Gigantismus-Wettrennen geht weiter...<br />
Foto: Hasenpusch Photo Productions<br />
die ökologischen Auswirkungen der Unterbringung<br />
von Feinmaterial an verschiedenen Verbringungsorten<br />
in der Unterelbe betrachtet:<br />
‚Im Ergebnis wurde eine adaptive und flexible<br />
Strategie für das Feinmaterialmanagement<br />
der gesamten Tideelbe (WSV und HPA)<br />
vorgeschlagen, um das Ziel einer wirtschaftlichen<br />
Baggergutunterbringung unter Minimierung<br />
negativer Auswirkungen für Natur und<br />
Umwelt zu erreichen.‘ Dass WSV und HPA das<br />
Ziel einer wirtschaftlichen Baggergutunterbringung<br />
verfolgen, ist verständlich, mit dieser Strategie<br />
werden aber die selbst gesetzten Ziele zur<br />
Reduzierung der Baggergutmengen ignoriert.<br />
Steckbriefe und Bewertungsmatrix belegen,<br />
dass die Diskussion in den Foren zum Sedimentmanagement<br />
noch hinter den Stand des Tideelbekonzepts<br />
zurückgefallen ist, das selbst nur als<br />
Notprogramm unter dem Druck explodierender<br />
Baggermengen entstanden ist. Auf Dauer kann<br />
der Hafen nur bestehen, wenn die Baggermengen<br />
signifikant reduziert werden.<br />
Oberwasserabfluss und Baggermengen<br />
Hierzu hat nicht nur RdE vorgetragen, dass<br />
der Sedimenthaushalt nicht ausschließlich<br />
vom Oberwasserabfluss bestimmt wird. Auch<br />
Neville Burt (Technischer Direktor, HR Wallingford<br />
/ UK) hat in seinem Gutachten festgestellt:<br />
‚Im Laufe der Diskussionen habe ich mehr als<br />
10 Faktoren identifiziert, die die anscheinend<br />
vorherrschende Verschlickungsrate beeinflusst<br />
haben könnten. (…) Es gibt .. eine grundlegende<br />
Tendenz zur zunehmenden Verschlickung“ (7).<br />
Wirkung von Sedimentfallen und<br />
Sedimentrinnen<br />
In der ‚Gemeinsamen Erklärung‘ wurde unter<br />
anderem folgendes vereinbart: ‚WSV und HPA<br />
werden geeignete Maßnahmen ergreifen, um<br />
die zu baggernden Sedimentmengen in Hamburg<br />
und im oberen Bereich der Tideelbe so<br />
bald wie möglich zu reduzieren.‘ Mit Sedimentfallen<br />
und Sedimentrinnen ist eine Reduzierung<br />
von Baggergutmengen nicht zu erreichen, sie<br />
eignen sich nur für eine wirtschaftliche Baggerstrategie.<br />
Dass die WSV und HPA das Ziel<br />
einer wirtschaftlichen Baggergutunterbringung<br />
verfolgen, ist verständlich, mit dieser Strategie<br />
werden aber die selbst gesetzten Ziele zur<br />
Reduzierung der Baggergutmengen ignoriert.<br />
Geplante Elbvertiefung<br />
Für ein solides Strombau- und Sedimentkonzept<br />
ist es notwendig die Vergangenheit zu analysieren<br />
und zukünftige Strombaumaßnahmen<br />
wie die geplante Elbvertiefung mit einzubeziehen.<br />
Dies wurde im Dialogprozess nicht zugelassen.“<br />
<br />
Anmerkungen:<br />
* Herbert Nix hat den Förderkreis „Rettet die Elbe“ e. V.<br />
in den Sitzungen des Dialogforums vertreten.<br />
1. http://www.dialogforum-tideelbe.de/7-sitzung<br />
2. http://kurzlink.de/dialogf-01<br />
3. http://kurzlink.de/tideelbe-01<br />
4. http://kurzlink.de/rde-01<br />
5. http://kurzlink.de/wsv-tideelbe-01<br />
6. http://kurzlink.de/bfg-tideelbe-01<br />
7. HR Wallingford ist eine unabhängige englische<br />
Forschungseinrichtung (HR steht für „hydraulics research“);<br />
das Burt-Gutachten ist abrufbar unter http://<br />
kurzlink.de/tideelbe-02
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Der Stand der Dinge bei der Werra-Weser-Versalzung<br />
Hängepartie, vorübergehend...<br />
Von Walter Hölzel*<br />
Die Auseinandersetzung um die Versalzung<br />
von Werra und Weser durch die Abfälle der<br />
Kali-Industrie scheint in der Sommerpause<br />
zum Erliegen gekommen zu sein. Bei näherem<br />
Hinsehen zeigt sich aber, dass sich sowohl für<br />
die K+S AG (1) als Verursacher als auch für die<br />
Umweltminister der Werra-Weser-Anliegerländer<br />
ungelöste Probleme in einem solchen<br />
Ausmaß angesammelt haben, dass ein weiteres<br />
Abwarten kaum möglich zu sein scheint.<br />
Wenn Zwei sich freuen: Hessens Umweltministerin<br />
Priska Hinz (Grüne) und der Vorstandsvorsitzende<br />
der K+S AG, Norbert Steiner, präsentieren im September<br />
2014 ihren „Vierphasenplan“.<br />
Foto: K+S AG<br />
Zu den ungeklärten Problemen gehört einerseits<br />
der immer noch anhängige Versuch des<br />
kanadischen Kaliriesen PCS (Potash Company<br />
of Saskatchewan), die K+S AG aufzukaufen.<br />
Andererseits ist immer noch nicht klar,<br />
wie der „Vierphasenplan“ der K+S AG und der<br />
Bewirtschaftungsplan der grünen Länder-<br />
Umweltminister die Widersprüche zur EU‐Wasserrahmenrichtlinie<br />
(WRRL) und zur aktuellen<br />
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs<br />
(EuGH) aufheben sollen.<br />
Bekanntlich ist seit 2000 die gültige WRRL<br />
in der EU das rechtliche Instrument, um<br />
die Gewässer der Union zu sanieren und zu<br />
schützen: Mit ihren wiederholt erläuterten<br />
Eckpfeilern „Verbesserungsgebot“ und „Verschlechterungsverbot“<br />
(2) verfolgt sie das Ziel,<br />
die Gewässer bis 2015 in einen „guten chemischen<br />
und ökologischen Zustand“ zu bringen;<br />
unter Ausnahmebedingungen können Anrainern<br />
zwei je sechsjährige Fristverlängerungen,<br />
bis 2021 und gegebenenfalls 2027, gewährt<br />
werden.<br />
In der Flussgebietseinheit Weser verhindert<br />
vor allem die Belastung der Flüsse durch<br />
die Abfallsalze der K+S AG das Erreichen der<br />
WRRL‐Ziele: Das Unternehmen hat bis heute<br />
keine Anstrengungen unternommen, diese<br />
Qualitätsziele zu erreichen – und ist von den<br />
hessischen und thüringischen Genehmigungsbehörden<br />
auch nicht dazu verpflichtet worden.<br />
Vielmehr sind von hessischer Seite Erlaubnisse<br />
erteilt worden, die das fristgerechte Erreichen<br />
der Zielvorgaben erschweren oder sogar<br />
unmöglich machen.<br />
Die K+S AG und die hessische Genehmigungsbehörde<br />
haben sich schon 2007 darauf geeinigt,<br />
die ziel- und fristgemäße Umsetzung der WRRL<br />
nicht anzustreben. Leider bietet die Richtlinie<br />
diese Möglichkeit durchaus: Wenn ein Gewässer<br />
grundsätzlich nicht saniert werden kann oder<br />
wenn keine technisch und ökonomisch machbaren<br />
Verfahren hierfür zur Verfügung stehen,<br />
können die Qualitätsziele der WRRL herabgestuft<br />
werden. Die Werra-Weser-Anrainerkonferenz<br />
(WWA) hat aber nachweisen können,<br />
dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen.<br />
Auf Grund ihrer Beschwerde hat die EU‐Kommission<br />
2012 ein Vertragsverletzungsverfahren<br />
gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Dieses<br />
Verfahren steht jetzt kurz vor einer Klage vor<br />
dem EuGH.<br />
Die K+S AG und die grüne hessische Umweltministerin<br />
Priska Hinz haben im Herbst 2014<br />
einen gemeinsamen „Vierphasenplan“ vorgelegt<br />
(3), der eine zielgerechte Umsetzung<br />
der WRRL nicht vorsieht. Vielmehr würden<br />
Werra und Weser demnach noch 2075 massiv<br />
mit den Salzabfällen der Kali-Industrie belastet.<br />
Auch die Ewigkeitslast der Salzhalden soll<br />
nicht beseitigt, vielmehr die Menge der abgelagerten<br />
Salzabfälle verdoppelt werden. Das<br />
bedeutet, dass die Flüsse auf unabsehbare Zeit,<br />
mindestens aber für mehrere hundert Jahre, als<br />
Abwasserkloake für die Rückstände der Kaliproduktion<br />
genutzt würden.<br />
Eine Verringerung der Salzkonzentration<br />
im Flusswasser ergäbe sich laut „Vierphasenplan“<br />
fast ausschließlich durch Streckung der<br />
Salzeinleitung sowie einzelne Betriebsschließungen.<br />
Technische Maßnahmen zur wirkungsvollen<br />
Verringerung des Salzabstoßes sieht der<br />
Plan nicht vor, vielmehr sind seine Vorhaben<br />
(„360-Millionen-Euro-Maßnahmenprogramm“)<br />
so unwirksam, dass das Regierungspräsidium<br />
Kassel für 2018 schon einen Entsorgungsnotstand<br />
für die Werke der K+S Kali GmbH prognostiziert,<br />
weil die Grenzwerte dann nicht mehr<br />
eingehalten werden können. Die WWA bezeichnet<br />
daher diesen Plan als Verschleierung der<br />
Tatsache, dass die bisherige Entsorgungspolitik<br />
der K+S AG fortgeführt werden soll, bis sie sich<br />
wegen Einstellung der Kaliproduktion erübrigt<br />
hat.<br />
Die EU‐Mitgliedsstaaten haben sich verpflichtet,<br />
in Bewirtschaftungsplänen die Umsetzung<br />
der WRRL zu dokumentieren und detailliert<br />
darzulegen, wie die Qualitätsziele der Richtlinie<br />
erreicht werden sollen beziehungsweise warum<br />
sie nicht erreicht werden können. Die Bewirtschaftungspläne<br />
für die Werra-Weser-Region<br />
werden von der Flussgebietsgemeinschaft<br />
Weser (FGG Weser) der sieben Anrainerländer<br />
verfasst und von deren Umweltministern verantwortet.<br />
Für den Planzeitraum 2015‐21 hat
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die Bundesrepublik die Abgabefrist bereits verpasst,<br />
weil die Unterliegerländer Niedersachsen<br />
und Nordrhein-Westfalen nicht mit dem „Vierphasenplan“<br />
einverstanden waren. Erst im April<br />
dieses Jahres wurde ein Entwurf vorgelegt, der<br />
sich bis Ende September in der Offenlegungsphase<br />
befand. Auch dieser Bewirtschaftungsplan<br />
sieht aber nicht vor, die WRRL zielkonform<br />
umzusetzen: Auch er ignoriert, dass eine Minderung<br />
der Umweltziele keine Grundlage hätte,<br />
und ist daher schon vor Inkrafttreten als rechtswidrig<br />
anzusehen.<br />
Darüberhinaus hat die FGG Weser in keinem<br />
Einzelfall nachgewiesen, wie die Ziele<br />
dieses Bewirtschaftungsplans mit den benannten<br />
Maßnahmen erreicht werden können. Das<br />
bedeutet, dass seine Ziele der Kali-Industrie<br />
nicht verbindlich vorgegeben werden<br />
können, somit verfehlt er jede Wirkung. Es<br />
ist nicht anzunehmen, dass dieser Plan für<br />
2015‐21 der EU‐Kommission genügen wird, um<br />
einer Aussetzung der Umsetzungsfristen und<br />
einer Minderung der Umweltziele der WRRL<br />
zuzustimmen.<br />
Der „Vierphasenplan“ ließe sich nur umsetzen,<br />
wenn die von der K+S AG beantragte Fortführung<br />
der Laugenverpressung, die weitere<br />
Aufhaldung von Salzrückständen, die Einleitung<br />
von Abwässern in die Werra sowie die Schaffung<br />
einer weiteren Verklappungsstelle an der<br />
Oberweser (mittels so genannter „Oberweserpipeline“)<br />
genehmigt werden könnten. Das<br />
erscheint nach Stand der Dinge unwahrscheinlich.<br />
Die ebenfalls umstrittene Option einer<br />
„Nordseepipeline“ zur Einleitung der Abwässer<br />
in Jade und Nordsee ist nicht Teil des K+S‐Hessen-Plans<br />
und somit vorerst vom Tisch.<br />
Besonders kritisch ist die Verpressung der<br />
Abwässer in den Untergrund zu beurteilen. Das<br />
Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie<br />
(HLUG) hat nachgewiesen, dass durch die<br />
Laugenverpressung Grundwasser und Trinkwasser<br />
nachteilig beeinflusst worden sind und<br />
dass der Ausfall von weiteren Trinkwassergewinnungsanlagen<br />
nicht auszuschließen ist. Vor<br />
dem Hintergrund des Wasserhaushaltsgesetzes<br />
wäre die Laugenverpressung als rechtswidrig<br />
einzustufen. Von der K+S AG ist verlangt worden,<br />
die Unbedenklichkeit einer fortgesetzten<br />
Laugenverpressung durch ein so genanntes<br />
kalibriertes Grundwassermodell nachzuweisen.<br />
Das vom Konzern vorgelegte Ergebnis haben die<br />
HLUG‐Experten allerdings als nicht aussagekräftig<br />
beurteilt – sowohl die K+S AG als auch<br />
die hessische Umweltministerin versuchten daraufhin,<br />
die Stellungnahme des HLUG und weiterer<br />
Gutachter geheim zu halten: Die Vorlage<br />
dieser Akten musste erst gerichtlich erzwungen<br />
werden.<br />
Mit seinem Urteil vom 1. Juli dieses Jahres<br />
zur Weservertiefung (2) hat der EuGH derweil<br />
Kali-Abraumhalde des Werks Hattorf an der Werra bei Philippsthal: Der „Vierphasenplan“ sieht nicht vor, die<br />
Ewigkeitslasten dieser Salzhalden zu beenden – im Gegenteil.<br />
Foto: Stephan Gunkel<br />
auch die Handlungsfreiheit sowohl der K+S AG<br />
als Verursacher der Werra-Weser-Versalzung<br />
als auch der hessischen Behörden weiter eingeengt.<br />
Denn die in diesem Urteil enthaltene Auslegung<br />
des Verschlechterungsverbots der WRRL<br />
gilt selbstverständlich nicht nur für Unter- und<br />
Außenweser oder Unterelbe, sondern für alle<br />
der WRRL unterworfenen Gewässer, also auch<br />
für die Werra-Weser-Region. Vom Urteil des<br />
EuGH sind alle bisherigen Entsorgungswege<br />
der Kali‐Industrie im Werrarevier betroffen.<br />
Der chemische Zustand des von der Laugenverpressung<br />
betroffenen Grundwassers ist ohne<br />
Zweifel in die schlechteste Qualitätsstufe einzuordnen.<br />
Das HLUG hat nachgewiesen, dass<br />
jeder weitere Eintrag zu einer Verschlechterung<br />
führt. Eine Fortführung der Laugenverpressung<br />
darf also nicht genehmigt werden.<br />
In das Grundwasser gelangen aber auch Haldenlaugen<br />
von den K+S‐Rückstandshalden.<br />
Vor dem Hintergrund des EuGH‐Urteils ist damit<br />
auch der versatzlose Bergbau mit seinen<br />
Rückstandshalden rechtswidrig. Die EU‐Kommission<br />
hatte bereits im Falle des spanischen<br />
Kaliproduzenten Iberpotash durchgesetzt,<br />
dass keine weitere Aufhaldung erfolgen darf<br />
und die vorhandenen Halden zurück gebaut<br />
werden müssen. Und schließlich: Weil auch<br />
der Zustand der Werra längst der schlechtesten<br />
WRRL‐Qualitätsstufe entspricht, verstößt<br />
die weitere Einleitung der K+S‐Abwässer gegen<br />
das Verschlechterungsverbot und ist somit<br />
europarechtswidrig.<br />
Insgesamt kann festgestellt werden, dass<br />
die K+SAG ihre Entsorgungspolitik unter konsequenter<br />
Missachtung europarechtlicher Vorgaben<br />
längst an die Wand gefahren hat. Mehr<br />
noch: Der Versuch des Konzerns, die Übernahme<br />
mit Hilfe von Aktienkauf durch die<br />
bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau<br />
(KfW) abzublocken, wäre eine Milliardenspritze<br />
des Bundes und damit ein weiteres<br />
Beispiel für missglückte Wirtschaftsförderung.<br />
Der Staat hatte dem Konzern bekanntlich schon<br />
die mitteldeutsche Kali-Industrie geschenkt<br />
und noch Geld dazu bezahlt – ohne jede Verpflichtung,<br />
für Umweltschäden aufzukommen.<br />
Mit derartiger Subventionspolitik wird im Konzerndenken<br />
eine der wichtigsten Voraussetzungen<br />
für wirtschaftlichen Erfolg sabotiert – die<br />
Fähigkeit, sich technisch weiter zu entwickeln.<br />
Seit Jahren versichert die K+S AG, an der Werra<br />
einen Stand der Technik nicht umsetzen zu können,<br />
der außerhalb Deutschlands und sogar in<br />
Schwellenländern längst üblich ist.<br />
Die WWA hatte im November 2014 einen<br />
Drei‐Stufen‐Plan vorgestellt, der nicht nur zeigt,<br />
wie in Werra und Weser die Ziele der WRRL<br />
bis zur letzten Frist im Jahre 2027 erreicht<br />
werden könnten, und der somit konform ist<br />
mit dem aktuellen EuGH-Urteil. Dieser Plan<br />
wäre – unter anderem mit der bereits vorgestellten<br />
K‐UTEC‐Technik – auch international<br />
konkurrenzfähig. Und könnte so eine umweltfreundlicher<br />
arbeitende K+S AG vor Betriebsschließungen<br />
durch einen neuen Eigentümer<br />
schützen... <br />
Anmerkungen:<br />
* Dr. Walter Hölzel ist Stadtrat von Witzenhausen und<br />
Sprecher der „Werra-Weser-Anrainerkonferenz e. V.“<br />
(WWA).<br />
1. Das Kürzel „K+S AG“ ist seit 1999 offizieller Firmenname<br />
des Konzerns, der zuvor unter „Kali + Salz“<br />
bekannt wurde und zu dem heute etliche Teilfirmen<br />
gehören – darunter auch die „K+S Kali GmbH“, die die<br />
hiesigen Bergwerke betreibt.<br />
2. siehe Beitrag in diesem Heft auf Seite 21.<br />
3. WATERKANT hat mehrfach über die Probleme Werra-<br />
Weser-Region berichtet, eine Übersicht bietet die<br />
Suche http://www.waterkant.info/?s=Werra.
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Sandstein-Fracking, toxische Chemikalien und die Gesundheit anderer Leute<br />
Denn sie wissen noch immer nicht, was sie tun!<br />
Von Carin Schomann<br />
Seit 1961 wird aus Niedersachsens Sandstein<br />
Erdgas durch Fracking gewonnen. Die<br />
Auswirkungen der dabei eingesetzten Chemikalien<br />
auf Umwelt und Gesundheit liegen bis<br />
heute im Dunkeln. Eine Messkampagne des<br />
Landesbergamts soll daran offenbar auch nichts<br />
ändern, denn Frac‐Chemikalien gehören explizit<br />
nicht zu den Untersuchungsparametern –<br />
obwohl sich der Verdacht immer mehr erhärtet,<br />
dass auch Fracking in Sandstein-Formationen<br />
toxisch wirkt.<br />
Auch „Unfälle“ wie hier an der Verpress-Bohrung<br />
Wittorf Z1 im Landkreis Rotenburg/Wümme im<br />
Mai 2013 können Boden und Grundwasser mit<br />
toxischen Substanzen kontaminieren.<br />
Foto: Bente Battenbrook<br />
Benzol- und Quecksilberfunde an Betriebsplätzen<br />
der Gas-Industrie und die alarmierend<br />
hohen Krebserkrankungszahlen, die unlängst<br />
bei den Bewohnern der Gasfeld-Region im<br />
Landkreis Rotenburg/Wümme (ROW) bekannt<br />
wurden, bringen zuständige Behörden und<br />
Politik zunehmend in die Bredouille. Eine zentrale<br />
Frage dabei ist die nach den Auswirkungen<br />
der Chemikalien, die beim Fracking im<br />
niedersächsischen Sandstein bis zum Beginn<br />
des „freiwilligen Fracking-Moratoriums“ vor<br />
gut drei Jahren schon eingesetzt wurden. Doch<br />
über Art und Menge dieser Chemikalien hat das<br />
zuständige Landesamt für Bergbau, Energie und<br />
Geologie (LBEG) weiterhin keinen vollständigen<br />
Überblick. Das ergibt sich aus der Antwort<br />
des obersten niedersächsischen Bergmanns<br />
und Wirtschaftsministers Olaf Lies (SPD) auf<br />
eine Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag (1).<br />
Lies: „Eine dezidierte Auflistung sämtlicher Einzelsubstanzen,<br />
die bei insgesamt 326 einzelnen<br />
Frac-Maßnahmen in Niedersachsen in rund fünf<br />
Jahrzehnten verwendet wurden, war angesichts<br />
... des lückenhaften Informationsgehaltes älterer<br />
Aktenbestände bisher nicht möglich.“<br />
Und auch an der umfassenden Bewertung<br />
derjenigen Stoffe, die in den lückenhaften<br />
Aktenbeständen immerhin dokumentiert sind,<br />
scheitern der Minister und seine Fachbehörde.<br />
In der Lies'schen Anwort werden „die im Erdgasfeld<br />
Söhlingen (ROW, d. A.) eingesetzten<br />
Frac‐Chemikalien genauer betrachtet“, die er<br />
einer früheren Antwort der Landesregierung<br />
entnommen hat (2). Darin seien 78 Stoffe aufgeführt,<br />
allerdings mit teilweise so allgemeinen<br />
Stoffnamen, dass sie nicht alle hätten bewertet<br />
werden können.<br />
Prinzipiell kommt die behördliche Auswertung<br />
der Söhlinger „Tabelle des Grauens“ aber<br />
zu einem vergleichbaren Ergebnis wie die frühere<br />
Auswertung (3): Es gibt in Niedersachsen<br />
keinen vollständigen Überblick über bereits<br />
eingesetzte Frac‐Chemikalien. Weil offenbar<br />
unbekannte und eventuell auch unzulässige<br />
Stoffe zum Fracking zugelassen wurden, sind<br />
Verstöße gegen das Chemikalienrecht durch<br />
eine fragwürdige Genehmigungspraxis nicht<br />
ausgeschlossen.<br />
Die zu erwartende Schlussfolgerung, nämlich,<br />
dass die eventuell rechtswidrige Genehmigungspraxis<br />
beendet wird und dass mögliche<br />
Verstöße gegen das Chemikalien- und Wasserrecht<br />
geahndet und in Zukunft unterbunden<br />
werden, ist der Lies'schen Antwort aber nicht<br />
zu entnehmen. Vielmehr bedauert der Frac‐Minister,<br />
„dass die Weiterentwicklung bestehender<br />
Erdgasfelder u. a. aufgrund des seit fast drei<br />
Jahren bestehenden Investitionsstillstandes<br />
bei Frac‐Vorhaben nicht ... stattfinden konnte“.<br />
Mit Unterstützung von Ministerpräsident Stefan<br />
Weil (SPD) und ohne ernstzunehmendes Gegengewicht<br />
von Umweltminister Stefan Wenzel<br />
(Grüne) und der Grünen-Regierungsfraktion<br />
bemüht sich Lies stattdessen, den beklagten<br />
„Investitionsstillstand“ zu beseitigen und so<br />
schnell wie möglich dafür zu sorgen, dass das<br />
umstrittene „Fracking-Erlaubnisgesetz“ in Kraft<br />
tritt (4) – damit es in Niedersachsen endlich<br />
wieder heißt: Bahn frei für Fracking im dichten<br />
Sandstein. Oder, getreu dem Landes-Slogan:<br />
„Immer eine gute Idee: Tight Gas.“<br />
Die Schadstofffunde im niedersächsischen<br />
Gasland und nun auch die bekannt gewordenen<br />
Krebserkrankungen haben den öffentlichen<br />
Druck auf die Behörden weiter erhöht. Das<br />
für die früheren Zulassungen verantwortliche<br />
LBEG will sich jetzt auf einmal „einen Überblick<br />
über die Auswirkungen der Erdgasförderung<br />
während der vergangenen Jahrzehnte“ verschaffen<br />
(5). Die Frage muss erlaubt sein, wieso<br />
das LBEG erst jetzt auf diese Idee kommt.<br />
Im Juli 2015 wurde in Niedersachsen offiziell<br />
eine „Untersuchungskampagne“ gestartet:<br />
Die Böden an 192 von insgesamt mehr als<br />
400 aktiven Gas-Bohrungen sowie acht „Versenkbohrungen“,<br />
in denen toxische Abwässer<br />
aus der Gasförderung verklappt werden, sollen<br />
untersucht werden. Grund- beziehungsweise
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Die Tabelle listet die Verteilung der Umwelt- und<br />
Gesundheitsgefahren der identifizierten Stoffe aus<br />
Behördensicht auf und vergleicht sie mit dem Ergebnis<br />
einer früheren Analyse (3). Woraus sich die teilweise<br />
erheblichen Diskrepanzen ergeben, wird erst noch zu<br />
klären sein.<br />
Oberflächenwasser bleiben hierbei außen<br />
vor. Das LBEG zieht mit einem Messkanon ins<br />
Feld, der ausschließlich natürlich vorkommende<br />
Schadstoffe als Untersuchungsparameter<br />
umfasst.<br />
Das mögliche Auftreten toxischer Frac‐Chemikalien<br />
beziehungsweise ihrer toxischen Abbauprodukte<br />
wird vom LBEG nicht abgeklärt. Dabei<br />
wird immer deutlicher, dass Erdgas-Fracking<br />
zu einer Kontamination von Boden, Wasser<br />
und Luft mit toxischen Stoffen führt. Die Entwicklungen<br />
in den Frac‐Gebieten der USA bringen<br />
zunehmend Forschungsergebnisse hervor,<br />
die eines mit Sicherheit nicht leisten können:<br />
Sie vermögen nicht zu belegen, dass Fracking<br />
umwelt- und gesundheitsverträglich durchgeführt<br />
werden kann.<br />
Ganz im Gegenteil: Seit einigen Jahren gibt<br />
es einen dramatischen Zuwachs an Publikationen,<br />
die eine Kontamination von Luft, Boden<br />
und Grundwasser mit Schadstoffen aus der<br />
Frac‐Industrie sowie Gesundheitsschäden im<br />
Umfeld von Frac‐Bohrungen beschreiben. Als<br />
Beobachtungsstudien können sie Fracking als<br />
Ursache dieser Schäden zwar nicht direkt nachweisen.<br />
Allerdings veranlassen die Ergebnisse<br />
immer mehr Wissenschaftler, zur Vorsicht gegenüber<br />
dieser gefährlichen Bergbautechnik zu<br />
mahnen. Vier beliebig ausgewählte Publikationen<br />
der vergangenen Wochen geben davon einen<br />
Eindruck:<br />
– Die US‐Bundesumweltbehörde „Environmental<br />
Protection Agency“ (EPA) bestätigt<br />
in einer vorläufigen Version ihrer Studie (6),<br />
dass Fracking Auswirkungen auf das nutzbare<br />
Grundwasser hat; ihr seien hunderte Fälle von<br />
Grundwasserkontaminationen bekannt, die<br />
Auswertung von Gefahrenmerkmalen bekannter,<br />
im Gasfeld Söhlingen eingesetzter Frac-Chemikalien<br />
unmittelbar mit Fracking zusammen hingen.<br />
Die Einarbeitung von annähernd 100.000 Kommentaren,<br />
die Kritiker des Entwurfs abgaben,<br />
dürfte die Aussage der finalen Fassung noch<br />
verschärfen.<br />
– Dass eine Grundwasserkontamination durch<br />
Frac‐Chemikalien immer zu besorgen ist, legt<br />
das Studienergebnis von Zacariah L. Hildenbrand<br />
und Kollegen nahe (7). Die Forscher hatten<br />
Schadstoffe im nutzbaren Grundwasser<br />
über der texanischen Barnett-Schieferformation<br />
nachgewiesen, deren Zusammenhang mit<br />
Frac‐Maßnahmen in der näheren Umgebung<br />
nicht auszuschließen war.<br />
– Die Forscher um den Endokrinologen Christopher<br />
D. Kassotis zeigen auf (8), dass eine<br />
ganze Reihe von Frac‐Chemikalien so genannte<br />
endokrine Disruptoren sind, die anstelle von<br />
Hormonen im menschlichen Körper wirken<br />
und dadurch teilweise schwerste Erkrankungen<br />
wie Krebs und Stoffwechselstörungen hervorrufen<br />
können.<br />
– Weil es weiter an Untersuchungen mangelt,<br />
die das Fracking als Ursache von<br />
Gesundheitsschäden methodisch robust beoder<br />
widerlegen könnten, fordern Madelon<br />
Vergleich zweier Auswertungsergebnisse<br />
LBEG / nds. Landesregierung (1) eigene Auswertung (4)<br />
Anzahl bewerteter Stoffe unbekannt 37<br />
akute gesundheitliche Toxizität 44 25<br />
spezifische Zielorgantoxizität 15 24<br />
kanzerogen 3 7<br />
reproduktionstoxisch 1 4<br />
mutagen 2 1<br />
reizend für Augen und (oder) Haut 51 32<br />
akute Wassertoxizität 3 4<br />
c hronische Wassertoxizität 7 9<br />
L. Finkel und Jake Hays (9) große epidemiologische<br />
Studien. Eine hat die „Marcellus<br />
Shale Initiative“ (10) im US-Bundesstaat<br />
Maryland mit Mitteln der nationalen Gesundheitsbehörde<br />
und mehreren zehntausend<br />
Teilnehmern bereits aufgelegt. Sie<br />
soll den Zusammenhang von Luftschadstoffen<br />
aus der Erdgasförderung und dem<br />
Auftreten von Asthma, anormalem Geburtsgewicht,<br />
Frühgeburten und anderen Auswirkungen<br />
auf die menschliche Gesundheit<br />
untersuchen.<br />
In Niedersachsen hingegen fehlt eine groß<br />
angelegte, epidemiologische Studie, die vor<br />
dem Hintergrund der alarmierenden Krebsraten<br />
gesundheitsschädliche Nebenwirkungen des<br />
Sandstein-Frackings im Lande untersucht, bis<br />
heute. Obwohl niemand die Schadstoffe aus der<br />
Gas‐Produktion als Ursache für die Rotenburger<br />
Krebshäufigkeit ausschließen kann, wollen<br />
Olaf Lies und Stefan Weil und vor allem Bundeswirtschaftsminister<br />
Sigmar Gabriel (SPD)<br />
das Fracking jetzt aber ganz schnell „rechtssicher“<br />
erlauben und so weiterhin Schäden an<br />
Umwelt und Gesundheit vieler riskieren – für<br />
den schnellen Profit einiger weniger. <br />
Anmerkungen:<br />
1. Niedersächsischer Landtag, Drucksache 17/3791 vom 7. Juli 2015; http://kurzlink.de/<br />
LT_Nds_DS_17_3791<br />
2. Niedersächsischer Landtag, Drucksache 16/3591 vom 19. April 2011; http://kurzlink.<br />
de/LtNds_KA_Soehlingen<br />
3. Schomann, Carin: „Die toxische ‚heimische‘ Erdgasförderung“; in: WATERKANT,<br />
Jg. 30, Heft 2 (Juni 2015), S. 29 f.<br />
4. Waldmann, Lenja: „Freie Fahrt fürs Fracking?“; in: WATERKANT, Jg. 30,<br />
Heft 2 (Juni 2015), S. 27 f.<br />
5. LBEG: „Untersuchungen im Umfeld von Erdgasförderplätzen“, August 2015; http://<br />
kurzlink.de/LBEG_Messkampagne<br />
6. EPA: „Assessment of the Potential Impacts of Hydraulic Fracturing for Oil and<br />
Gas on Drinking Water Resources“, Juni 2015; http://kurzlink.de/EPA_2015_fracking<br />
(PDF)<br />
7. Hildenbrand, Zacariah Louis, et al.: „A Comprehensive Analysis of Groundwater<br />
Quality in The Barnett Shale Region“, 26. Juni 2015; http://kurzlink.de/hildenbrandetal<br />
(Zusammenfassung, Studie nicht öffentlich)<br />
8. Kassotis, Christopher D., et al.: „Endocrine-Disrupting Chemicals and Oil and Natural<br />
Gas Operations: Potential Environmental Contamination and Recommendations<br />
to Assess Complex Environmental Mixtures“; 27. August 2015; http://kurzlink.de/<br />
kassotis-et-al<br />
9. Finkel, Madelon L., und Hays, Jake: „Environmental and health impacts of ‘fracking’:<br />
why epidemiological studies are necessary“, 7. August 2015; http://kurzlink.de/<br />
finkel-hays (Zusammenfassung, Studie nicht öffentlich)<br />
10. ohne Autor: „Geisinger Leads Marcellus Shale Initiative – Coalition explores the<br />
potential health effects of natural gas mining in the region“; Winter 2013; http://<br />
kurzlink.de/Marcellus_Shale_Ini
<strong>WAKA15</strong>-2_<strong>EF</strong>.indd 1 19.07.15 17:37<br />
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Register<br />
Immer noch spannend:<br />
Unsere früheren Ausgaben<br />
ISSN 1611-1583<br />
Nr. 2 / 30. Jahrgang<br />
Juni 2015<br />
14.00 €<br />
Umwelt + Mensch + Arbeit in der Nordseeregion<br />
G7-Treffen in Elmau<br />
Meerespolitische Nullnummer<br />
Seite 7<br />
im 30. Jahrgang<br />
Unsere Unsere Themen Themen<br />
www.waterkant.info<br />
WWF-Studie: Der „Wert“ der Ozeane<br />
Was kostet das Meer?<br />
Seite 15<br />
MSRL-Umsetzung – Ausreden und große Lücken Seite 11<br />
Munition – Falsche Vorsorge, teure Nachsorge Seite 25<br />
Fracking – Gesetzes-Hektik und Liste des Grauens Seite 27, 29<br />
Trinkwasser in Gefahr – Die Folgen der Werra-Versalzung Seite 31<br />
25. BSH-Symposium • „Purple Beach“ • Helgolands Zukunftspläne • Seenotretter<br />
Heft 2 / 2015<br />
G 7: Meerespolitische Nullnummer; WWF und der<br />
„Wert“ der Ozeane; MSRL-Umsetzung;<br />
BSH-Symposium; „Purple Beach“; Helgolands Zukunft;<br />
Seenotretter in Not; Munition: Explosiver Spülsand;<br />
Freie Fahrt für Fracking?; Werratal: Trinkwasser in<br />
Gefahr<br />
Heft 1 / 2015<br />
Griechenland und der „Europäische Tag der Meere“;<br />
FAO-Leitlinien zur Kleinfischerei; Ems-Masterplan;<br />
Gülle und Stickstoff-Politik; Meeresschutz-Klage; Helgolands<br />
Kegelrobben; absurde A-20-Planung;<br />
CTH-Erweiterung Hamburg.<br />
Heft 4 / 2014<br />
Munitionsaltlasten, Shrimpszucht, Nicaragua-Kanal,<br />
Weservertiefung, Mikroplastik, Rysumer Nacken, Kaliabwässer,<br />
Milchquote, UN-Meerespolitik.<br />
Heft 3 / 2014<br />
Schwerpunkt 1: Kali/Nordseepipeline/Jadesystem/<br />
Kavernen; Nitratschwemme; Schwerpunkt 2: Flusszerstörung<br />
– Elbe, Weser, Ems; Küstenautobahn; Fehmarnbeltquerung;<br />
Offshore-Ausbau – rettungslos.<br />
Heft 2 / 2014<br />
Schwerpunkt zur Konferenz »Ein anderes Meer ist möglich!«;<br />
Bericht vom EMD 2014; Warum TTIP böse ist;<br />
24. BSH-Symposium; Kavernen-Pannen; K+S-Jade-<br />
Pipeline; Kiter im Wattenmeer; Ems-Sanierung;<br />
Elbvertiefung; Giftmülldeponie Bremerhaven.<br />
Heft 1 / 2014<br />
EMD-Schwerpunkt: Ressourcenjagd, Blaues Wachstum,<br />
Alternativ-Kongress, Frühkapitalismus an der Küste;<br />
Atommüll in Meeren; HELCOM-Chemiewaffen-Report /<br />
Gefährliches Strandgut; Offshore-Windkraft<br />
»Butendiek«; Kali-Nordseepipeline; BAYER<br />
Brunsbüttel (IX).<br />
Heft 4 / 2013<br />
»European Maritime Day«: Lasst es sein!; Maritimer<br />
Aktionsplan; Seerechts-Reform; Schutzgebiets-<br />
Management; Fischereipolitik: Zum Beispiel Mauretanien;<br />
Flucht übers Mittelmeer; Lärmschutz für Ozeane;<br />
Fracking-Debatte; Grundwasserstreit Wacken<br />
(Teil VIII); A-20-Urteil Bad Segeberg.<br />
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Themen älterer Ausgaben können in unserem<br />
Internet-Archiv recherchiert werden:<br />
www.waterkant.info<br />
Einzelheftpreise ab Heft 1 / 2009 siehe Bestellschein, für<br />
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☐ Ich unterstütze das Anliegen und die Arbeit des Projekts WATERKANT und beantrage deshalb eine Fördermitgliedschaft<br />
im Verein »Förderkreis WATERKANT e. V.«. Mein jährlicher Förderbeitrag beträgt ________ Euro (mindestens 50 Euro<br />
plus Summe X). Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt, mein Förderbeitrag ist steuerlich absetzbar. Als Fördermitglied<br />
erhalte ich die Zeitschrift WATERKANT regelmäßig ohne weitere Kosten. Meine Mitgliedschaft läuft unabhängig<br />
vom Eintrittsdatum immer über ein Kalenderjahr. Es verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn es nicht<br />
schriftlich bis zum 30. September eines Jahres gekündigt wird.<br />
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2 10,00 80,00 € 22,00 €<br />
3 9,00 108,00 € 29,00 €<br />
4 8,00 128,00 € 36,00 €<br />
5 8,00 160,00 € 44,00 €<br />
6 8,00 192,00 € 52,00 €<br />
7 7,00 196,00 € 54,50 €<br />
8 7,00 224,00 € 61,50 €<br />
9 7,00 252,00 € 68,50 €<br />
10 6,00 240,00 € 65,50 €<br />
11 6,00 264,00 € 71,50 €<br />
12 6,00 288,00 € 77,50 €<br />
13 6,00 312,00 € 83,50 €<br />
14 6,00 324,00 € 89,50 €<br />
15 3,50 210,00 € 61,00 €<br />
mehr als 15 Hefte auf Anfrage<br />
Abonnement-Auftrag<br />
☐ Ich abonniere die Zeitschrift WATERKANT zu folgenden Konditionen: WATERKANT erscheint viermal jährlich, jeweils<br />
zum Quartalsende. Das Abonnement kostet 50 Euro jährlich einschließlich Porto und Verpackung (dieser Betrag ist<br />
nicht steuerlich absetzbar!). Ein Abonnement läuft immer über vier Ausgaben eines Kalenderjahres, bei Auftrag schon<br />
erschienene Hefte eines Jahrgangs werden nachgeliefert. Es verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn es<br />
nicht schriftlich bis zum 30. September eines Jahres gekündigt wird. Schüler, Studenten, Azubis und Hartz-IV-Empfänger<br />
bekommen gegen Nachweis 50 Prozent Rabatt.<br />
☐ Ich zahle gegen Rechnung.<br />
☐ Ich richte einen Dauerauftrag ein ausführbar bis 28. Februar für das laufende Bezugsjahr (Bankverbindung siehe<br />
Impressum, Seite 2).<br />
Schnupperauftrag<br />
☐ Bitte schicken Sie ein kostenloses Probeheft an folgende Anschrift (ich habe keinen Anspruch auf eine bestimmte<br />
Ausgabe):<br />
Adressänderung<br />
☐ Ich bitte zukünftig um Zustellung an folgende Anschrift:<br />
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Name<br />
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Mir ist bekannt, dass ich diese Bestellung innerhalb von 10 Tagen schriftlich bei folgender Bestell-Adresse widerrufen<br />
kann: Aboverwaltung WATERKANT, Kirchringstraße 2/12, 26736 Krummhörn-Loquard.<br />
Datum<br />
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Bitte ausfüllen, zweifach (!) unterschreiben und faxen an: +49 - (0) 4927-18 79 778 oder per Post schicken.<br />
Bestellungen über das Internet (www.waterkant.info) sind ebenfalls möglich.
BIG Business Crime 3-2014<br />
| 32 | | WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info | Anzeigen<br />
INTERKOMM<br />
Wenn das Gute liegt so nah...<br />
* Gleiche Probleme - Neue Wege - Interkomm<br />
* Die Ernährung wieder in die eigenen Hände nehmen<br />
* Das Interkommseminar<br />
* Altersvorsorge jenseits von Wachstumszwängen<br />
* Kommune als mögliche Zukunftsvision<br />
Ein Schnupperabo 3 Monate frei Haus gibt es für nur<br />
7,50 €!<br />
Endet automatisch und muss nicht gekündigt werden!<br />
Gegen Vorkasse: Schein / Briefmarken / Bankeinzug.<br />
Bestellungen im Internet oder über CONTRASTE e.V., Schönfelderstr. 41A, 34121 Kassel<br />
www.contraste.org<br />
DIE MONATSZEITUNG FÜR SELBSTORGANISATION<br />
WELTFRAUENMARSCH<br />
Bericht vom Start der feministischen Karawane durch Europa.<br />
DIE FREIRAUMTAGE DORTMUND<br />
»Avanti«, die Bewegung für ein soziales Zentrum im Dortmunder<br />
Norden. Mit einer turbulenten Aktionswoche machte sie nun<br />
wieder von sich reden.<br />
WAS MACHT EIGENTLICH...?<br />
»Fans ohne Verein« haben heute einen selbstverwalteten<br />
Fanraum<br />
ERICH MÜHSAM<br />
Erich Mühsam erhoffte sich mit anarchistischen Siedlungsideen<br />
eine Lebensform zu finden.<br />
Kritische Ökologie 81<br />
Der dreckige grüne Marsch - Marokkos umstrittene erneuerbare Energie-Projekte<br />
in der besetzten Westsahara<br />
Vorbestellungen erwünscht unter:<br />
redaktion@kritische-oekologie.de<br />
Kostenbeitrag pro Heft:<br />
7 EUR + Versand<br />
Nähere Informationen:<br />
www.ifak-goettingen.de<br />
Nr. 1/2015 23. Jahrgang Vierteljahreszeitschrift Jahresabo: 30 € Ein Heft: 6,00 € ISSN 1861-6526<br />
Theorie, Praxis und Kritik der kriminellen Ökonomie<br />
Nr. 2/2015 23. Jahrgang Vierteljahreszeitschrift Jahresabo: 30 € Ein Heft: 6,00 € ISSN 1861-6526<br />
Theorie, Praxis und Kritik der kriminellen Ökonomie<br />
33 JAHRE<br />
ALTERNATIVE HAFENRUNDFAHRT<br />
Die etwas andere Hafenrundfahrt<br />
Umweltpolitik in Hamburg • Elbvertiefung<br />
Hafenerweiterung • Gewässerverschmutzung<br />
Termine 2015: Gruppen- und Sonderfahrten ganzjährig auf Anfrage<br />
Regelmäßige Fahrten (Freitag):<br />
April: 3., 17. Mai: 1., 15., 29. Juni: 12., 26. Juli: 10., 24.<br />
August: 7., 21. Sept.: 4., 18. Oktober: 2., 16., 30.<br />
17.00 Uhr Anleger Vorsetzen (am roten Feuerschiff)<br />
EUR 11,00 (ermäßigt 10,00) pro Person.<br />
Förderkreis »Rettet die Elbe« eV<br />
www.rettet-die-elbe.de • foerderkreis@rettet-die-elbe.de Tel. 040/39 30 01<br />
anti<br />
atom<br />
bleibt<br />
aktuell<br />
Es gibt sie noch immer:<br />
die „Zeitung für die sofortige Stilllegung<br />
aller Atomanlagen“<br />
Und das ist gut. Denn<br />
schlechte Zeiten erfordern<br />
gute Zeitung<br />
anti at m aktuell<br />
Tollendorf 9 - 29473 Göhrde<br />
redaktion@anti-atom-aktuell.de<br />
BIG Business Crime 1-2015<br />
BIG Business Crime 2-2015<br />
Erich Schöndorf: Prima Klima in Lima<br />
Philipp Mimkes: Chemische Zeitbomben<br />
Tomasz Konicz: IS – globaler Terrorkonzern<br />
Ecuador: Der Fall Chevron-Texaco<br />
BESTELLUNG:<br />
BCC, Postfach 1575<br />
63465 Maintal<br />
auch über Fax:<br />
06181/47913<br />
oder per E-mail:<br />
hi-waltemate@web.de<br />
www.businesscrime.de<br />
GID-Probeheft jetzt für 5 Euro + Porto!<br />
Gen-ethisches Netzwerk e.V.<br />
Burkhard Ilschner: Korrupte Seefahrt?<br />
Rolf Gössner: Tarnname „Verfassungsschutz“<br />
Christoph Rinneberg: Big Data + Big Business<br />
Peter Menne: Der Fall Fassbinder<br />
Nr. 3/2014 22. Jahrgang Vierteljahreszeitschrift Jahresabo: 30 € Ein Heft: 6,00 € ISSN 1861-6526<br />
Theorie, Praxis und Kritik der kriminellen Ökonomie<br />
Zum 80. Geburtstag von Hans See<br />
Herbert Stelz: TTIP – Diktatur des Kapitals?<br />
Joachim Maiworm: Kriegsrauschen<br />
Heidemarie Heubach: Todsichere Arzteingriffe<br />
Zeitschrift<br />
mit Informationen und Kritik<br />
zu Gentechnik und Biopolitik<br />
GID 231 • Titelthema:<br />
GENDIAGNOSTIK 3.0?<br />
Neue Sequenziertechnologien<br />
030/685 70 73, gen@gen-ethisches-netzwerk.de<br />
www.gen-ethisches-netzwerk.de<br />
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