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Augsburg

Auf dem Weg zur Wahl des neuen Papstes

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meInung 2./3. März 2013 / Nr. 9<br />

Aus meiner sicht ...<br />

Wolfgang ockenfels<br />

Kein Etikettenschwindel<br />

Wolfgang Ockenfels<br />

ist Professor für<br />

Christliche Sozialwissenschaft<br />

an der<br />

Theologischen<br />

Fakultät in Trier.<br />

Leidenschaftlich erörtert wird das Problem<br />

der „Pille danach“, die Frage also, ob sie von<br />

abtreibender Wirkung sei und in katholischen<br />

Krankenhäusern verabreicht werden dürfe.<br />

Diese und andere Fragen sind inzwischen zu<br />

einem Politikum geworden und rühren an<br />

das bisherige Verhältnis zwischen Staat und<br />

Kirche in Deutschland.<br />

Aktualisiert wird diese Debatte durch den<br />

Rücktritt des Papstes, der bei seinem letzten<br />

Deutschlandbesuch von „Entweltlichung“ der<br />

Kirche sprach. Für Benedikt XVI. ist der bisherige<br />

Zustand des Kirche-Staat-Verhältnisses<br />

kein Dogma gewesen – und die mögliche<br />

Neuordnung kein Tabu. Anderes ist auch von<br />

seinem Nachfolger nicht zu erwarten.<br />

Natürlich kommt es darauf an, wie die<br />

Religionsgemeinschaften in Deutschland sich<br />

entwickeln, welche Anforderungen der Staat<br />

an sie stellt – und welche Zumutungen er<br />

für sie bereithält. Schon vor einigen Jahren<br />

kritisierte Kardinal Joachim Meisner einen<br />

Schwund kirchlicher Glaubensubstanz, der<br />

im Widerspruch zur Ausdehnung kirchlicher<br />

Organisationsformen stünde.<br />

Sehr beliebt sind Kindergärten, Schulen<br />

und Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft<br />

auch heute noch. Immerhin entlasten<br />

sie den Staat im subsidiären Sinne. Und gäbe<br />

es nicht die vielen karitativen Einrichtungen<br />

der Kirche, hätte der Staat erhebliche Mehrkosten<br />

zu tragen.<br />

Die Frage ist aber, ob die Kirche bei zunehmender<br />

Entchristlichung der Gesellschaft<br />

überhaupt noch genügend geeignetes Personal<br />

findet, um ihre Einrichtungen glaubwürdig<br />

zu führen. Wer in einem kirchlichen „Tendenzbetrieb“<br />

einen Auftrag zum moralischen<br />

Zeugnis wahrnimmt, muss sich auch an die<br />

entsprechenden Regeln halten. Sollten diese<br />

jedoch den staatlichen Vorschriften widersprechen,<br />

kommt es natürlich zu einem Konfl ikt<br />

zwischen Kirche und Staat, etwa in Sachen<br />

Arbeitsrecht und Gesundheitswesen. Abtreibung<br />

und aktive Euthanasie sind mit der<br />

Kirche nicht zu machen. Denn wo katholisch<br />

draufsteht, muss auch katholisch drin sein.<br />

Alles andere wäre Etikettenschwindel.<br />

matthias schreiber<br />

Und was ist mit uns Protestanten?<br />

Matthias Schreiber ist<br />

promovierter<br />

evangelischer<br />

Theologe und<br />

Gemeindepfarrer. Der<br />

Autor und Publizist<br />

engagiert sich im<br />

Bereich Öffentlichkeit<br />

und Kirchen. Der<br />

gekürzte Beitrag<br />

entstand im Original<br />

für „idea Spektrum.<br />

Nachrichten und<br />

Meinungen aus der<br />

evangelischen Welt“.<br />

Natürlich haben auch wir Protestanten dem<br />

scheidenden Papst unseren Respekt gezollt.<br />

Aber dann haben wir umfangreich aufgelistet,<br />

was Benedikt alles nicht vermocht hat.<br />

Bekanntlich ist es leichter, den Splitter im<br />

Auge des Anderen zu sehen als die Balken im<br />

eigenen Auge. Man könnte das aber mal machen<br />

und fragen: Was ist denn in unseren protestantischen<br />

Kirchen während der Amtszeit<br />

von Benedikt geschehen? In dieser Zeit wurde<br />

in bislang nie dagewesener Weise der Kirchenbesitz<br />

an Gebäuden und Grundstücken verkauft.<br />

Mit den erlösten Millionen werden oft<br />

die alten, vergehenden Strukturen gestützt,<br />

anstatt eine geistliche Gemeinde erneuerung<br />

zu betreiben. Die Zahl der Protestanten in<br />

Deutschland sinkt deutlich schneller als die<br />

Zahl der Katholiken, die weltweit sogar<br />

wächst. Der Gottesdienstbesuch ist in der katholischen<br />

Kirche mehr als dreimal so hoch<br />

wie in den evangelischen Kirchen, wo er mit<br />

etwa 3,6 Prozent angegeben wird.<br />

In manchen Landeskirchen wurden die<br />

Pfarrhausrichtlinien so stark verändert,<br />

dass es immer mehr Kirchengemeinden ohne<br />

Pfarrhaus gibt. Die hauptamtlichen Kirchenmusiker<br />

verschwinden wie die Gletscher<br />

in den Bergen. Der Küsterberuf ist in den<br />

vergangenen Jahren zu einem aussterbenden<br />

Beruf geworden. Zugegeben: Vieles davon<br />

gibt es auch in der katholischen Kirche. Die<br />

Zukunft wird nicht so linear verlaufen, wie es<br />

uns viele immer noch glauben machen wollen.<br />

Es wird stärkere Veränderungen geben, als uns<br />

bewusst ist. Sucht die Kirche ernsthaft nach<br />

tragfähigen Antworten? Hat sie die innere<br />

Freiheit, sich diesen Veränderungen zu stellen?<br />

Wo ist dabei der Zweig der Hoffnung im<br />

Schnabel der Taube? Wo zeugt der Regenbogen<br />

von einem lebendigen Morgen?<br />

Schon bald, wenn ein neuer Papst gewählt<br />

ist, könnten auch wir Protestanten damit beginnen,<br />

über den eigenen, schwierigen Weg der<br />

Kirche durch die Zeit zu sprechen, anstatt es<br />

bei vollmundigen Erwartungen an den neuen<br />

Papst zu belassen. Nicht nur das Schifflein<br />

Petri schaukelt; auch das Schiff, das sich Gemeinde<br />

nennt, ist in schwerem Wasser.<br />

Christian soyke<br />

Profit contra Menschenrechte<br />

Christian Soyke ist<br />

Medien- und<br />

Politikwissenschaftler<br />

und Journalist.<br />

Deutschland ist nach Amerika und Russland<br />

der drittgrößte Waffenlieferant der Welt. Auf<br />

der Idex-Messe in Abu Dhabi, der wichtigsten<br />

Messe im Nahen Osten für Rüstungsgüter,<br />

standen Waffen- und Sicherheitssysteme<br />

„Made in Germany“ vergangene Woche hoch<br />

im Kurs. Deutsche Firmen exportieren immer<br />

mehr Rüstungsgüter in die Golfregion. Der<br />

Wert der genehmigten Ausfuhren lag 2012<br />

mit 1,42 Milliarden Euro mehr als doppelt<br />

so hoch wie im Vorjahr. Allein Saudi-Arabien<br />

kaufte für 1,2 Milliarden Euro ein, was dem<br />

Neunfachen des Vorjahres entspricht.<br />

Dabei steht besonders die Menschenrechtslage<br />

in Saudi-Arabien in der Kritik. Dort<br />

gibt es kein Parlament und keine Parteien.<br />

Stattdessen gilt der Koran als Verfassung. Bei<br />

Missachtung der Gesetze drohen grausame<br />

Hinrichtungs- und Foltermethoden. Man<br />

muss kein Pazifist sein, um Waffenexporte<br />

dorthin kritisch zu sehen.<br />

Unbestritten ist, dass Waffen auch dazu<br />

dienen, Sicherheit und Schutz zu gewährleisten.<br />

Doch vor allem kann man mit ihnen<br />

töten. Produkte der Rüstungsindustrie sind<br />

insofern kein normales Wirtschaftsgut wie<br />

jedes andere. Hersteller benötigen spezielle<br />

Exportgenehmigungen des streng geheim tagenden<br />

Bundessicherheitsrats.<br />

Offenbar interpretiert die Bundesregierung<br />

bei den Ausfuhrgenehmigungen ihre eigenen<br />

Richtlinien sehr frei. Diese verpfl ichten dazu,<br />

nicht in Krisengebiete zu liefern. Möglicherweise<br />

sollen Partnerländer mit deutschen<br />

Rüstungsgütern zunehmend befähigt werden,<br />

ihre „Sicherheit“ selbst in die Hand zu nehmen<br />

– um so einem direkten militärischen<br />

Engagement Deutschlands vorzubeugen?<br />

So entsteht der „Eindruck einer Genehmigungspraxis,<br />

die sich nicht an die eigenen restriktiven<br />

Maßstäbe hält und die Einhaltung<br />

der Menschenrechte immer wieder anderen<br />

Interessen unterordnet“, kritisiert der Vorsitzende<br />

der Gemeinsamen Kommission Kirche<br />

und Entwicklung, Prälat Karl Jüsten. Geld<br />

und Profit scheinen auf der Skala deutscher<br />

Interessen weit höher eingestuft zu sein als<br />

Menschenrechte.

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