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Augsburg

Auf dem Weg zur Wahl des neuen Papstes

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2./3. März 2013 / Nr. 9 unser ALLgäu I<br />

„endlich wieder tanzen“<br />

Ein Modellprojekt in Lindau erfreut Senioren und weckt zauberhafte Erinnerungen<br />

LINDAU – Er hält seine Tanzpartnerin<br />

fest an der Hand. Nicht,<br />

dass sie ihm ein anderer Tänzer<br />

wegschnappt. Richard Wagner<br />

und Anna Hauber drehen sich<br />

im langsamen Walzerrhythmus<br />

zu „Tulpen aus Amsterdam“ über<br />

die Tanzfläche. In der Mitte steht<br />

Martin Schnell und lädt die Tänzer<br />

zu einer musikalischen Weltreise<br />

ein. „Jetzt sind wir in Argentinien“,<br />

sagt er gerade. Also ist Tango<br />

angesagt. Dann geht es für einen<br />

Cha-cha-cha nach Brasilien.<br />

Richard Wagner hat mit Anna Hauber seine Herzdame für die Tanzfläche gefunden.<br />

Fotos: Donner<br />

Schließlich sagt der Tanzlehrer<br />

das eine Wort, das Richard Wagner<br />

nicht hören will: „Partnertausch!“<br />

Jetzt muss er seine Anna abgeben.<br />

Noch zwei Tänze bis zur Pause.<br />

Richard Wagner holt sich seine<br />

Anna wieder und marschiert Hand<br />

in Hand mit ihr zum Kaffeetisch.<br />

Das sind jetzt nicht etwa jugendliche<br />

Eifersüchteleien. Die Tänzerinnen<br />

und Tänzer, die mit verklärtem<br />

Blick über die Tanzfläche der Tanzschule<br />

Schnell schieben, haben eine<br />

Besonderheit: Sie sind alle ziemlich<br />

alt. Und einige von ihnen dement.<br />

Ihre Rollstühle und Rollatoren stehen<br />

unten im Eingangsbereich der<br />

Tanzschule. Diese Tatsachen sagen<br />

alles und nichts. Zum Beispiel nichts<br />

darüber, wie viel Vergnügen die Senioren<br />

haben. Wie viel Lebensfreude<br />

sie versprühen.<br />

Richard Wagner ist beispielsweise<br />

88 Jahre alt, Anna Hauber 93. Sie<br />

leben im Maria-Martha-Stift und<br />

kannten sich bis zu den Tanznachmittagen<br />

nur vom Sehen. Bei der<br />

ersten Tanzveranstaltung von „Wir<br />

tanzen wieder“ haben sie sich näher<br />

kennengelernt. „Ich tanze für mein<br />

Leben gern“, hatte Richard zu Anna<br />

gesagt und sie nicht mehr losgelassen.<br />

Jetzt, beim Kaffeetrinken, erklärt<br />

er ihrer Tochter: „Wenn sie 50<br />

Jahre jünger wäre, würde ich sie glatt<br />

heiraten.“ Was am Tisch natürlich<br />

für Belustigung sorgt.<br />

Schaut man in die Runde, sieht<br />

man, dass sich alle fein gemacht haben.<br />

„Wenn man zum Tanzen geht,<br />

gehört sich das so“, findet der 90-<br />

jährige Erich Weuffen. Die Damen<br />

gehen teilweise extra zum Friseur vor<br />

dem Tanznachmittag, verrät Zenta<br />

Frommholz. Die 92-Jährige erklärt:<br />

„Was meinst du, wie ich früher rumgesaust<br />

bin. Jetzt geht ja nicht mehr<br />

so viel. Aber hierher komme ich sehr<br />

Die Tanzmusik<br />

spricht Gefühle an,<br />

weckt Erinnerungen<br />

und Rhythmusgefühl.<br />

Bei dem monatlichen<br />

Tanztreffen stehen<br />

Spaß und Freude im<br />

Vordergrund. Natürlich<br />

werden Verschnaufpausen<br />

eingelegt, in denen<br />

die Tanzschule Schnell,<br />

die den Nachmittag<br />

kostenfrei anbietet, ein<br />

Getränk spendiert.<br />

gerne.“ Und die 90-jährige Rosalie<br />

Kölzer schwärmt: „Martin Schnell<br />

ist ein wunderbarer Tanzlehrer. Ich<br />

habe früher immer getanzt. Aber<br />

jetzt habe ich kaum noch Möglichkeiten.<br />

Deshalb komme ich immer<br />

wieder her.“ Irmgard Bücher, mit<br />

ihren 73 Jahren eine der Jüngsten,<br />

lobt: „Ja, der Herr Schnell ist unser<br />

bestes Stück. Ich freue mich immer<br />

so sehr auf diesen Donnerstag, weil<br />

ich hier so nette Leute treffe und<br />

weil mir das Tanzen sehr viel Spaß<br />

macht.“ Wer nicht so gut zu Fuß<br />

ist, tanzt einfach sitzend auf einem<br />

Stuhl. Und wer einen Rollator hat,<br />

tauscht diese Gehhilfe gegen einen<br />

standfesten Tanzpartner.<br />

tanzen verlernt man nicht<br />

Das Senioren-Projekt „Endlich<br />

wieder tanzen!“ ist eine karitative<br />

Kooperation des Maria-Martha-<br />

Stifts mit der Tanzschule Schnell.<br />

„Tanzen verlernt man nicht. Wenn<br />

die Leute die Musik hören, kommt<br />

auch bei Demenzkranken die Erinnerung<br />

wieder. Sie tanzen, bewegen<br />

sich mit Freude und atmen viel freier“,<br />

erklärt die Leiterin des Maria-<br />

Martha-Stifts, Anke Franke. „Zu unserer<br />

Tanzveranstaltung dürfen alle<br />

Tänzerinnen und Tänzer kommen.<br />

Auch aus anderen Einrichtungen<br />

der Altenpflege oder von zu Hause.<br />

Und es ist wünschenswert, dass die<br />

Angehörigen dabei bleiben. Hier<br />

können sie mit Vater oder Mutter<br />

schöne und unbelastete Situa tionen<br />

erleben, mit ihnen einen entspannten<br />

und lustigen Nachmittag verbringen.<br />

Wir lachen so viel. Das gibt<br />

den Blick wieder frei und macht so<br />

viel Mut für den Alltag.“<br />

Susi Donner<br />

Information:<br />

Der Tanznachmittag für Senioren und<br />

ihre Angehörigen findet an jedem<br />

letzten Donnerstag im Monat von 14.30<br />

Uhr bis 16 Uhr in der ADTV-Tanzschule<br />

Schnell in Lindau statt. Egal ob man<br />

einen Rollator oder Gehstock benutzt,<br />

die Tanzschule ist fast barrierefrei.

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