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Augsburg

Auf dem Weg zur Wahl des neuen Papstes

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2./3. März 2013 / Nr. 9 dAs uLrICHsbIstum<br />

3D Animation<br />

neue sYnAgoge<br />

Jerusalemfester im südosten<br />

Neubau auf dem Weinhof gibt historischem Platz seine Fassung zurück<br />

Charakteristisch für die neue Ulmer Synagoge ist das südöstlich über Eck Richtung<br />

Israel ausgerichtete Jerusalemfenster.<br />

Fotos (3): Ranft<br />

Im März wird in ganz Deutschland<br />

wieder die Woche der Brüderlichkeit<br />

begangen, in es seit 61<br />

Jahren um den jüdisch-christlichen<br />

Dialog geht. Das man in diesem<br />

Bereich in den vergangenen<br />

Jahren weit gekommen ist, dafür<br />

können die vielen Neubauten von<br />

Synagogen in der Bundesrepublik<br />

ein Indiz sein. Die jüngste, erst im<br />

Dezember eröffnet, steht in Ulm.<br />

Gut 74 Jahre nach der Zerstörung<br />

des jüdischen Betsaals unter dem Nationalsozialismus<br />

ist der Neubau festlich<br />

geweiht worden. „Einen Freudentag<br />

für die jüdische Gemeinde in<br />

Ulm und für die jüdische Gemeinschaft<br />

in ganz Deutschland” nannte<br />

Bundespräsident Joachim Gauck das<br />

Fest zur Eröffnung der für 4,6 Millionen<br />

Euro von der Israelitischen<br />

Religionsgemeinschaft Württemberg<br />

(IRGW) finanzierten neuen Synagoge.<br />

Sie steht nur wenige Schritt neben<br />

dem Standorts des vernichteten Vorgängerbaues<br />

von 1873.<br />

Die früher rund 600 Köpfe starke<br />

israelitische Gemeinschaft in Ulm,<br />

die im nationalsozialistischen Terror<br />

ausgelöscht wurde, zählt heute<br />

wieder rund 450 Mitglieder. „Über<br />

das bisherige Gemeindezentrum, zu<br />

dem auch ein Kindergarten gehört,<br />

ist sie seit langem hinausgewachsen“,<br />

sagt Ulms Rabbiner Shneur<br />

Trebnik. Oberbürgermeister Ivo<br />

Gönner erinnerte daran, „dass der<br />

Ulmer Gemeinderat dieses Projekt<br />

in einzigartiger Einmütigkeit gewollt<br />

und gefördert hat“. Ähnlich auch<br />

IRGW-Vorstandssprecherin Barbara<br />

Traub, die darauf verwies, „wie Ulm<br />

uns mit offenem Herzen begegnete,<br />

als anderenorts vom vollen Boot die<br />

Rede war“.<br />

Der sehr kompakt anmutende<br />

neue Baukörper ordnet sich nach<br />

dem Urteil des Ulmer Baubürgermeisters<br />

ideal in eine hochsensible<br />

Stelle der Stadt ein – den Weinhof,<br />

der als Keimzelle Ulms gilt. Die Jury<br />

zur Auswertung der Architektenentwürfe<br />

hatte schon frühzeitig die<br />

Einfachheit und Schlichtheit des<br />

von der Kölner Architektin Susanne<br />

Gross entworfenen Bauwerks hervorgehoben,<br />

das im Grunde die alte<br />

Synagoge spiegele – ohne deren Ecktürmchen.<br />

Tatsächlich schließt der Neubau<br />

im historischen Stadtkern eine Lücke.<br />

Dominiert wird der Weinhof<br />

vom historischen Schwörhaus, das<br />

als „Haus der Geschichte“ das Stadtarchiv<br />

aufgenommen hat. Auf drei<br />

Seiten säumen den Platz, der vor<br />

1000 Jahren die Ulmer Königspfalz<br />

trug, teils historische, teils Nachkriegsbauten.<br />

Auf seiner Nordseite<br />

allerdings faserte er aus, fehlte ihm<br />

jede greifbare Fassung.<br />

Die verleiht ihm nun der Neubau<br />

der Synagoge – in nahezu dem Vor-<br />

Der Thoraschrein<br />

steht unter dem<br />

Jerusalemfenster. Er<br />

wurde von israelischen<br />

Handwerkern<br />

gefertigt.<br />

Das Jerusalemfenster bei Nacht.<br />

gängerbau identischen Ausmaßen.<br />

Auf fünf Stockwerke sind die Einrichtungen<br />

des Gemeindezentrums<br />

verteilt. Der Zugang zum Betsaal,<br />

der die eigentliche Synagoge bildet,<br />

führt durch ein weitläufiges Foyer.<br />

Dieser südöstlich auf Israel ausgerichtete<br />

zentrale Raum, der vom<br />

großen über Eck gebauten „Jerusalemfenster“<br />

belichtet wird, fasst<br />

85 männliche Besucher. „Weil wir<br />

nach dem orthodoxen Ritus unsere<br />

Gottesdienste feiern,“ erläutert Rabbi<br />

Trebnik, „ist für die Frauen eine<br />

eigene Empore mit 40 Plätzen eingerichtet,<br />

so dass die Männer nicht<br />

abgelenkt werden“. Unter dem Jerusalemfenster<br />

steht der Thoraschrein,<br />

der wie die gesamte Ausstattung von<br />

Handwerkern in Israel gefertigt wurde.<br />

Im Keller unter dem Betsaal liegt<br />

die Mikwe, das Judenbad zur rituellen<br />

Reinigung. Allerdings steht es<br />

nicht, wie es einst vorgeschrieben<br />

war, im Grundwasser. Weil sie aber<br />

nur natürlich vorkommendes Wasser<br />

nutzen darf, wird ihr über ein<br />

kompliziertes Beckensystem Regenwasser<br />

zugeleitet – die größte Herausforderung<br />

für den Bauunternehmer.<br />

Um den korrekten Ausbau des<br />

Bades zu überwachen, waren eigens<br />

Rabbiner mit Spezialwissen aus New<br />

York eingeflogen worden.<br />

Das erste<br />

Obergeschoss beherrscht<br />

auf Höhe<br />

der Frauenempore<br />

der Gemeindesaal,<br />

der auch als<br />

Tanzsaal dient.<br />

„Das gemeinsame<br />

Lebensgefühl gehört<br />

auch in eine<br />

Synagoge“, sagt<br />

Barbara Traub,<br />

„deswegen werden<br />

hier auch Feste<br />

gefeiert, denn<br />

nicht nur das<br />

Jenseits, auch das<br />

Diesseitige gehört<br />

hierher.“ Und sie<br />

erwartet, dass der<br />

Saal auch von anderen<br />

Gruppen in der Stadt genutzt<br />

wird.<br />

Ein weiteres Stockwerk nimmt<br />

Gäste- und Besprechungszimmer<br />

und das Büro des Rabbi auf. Über<br />

allem ist unmittelbar unter dem<br />

Dach der Kindergarten angelegt. Er<br />

besitzt einen Außenbereich unter<br />

freiem Himmel, der den Blick auf<br />

die Spitze des Ulmer Münsterturms<br />

freigibt. „Hier oben unter dem weiten<br />

Sternendach,“ schwärmt Barbara<br />

Traub, „kann im Herbst sogar das<br />

Laubhüttenfest gefeiert werden.“<br />

„Wir, das Judentum, haben hier<br />

eine Zukunft,“ sagt der Vorsitzende<br />

des Zentralrats der Juden in<br />

Deutschland. Die neue Synagoge sei<br />

die steingewordene Vertrauenserklärung<br />

in Liberalität und Toleranz. „In<br />

einer Synagoge geht es um die spirituelle<br />

Dimension des Menschen“,<br />

sagte der Bundespräsident zur Eröffnung<br />

des Betsaals, „ich freue mich,<br />

dass neben dem weltberühmten<br />

Ulmer Münster, jetzt die Synagoge<br />

wiedererstanden ist.“ Gerrit-R. Ranft

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