Pfarrbrief06 - Pfingsten 2002 - Kreuz-Koeln-Nord

JUPUS 36
FAMILIENLEBEN
„Ich bin ein geduldiger Mensch“, sagte
Herr Ziegelhahn, „und im allgemeinen
auch tolerant, aber was zu viel ist, ist
zu viel.“
Er sagte es nicht einfach so, sondern
schrie es Jupus ins Ohr, damit der ihn
überhaupt verstehen konnte. Das
ganze Haus war erfüllt von dröhnendem
Lärm, der sich schmerzend auf
die Ohren legte.
„Was ist das?“ schrie Jupus zurück.
„Das ist Kathi“, brüllte Herr Ziegelhahn.
Jupus war erstaunt, dass ein vierzehnjähriges
Mädchen alleine in der
Lage sein sollte, solch einen Lärm zu
machen. Es hörte sich an, wie wenn
zwölf kleinasiatische Großfamilien
gleichzeitig Kindtaufe
feiern. Als Herr Ziegelhahn
dann die ersten feinen
Risse im Putz bemerkte,
kochte ihm die Milch über.
Er stürzte zu Kathis Zimmer,
trommelte mit beiden
Fäusten gegen die Tür
und brüllte: „Stell endlich
das verfluchte Ding ab!“
Kathi steckte den Kopf zur
Tür heraus, und ihrem
Gesicht war abzulesen,
dass sie sich ernsthaft um
das geistige Wohlbefinden
ihres Vaters sorgte.
„Ich mache Hausaufgaben“,
schrie sie, „und ohne
Musik kann ich mich nicht
konzentrieren.“
Sie schrie nicht etwa im Zorn, sondern
weil das bei der Lautstärke ihrer
Stereoanlage die einzige Verständigungsmöglichkeit
war. Bei Herrn
Ziegelhahn aber stand deutlich eine
Zornesader auf der Stirn.
„Musik soll das sein?“ brüllte er,
„Radau ist das, gemeiner, gesundheitsschädigender
Radau!“
Kathi machte ein Zeichen, mit dem
sich früher Autofahrer zu zeigen
pflegten, was sie voneinander hielten,
was inzwischen aber, wegen der
drastisch gestiegenen Gerichtskosten,
in der Öffentlichkeit kaum noch zu
beobachten ist. Jupus war gespannt,
wie der Kampf zwischen Vater und
Tochter ausgehen werde.