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Augsburg

In Altötting für die Kranken beten

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9./10. Februar 2013 / Nr. 6 NACHRICHTEN<br />

Eine Wende mit Grundsätzen<br />

Kölner Kardinal Meisner hält bestimmte Formen der „Pille danach“ für vertretbar<br />

KÖLN – Die Reaktionen reichen<br />

von Verwunderung bis Erleichterung.<br />

Noch nie hat ein Bischof<br />

in einer solch brisanten ethischen<br />

Frage wie der „Pille danach“ innerhalb<br />

weniger Tage einen Kurswechsel<br />

vollzogen. Dafür klopfen<br />

nicht nur die Politik und katholische<br />

Ärzte dem Kölner Kardinal<br />

Joachim Meisner auf die Schultern.<br />

Selbst eine seiner härtesten<br />

Kritikerinnen, Alice Schwarzer,<br />

ringt sich in einem Offenen Brief<br />

ein Lob für den Erzbischof ab.<br />

Dabei hat Meisner seine Grundsätze<br />

keinesfalls über Bord geworfen.<br />

Es zeigt sich aber, dass die<br />

medizinische Entwicklung nach<br />

ethischen Neubewertungen ruft.<br />

Damit hat der Fall der mutmaßlich<br />

vergewaltigten und durch zwei<br />

Kölner Kliniken abgewiesenen Frau<br />

eine Relevanz, die weit über das Erzbistum<br />

hinausreicht und die Kirche<br />

auf nationaler wie weltweiter Ebene<br />

herausfordert.<br />

Auch deutsche Bischöfe sehen<br />

weiteren Klärungsbedarf. Wenn es<br />

neue Erkenntnisse zur „Pille danach“<br />

gebe, sei es „notwendig und wichtig,<br />

dass sich die Kirche bundesweit damit<br />

auseinandersetzt“, teilte das Erzbistum<br />

Berlin mit. Kardinal Rainer<br />

Maria Woelki unterstrich: „Unsere<br />

Krankenhäuser und Ärzte brauchen<br />

Orientierung, wie sie in Zukunft<br />

Frauen in dieser Situation unterstützen<br />

können – auch, was den<br />

Einsatz von bestimmten Formen der<br />

,Pille danach‘ angeht.“ Ähnliches ist<br />

beispielsweise aus dem Erzbistum<br />

Hamburg und dem Katholischen<br />

Büro in Nordrhein-Westfalen zu hören<br />

– mit dem Ziel einer einheitlichen<br />

kirchlichen Linie.<br />

Konkret geht es darum, dass es<br />

inzwischen offenbar nicht nur eine<br />

„Pille danach“ gibt, sondern mehrere<br />

Varianten mit unterschiedlichen<br />

Wirkweisen. Präparate, die eine befruchtete<br />

Eizelle an der Einnistung<br />

in die Gebärmutter hindern, lehnt<br />

Meisner nach wie vor strikt ab – auch<br />

im Falle einer Vergewaltigung. Denn<br />

einer befruchteten Eizelle komme<br />

der Schutz der Menschenwürde zu.<br />

Das Neue: Im Falle einer Vergewaltigung<br />

seien jene Formen der „Pille<br />

danach“ erlaubt, die den Eisprung<br />

verzögern und so eine Befruchtung<br />

verhindern. Der Erzbischof kann<br />

sich dabei auf Präzedenzfälle berufen:<br />

Als im kongolesischen Bürgerkrieg<br />

Anfang der 1960er Jahre Ordensfrauen<br />

von Aufständischen vergewaltigt<br />

wurden, erlaubte der Vatikan<br />

ihnen die präventive Einnahme von<br />

Verhütungsmitteln. Ähnlich äußerte<br />

er sich im Bosnien-Konflikt in den<br />

1990er Jahren. Ovulationshemmer<br />

aus schwerwiegenden Gründen außerhalb<br />

der Ehe zu nehmen, habe<br />

Kardinal<br />

Joachim Meisner.<br />

Foto: KNA<br />

Die Erklärung des Kölner Kardinals<br />

Joachim Meisner zur „Pille danach“<br />

war am Sonntag auch Thema in der<br />

ARD-Talksendung von Günther Jauch.<br />

Caritas-Präsident Peter Neher sagte,<br />

Meisner habe klare Worte gefunden.<br />

So habe er „deutlich unterschieden“<br />

zwischen einem die Empfängnis verhütenden<br />

Präparat und einem Präparat,<br />

das eine Abtreibung bewirke. Der<br />

Kölner Erzbischof sehe „die Spannung<br />

zwischen diesen Lebensmöglichkeiten“<br />

eines ungeborenen Kindes und einer<br />

vergewaltigten Frau und habe überdies<br />

die Kirche stets erlaubt, bestätigt die<br />

Glaubenskongregation.<br />

Aber nicht nur diese modifizierte<br />

Haltung zur „Pille danach“ stößt<br />

inner- wie außerhalb der Kirche auf<br />

breite Zustimmung. In Meisners<br />

Stellungnahme finden sich konkrete<br />

Ausführungen, wie die gesetzlich<br />

vorgeschriebene Beratung vergewaltigter<br />

Patientinnen in katholischen<br />

Krankenhäusern zu erfolgen hat.<br />

Hintergrund ist, dass die diensthabenden<br />

Ärzte im Kölner Fall arbeitsrechtliche<br />

Konsequenzen fürchteten,<br />

wenn sie über eine mögliche<br />

Schwangerschaft und die „Pille danach“<br />

aufklären.<br />

Nun betont Meisner unmissverständlich:<br />

Auch die Kirchenkliniken<br />

beraten Betroffene über jene Methoden<br />

der Schwangerschaftsverhinderung<br />

und deren Zugänglichkeit,<br />

die nach katholischer<br />

Auffassung nicht vertretbar<br />

sind. Einzige Bedingung: „Auf<br />

angemessene Weise“ müsse den<br />

Frauen zusätzlich die katholische<br />

Position erläutert werden<br />

– allerdings „ohne irgendwelchen<br />

Druck auszuüben“.<br />

In den Medien<br />

„Pille danach“ Thema bei Günther Jauch<br />

deutlich gemacht, dass die „verantwortete<br />

Entscheidung“ der Frau, egal<br />

wie sie ausfalle, zu respektieren sei,<br />

sagte Neher: „Das, finde ich, ist nicht<br />

wenig.“<br />

Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin<br />

Barbara Steffens (Grüne)<br />

meinte, sie verstehe Meisners Erklärung<br />

so, dass dadurch die ärztliche<br />

Entscheidung und Therapiefreiheit<br />

wieder in die Hände der behandelnden<br />

Mediziner gelegt worden seien.<br />

Zugleich betonte die Ministerin: „Ich<br />

möchte, dass an allen katholischen<br />

Die katholischen Krankenhäuser<br />

reagieren erleichtert: Damit würden<br />

Unsicherheiten ausgeräumt und<br />

„die aufgetretenen Miss- und Fehlverständnisse<br />

ausgeräumt“. Auch<br />

die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin<br />

Barbara Steffens<br />

(Grüne) begrüßt die „klarstellenden<br />

Worte“. Zuvor hatte sie der Kirche<br />

noch damit gedroht, ihre Krankenhäuser<br />

aus der allgemeinen Versorgung<br />

herauszunehmen.<br />

Dennoch: In Sachen „Pille danach“<br />

ist das letzte Wort noch nicht<br />

gesprochen. Das zeigen nicht nur die<br />

Reaktionen aus anderen Bistümern.<br />

Mittlerweile streiten auch Mediziner<br />

und Lebensschützer darüber, ob<br />

neue „Pillen danach“ wirklich nur<br />

empfängnisverhütend oder doch<br />

auch abtreibend wirken. Der Blick<br />

richtet sich nun auf die Frühjahrsvollversammlung<br />

der Bischöfe Mitte<br />

Februar in Trier. Zum Thema könnte<br />

sich qua Amt auch der neue Chef der<br />

vatikanischen Glaubenskongregation<br />

äußern, der von Regensburg nach<br />

Rom gewechselte Erzbischof Gerhard<br />

Ludwig Müller – und das in weltweit<br />

verbindlicher Form. Andreas Otto<br />

Krankenhäusern sichergestellt wird,<br />

dass alle Frauen, die vergewaltigt wurden,<br />

Zugang zur ‚Pille danach‘ bekommen.“<br />

Wer das Präparat letztlich verschreibe,<br />

sei nicht die entscheidende<br />

Frage.<br />

Der Gynäkologe Bernhard von Tongelen<br />

betonte, das es eine von Meisner<br />

für zulässig erklärte „Pille danach“<br />

mit ausschließlich Empfängnis verhindernder<br />

Wirkung gar nicht gebe. Ähnlich<br />

äußerte sich der Chefredakteur<br />

des katholischen Fernsehsenders K-TV,<br />

Martin Lohmann.<br />

KNA<br />

Beim ARD-Talk, v. links: Journalistin Eva Müller, K-TV-Chefredakteur Martin Lohmann, NRW-Gesundheitsministerin Barbara<br />

Steffens, Moderator Günther Jauch, Caritas-Präsident Peter Neher und Gynäkologe Bernhard von Tongelen. Foto: imago

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