Die Gfellers – ein Grossprojekt

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Schweizer Macherinnen WIE SCHAFFT SIE DAS NUR? Maja, 37, und ihre sieben Gfellers: Kinder (v. l.) Tabea, 9, Alina, 8, Lea, 6, Silas, 4, Johanna, 2, Elia, 1, und Gatte Bernhard, 39, vor dem Reihenhaus in Bern, in dem sie leben. Im Sommer kommt schon das nächste Baby. Maja: «Wir hatten uns nie vorgenommen, eine Grossfamilie zu gründen.» Die Gfellers ein Grossprojekt Ein Mami für alle! Sie managt ihre Grossfamilie. Tag für Tag. Alles andere wäre Maja Gfeller aus Bern zu langweilig. Und: Kind Nummer 7 ist bereits unterwegs. VON CHRISTINE ZWYGART (TEXT) UND KARL-HEINZ HUG (FOTOS) Sie ist eine Managerin. Eine Top- Führungskraft. Mit breitem Wissen, Können und Geschick. Ihre Aufgabe: eine achtköpfige Familie managen. Eine Aufgabe, die viel Organisationstalent erfordert. Und Nerven. Denn Elia, 1, macht gerade seine ersten Gehversuche. Johanna, 2, sucht lautstark ihre Puppe. Silas, 4, hat Hunger. Lea, 6, möchte spielen. Alina, 8, ist es langweilig. Und Tabea, 9, hat noch Hausaufgaben zu erledigen. Die Familie ist in der Küche des Reihenhäuschens am Rande von Bern versammelt, der Lärmpegel ist hoch. Und mittendrin Mutter Maja Gfeller, 37, die Ruhe selbst. Sie hält ein Auge auf den Kleinsten, sucht nach etwas Essbarem, fahndet nach vermissten Spielsachen, ermuntert zum Aufgabenmachen, gibt Ideen gegen die Langeweile. Und so ganz nebenbei macht sie sich noch einen Tee. Irgendwie wird man den Verdacht nicht los, dass weniger Trubel sie nur langweilen würde … Oft sind es jedoch vier Hände, die Schuhe anziehen, Sirup machen, Windeln wechseln. «Ich habe einen modernen Mann, der mitanpackt», sagt die sechsfache Mutter. Bernhard Gfeller, 39, ist bei der Post und beginnt seine Arbeit mitten in der Nacht. So ist er mittags daheim «ein Privileg», wie Bernhard findet. Man könne schliesslich nicht eine grosse Familie haben und sich dann keine Zeit für sie nehmen. Maja ist über die Unterstützung froh. Je länger, je mehr. Ab Juli erst recht. Denn dann ist es so weit: Das siebte Kind wird die Familie Gfeller vervollständigen. Sechs, schon bald sieben Kinder. Wieso? Eine Frage, die sich Gfellers so nie gestellt haben. «Ich bin ein Baby-Fan», schwärmt Maja. Und nach jedem Kind fand das Paar, dass die Familie noch nicht komplett sei. Dass noch jemand fehlt. «Jedes Kind ist etwas Besonderes und ein Geschenk Gottes», sagt Bernhard. Gfellers hatten sich nie vorgenommen, eine Grossfamilie zu gründen. Bernhard ist zwar mit fünf Geschwistern aufgewachsen, Maja hingegen hat nur einen Bruder. Seit Oktober 1994 sind Maja und Bernhard verheiratet. Aus zwei Menschen, die sich lieben, sind acht geworden. Sechs Kinder, die oft gleichzeitig etwas wollen. Sechs, die Aufmerksamkeit fordern. Sechs, die aber auch mit anpacken. «Wenn es Rösti gibt, müssen alle helfen, sonst wird das nie was», sagt Maja, und verteilt Rüster und Kartoffeln. Viele kleine Hände greifen zu, die Arbeit geht flott voran. Gfellers sind ein eingespieltes 32 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 33

Schweizer Macherinnen<br />

WIE SCHAFFT SIE DAS<br />

NUR? Maja, 37, und ihre<br />

sieben <strong>Gfellers</strong>: Kinder<br />

(v. l.) Tabea, 9, Alina, 8,<br />

Lea, 6, Silas, 4, Johanna, 2,<br />

Elia, 1, und Gatte Bernhard,<br />

39, vor dem Reihenhaus<br />

in Bern, in dem sie leben.<br />

Im Sommer kommt schon<br />

das nächste Baby.<br />

Maja: «Wir hatten uns nie<br />

vorgenommen, <strong>ein</strong>e<br />

Grossfamilie zu gründen.»<br />

<strong>Die</strong> <strong>Gfellers</strong> <strong>–</strong> <strong>ein</strong> <strong>Grossprojekt</strong><br />

Ein Mami für alle! Sie<br />

managt ihre Grossfamilie.<br />

Tag für Tag. Alles andere wäre<br />

Maja Gfeller aus Bern zu<br />

langweilig. Und: Kind Nummer<br />

7 ist bereits unterwegs.<br />

VON CHRISTINE ZWYGART (TEXT)<br />

UND KARL-HEINZ HUG (FOTOS)<br />

Sie ist <strong>ein</strong>e Managerin. Eine Top-<br />

Führungskraft. Mit breitem Wissen,<br />

Können und Geschick. Ihre Aufgabe:<br />

<strong>ein</strong>e achtköpfige Familie managen.<br />

Eine Aufgabe, die viel Organisationstalent<br />

erfordert. Und Nerven. Denn Elia,<br />

1, macht gerade s<strong>ein</strong>e ersten Gehversuche.<br />

Johanna, 2, sucht lautstark ihre Puppe. Silas,<br />

4, hat Hunger. Lea, 6, möchte spielen.<br />

Alina, 8, ist es langweilig. Und Tabea, 9,<br />

hat noch Hausaufgaben zu erledigen. <strong>Die</strong><br />

Familie ist in der Küche des Reihenhäuschens<br />

am Rande von Bern versammelt,<br />

der Lärmpegel ist hoch. Und mittendrin<br />

Mutter Maja Gfeller, 37, die Ruhe selbst.<br />

Sie hält <strong>ein</strong> Auge auf den Kl<strong>ein</strong>sten, sucht<br />

nach etwas Essbarem, fahndet nach vermissten<br />

Spielsachen, ermuntert zum<br />

Aufgabenmachen, gibt Ideen gegen die<br />

Langeweile. Und so ganz nebenbei macht<br />

sie sich noch <strong>ein</strong>en Tee. Irgendwie wird<br />

man den Verdacht nicht los, dass weniger<br />

Trubel sie nur langweilen würde …<br />

Oft sind es jedoch vier Hände, die<br />

Schuhe anziehen, Sirup machen, Windeln<br />

wechseln. «Ich habe <strong>ein</strong>en modernen<br />

Mann, der mitanpackt», sagt die<br />

sechsfache Mutter. Bernhard Gfeller, 39,<br />

ist bei der Post und beginnt s<strong>ein</strong>e Arbeit<br />

mitten in der Nacht. So ist er mittags daheim<br />

<strong>–</strong> «<strong>ein</strong> Privileg», wie Bernhard findet.<br />

Man könne schliesslich nicht <strong>ein</strong>e<br />

grosse Familie haben und sich dann k<strong>ein</strong>e<br />

Zeit für sie nehmen. Maja ist über die<br />

Unterstützung froh. Je länger, je mehr.<br />

Ab Juli erst recht. Denn dann ist es so<br />

weit: Das siebte Kind wird die Familie<br />

Gfeller vervollständigen.<br />

Sechs, schon bald sieben Kinder. Wieso?<br />

Eine Frage, die sich <strong>Gfellers</strong> so nie gestellt<br />

haben. «Ich bin <strong>ein</strong> Baby-Fan»,<br />

schwärmt Maja. Und nach jedem Kind<br />

fand das Paar, dass die Familie noch nicht<br />

komplett sei. Dass noch jemand fehlt.<br />

«Jedes Kind ist etwas Besonderes und <strong>ein</strong><br />

Geschenk Gottes», sagt Bernhard. <strong>Gfellers</strong><br />

hatten sich nie vorgenommen, <strong>ein</strong>e<br />

Grossfamilie zu gründen. Bernhard ist<br />

zwar mit fünf Geschwistern aufgewachsen,<br />

Maja hingegen hat nur <strong>ein</strong>en Bruder.<br />

Seit Oktober 1994 sind Maja und<br />

Bernhard verheiratet. Aus zwei Menschen,<br />

die sich lieben, sind acht geworden.<br />

Sechs Kinder, die oft gleichzeitig etwas<br />

wollen. Sechs, die Aufmerksamkeit<br />

fordern. Sechs, die aber auch mit anpacken.<br />

«Wenn es Rösti gibt, müssen alle<br />

helfen, sonst wird das nie was», sagt Maja,<br />

und verteilt Rüster und Kartoffeln. Viele<br />

kl<strong>ein</strong>e Hände greifen zu, die Arbeit geht<br />

flott voran. <strong>Gfellers</strong> sind <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>gespieltes<br />

32 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE<br />

SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 33


DIE RUHE SELBST Mag es<br />

auch noch so turbulent zu- und<br />

hergehen <strong>–</strong> wie etwa beim<br />

Kartoffelnschälen für die<br />

Rösti <strong>–</strong>, Maja Gfeller bleibt stets<br />

der Fels in der Brandung.<br />

«<strong>Die</strong> Leute tuscheln und zählen»<br />

Team, dennoch ist das Familienleben <strong>ein</strong>e<br />

Herausforderung. «Wir jammern nicht»,<br />

betont Maja, «aber es ist unrealistisch, so<br />

zu tun, als wäre alles immer <strong>ein</strong>fach.»<br />

Sechs, schon bald sieben Kinder. Was<br />

kostet das? Im Eingang des Häuschens<br />

stehen viele kl<strong>ein</strong>e Schuhe, hängen viele<br />

Jacken in unterschiedlichen Grössen. Jedes<br />

Kind hat s<strong>ein</strong>e Spielsachen, s<strong>ein</strong>e<br />

Wünsche und Träume. Das Budget der<br />

Familie hat kaum Spielraum. «Am Ende<br />

des Monates sind wir meist im Minus»,<br />

erzählt die Mutter. Sie tönt nicht traurig,<br />

sondern hoffnungsvoll. Das Einkommen<br />

der <strong>Gfellers</strong> beträgt 4300<br />

Franken, nach Abzug aller<br />

Fixkosten bleiben zwischen<br />

700 und 800 Franken. «Es ist<br />

immer <strong>ein</strong> Zirkeln», sagt<br />

Maja. Aber es funktioniert.<br />

Dank Aktionen, Secondhandläden<br />

und dem Zustupf,<br />

den sie als Zeitungsverträgerin<br />

verdient. «Mit<br />

diesem Geld können wir<br />

uns manchmal etwas Spezielles<br />

leisten.»<br />

Und es gibt auch kl<strong>ein</strong>e<br />

Wunder. Wie jene Freunde,<br />

die das ganze Jahr über<br />

die schweren Fünfliber aus<br />

dem Portemonnaie nehmen,<br />

um sie dann den <strong>Gfellers</strong> zu schenken.<br />

Oder Unbekannte, die ab und zu 200<br />

Franken in den Briefkasten legen. «So<br />

geht es immer irgendwie», sagt Maja.<br />

Manchmal beschäftige sie die finanzielle<br />

Situation allerdings schon. «So wie jetzt,<br />

wo unsere Waschmaschine langsam den<br />

Geist aufgibt. Und die Dinger sind doch<br />

so unheimlich teuer!»<br />

Sechs, schon bald sieben Kinder. Was<br />

wünscht man sich da? Maja Gfeller<br />

überlegt. «Eine Massage», sagt sie <strong>–</strong> und<br />

lacht. Dann, ernster: «Mehr Akzeptanz,<br />

Toleranz und Anerkennung.» Steigt die<br />

Majas Tages-Marathon<br />

4.30 Uhr Aufstehen, duschen, anziehen.<br />

4.45 Uhr Geschirrspüler ausräumen,<br />

nasse Kleider aus Waschmaschine<br />

nehmen und aufhängen. 5.30 Uhr<br />

Wäsche vom Vortag zusammenlegen, den<br />

Menüplan überlegen, Einkaufsliste<br />

machen. 6.55 Uhr <strong>Die</strong> grösseren<br />

Kinder wecken, Morgenessen vorbereiten,<br />

Znüni parat machen. 7.50 Uhr <strong>Die</strong><br />

Jüngeren aus dem Bett nehmen, Grössere<br />

für Schule und Kindergarten bereit<br />

machen und verabschieden. 8.05 Uhr<br />

<strong>Die</strong> Kl<strong>ein</strong>en füttern, Küche aufräumen,<br />

Boden fegen. 9.20 Uhr Acht Betten<br />

machen, staubsaugen, putzen. 10 Uhr<br />

Kl<strong>ein</strong>e Kinder parat machen, Einkaufen<br />

gehen. 11.30 Uhr Mittagessen kochen.<br />

12.30 Uhr Mit der ganzen Familie<br />

essen, erste Hausaufgaben machen, Post<br />

überfliegen. 14 Uhr Ältere Kinder<br />

gehen wieder zur Schule. 14.15 Uhr<br />

Küche aufräumen, Wäsche waschen und<br />

zusammenlegen, mit den Kl<strong>ein</strong>en spielen.<br />

15.50 Uhr Zvieri machen, Hausarbeiten<br />

erledigen, bei Hausaufgaben helfen.<br />

17.40 Uhr Abendessen vorbereiten,<br />

essen. 19.05 Uhr Alle Kinder gehen<br />

auf ihre Zimmer, Haus aufräumen.<br />

19.20 Uhr <strong>Die</strong> Kl<strong>ein</strong>sten fürs Bett<br />

parat machen, mit den Grossen Schulaufgaben<br />

klären, Grosse ins Bett. 20.15<br />

Uhr Küche aufräumen, <strong>ein</strong> paar ruhige<br />

Minuten mit Bernhard. 21.30 Uhr<br />

Waschmaschine leeren und wieder füllen.<br />

22 Uhr Zu Bett gehen, noch in <strong>ein</strong>em<br />

Buch lesen <strong>–</strong> schlafen.<br />

Familie in den Bus, wird gezählt und getuschelt.<br />

«Wir sind k<strong>ein</strong>e Invasion, und<br />

wir nehmen auch niemandem etwas<br />

weg», sagt die Mama mit Nachdruck.<br />

<strong>Gfellers</strong> liegen dem Staat nicht auf der<br />

Tasche, und sie mögen allen anderen Ferien,<br />

Autos und Freiheit gönnen. «Nicht<br />

alle müssen es gleich machen wie wir.»<br />

<strong>Die</strong> Mutter ist stolz, dass die Lehrer<br />

ihren Kindern Anstand und grosse Selbstständigkeit<br />

attestieren. «Das lernt man in<br />

<strong>ein</strong>er Grossfamilie eben auch.» Maja hat<br />

Verständnis, dass sich im ersten Moment<br />

nicht alle ihre Kinder auf das neue Baby<br />

gefreut haben. «Das heisst halt noch<br />

mehr teilen», sagt sie.<br />

Sie finde es nicht richtig,<br />

dass nur erwerbstätigen<br />

Frauen <strong>ein</strong> Mutterschaftsurlaub<br />

bezahlt wird, sagt<br />

Maja. Und dass öffentliche<br />

Gelder nur in Krippen fliessen.<br />

«Da fühle ich mich vergessen.»<br />

Vielleicht wird sie<br />

später wieder in ihren Beruf<br />

als Fremdsprachensekretärin<br />

zurückkehren. «Viele sagen,<br />

dann sei ich zu lange<br />

weg vom Fenster <strong>–</strong> dabei<br />

manage ich heute doch den<br />

ganzen Tag», sagt sie, die<br />

Top-Organisatorin und Krisenmanagerin.<br />

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