Nichtigkeit_StGB
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che Eingriffsmaßnahmen gestützt werden können. 126 Ist es auf Grund der Verweisungstechnik<br />
allenfalls Experten möglich, sämtliche Eingriffsvoraussetzungen<br />
mit vertretbarem Aufwand zu erkennen, spricht dies gegen die Beachtung<br />
des Grundsatzes der Klarheit einer Norm. 127<br />
Die strengsten Anforderungen an die Normenklarheit ergeben sich nach<br />
Art. 103 Abs. 2 GG in seiner Ausprägung als besonderes Bestimmtheitsgebot.<br />
Dessen Anwendungsbereich ist auf staatliche Maßnahmen beschränkt, die eine<br />
missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten<br />
darstellen und wegen dieses Verhaltens ein Übel verhängen, das dem Schuldausgleich<br />
dient. 128 Die Bedeutung des Art. 103 Abs. 2 GG erschöpft sich nicht in<br />
dem Verbot der analogen, gewohnheitsrechtlichen und rückwirkenden Strafbegründung.<br />
Art. 103 Abs. 2 GG fordert darüber hinaus auch, dass die Strafbarkeit<br />
”gesetzlich bestimmt“ ist. Der Einzelne soll nicht nur von vornherein wissen<br />
können, was strafrechtlich verboten ist, sondern auch, welche Strafe ihm für<br />
den Fall eines Verstoßes droht. 129 Das in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltene Gebot<br />
der Gesetzesbestimmtheit gilt einmal für den Straftatbestand (nullum crimen<br />
sine lege). Die strafrechtlichen Normen müssen klar das Verbotene vom Erlaubten<br />
abgrenzen. Die Tatbestandsmerkmale sind so konkret zu umschreiben, dass<br />
Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und<br />
sich durch Auslegung ermitteln lassen. 130 Das Gebot der Gesetzesbestimmtheit<br />
gilt ferner für die Strafandrohung (nulla poena sine lege). 131 Das strafrechtliche<br />
Delikt ist schuldhafte Verletzung eines für alle gewährleisteten Rechtsgutes. Gemessen<br />
an der Idee der Gerechtigkeit müssen Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht<br />
aufeinander abgestimmt sein. Beide sind wechselseitig aufeinander bezogen.<br />
Einerseits richtet sich die Strafhöhe nach dem normativ festgelegten Wert<br />
des verletzten Rechtsgutes und der Schuld des Täters. Andererseits lässt sich das<br />
Gewicht einer Straftat, der ihr in der verbindlichen Wertung des Gesetzgebers<br />
beigemessene Unwertgehalt, in aller Regel erst aus der Höhe der angedrohten<br />
Strafe entnehmen. Insofern ist auch die Strafandrohung für die Charakterisierung,<br />
Bewertung und Auslegung des Straftatbestandes von entscheidender Be-<br />
126 BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvF 3/92, Rdnr. 133.<br />
127 BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvF 3/92, Rdnr. 134.<br />
128 BVerfG, Beschluss vom 10. November 1995 – 2 BvR 1236/95, Rdnr. 12; BVerfG, Urteil<br />
vom 5. Februar 2004 – 2 BvR 2029/01, Rdnr. 125; BVerfG, Beschluss vom 28. April 2009 – 1<br />
BvR 224/07, Rdnr. 12.<br />
129 BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1969 – 2 BvL 15/68, Rdnr. 74.<br />
130 BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1969 – 2 BvL 15/68, Rdnr. 75.<br />
131 BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1969 – 2 BvL 15/68, Rdnr. 76; BVerfG, Urteil vom<br />
20. März 2002 – 2 BvR 794/95, Rdnr. 69; BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2004 – 2 BvR<br />
930/04, Rdnr. 22; BVerfG, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 BvR 1378/06, Rdnr. 3; BVerfG,<br />
Beschluss vom 1. September 2008 – 2 BvR 2238/07, Rdnr. 12.<br />
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