Augsburg
In Altötting für die Kranken beten
In Altötting für die Kranken beten
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9./10. Februar 2013 / Nr. 6 UNSER ALLGÄU VII<br />
UNTERALLGÄU<br />
Fahnenschuh und „Faulenzer“<br />
Marlies Bek übt als Sattlerin ein selten gewordenes Handwerk aus<br />
LEGAU – Aufsehen erregte Marlies<br />
Bek schon im Kindesalter, als<br />
sie ihrem Lieblingspony zur Dorfschule<br />
in Legau ritt. Mit Pferden<br />
aufgewachsen, lernte sie den Beruf<br />
der Reitsportsattlerin von der<br />
Pike auf. Die Handwerkerin mit<br />
Gesellen brief geht ihm in ihrer<br />
Werkstatt in Legau nach.<br />
Aus Hirsch- und Rindsleder fertigt<br />
Bek nicht nur Produkte für Pferdefreunde<br />
an, sondern ein breites<br />
Spek trum an Gebrauchsobjekten.<br />
Zertifiziert wurde sie im Rahmen<br />
des Projekts „LandHand“ des Landwirtschaftsamtes<br />
Kempten.<br />
Den Weg zu Marlies Bek weist<br />
ein überdimensionaler Pferdekopf<br />
an der Giebelwand ihres Hauses.<br />
Halfter, Sattel, Trensen, Schnallen,<br />
Gurte und Geschirre – das alles gehört<br />
zu ihrem täglichem Brot.<br />
Geschick und Geduld<br />
Für ihre Arbeit braucht Bek<br />
handwerkliches Geschick, Augenmaß,<br />
Feinfühligkeit, Geduld, aber<br />
auch Kraft. Qualität und Schönheit<br />
stehen im Vordergrund. Dass „Leder<br />
keine Grenzen kennt“, verdeutlichen<br />
Rucksäcke, Gürtel, Motorradsitze,<br />
Hundeleinen oder Polsterarbeiten<br />
aus Leder, Fell und Stoff. Und<br />
mit Lederriemen lässt sich prächtig<br />
flechten – davon zeugen Geschenke<br />
zur Kommunion und religiö se Motive,<br />
die auf Leonhardiritten zu bewundern<br />
sind. Stolz ist Marlies Bek<br />
Handwerkliches<br />
Geschick, Feingefühl,<br />
Augenmaß,<br />
aber auch Kraft<br />
braucht Sattlerin<br />
Marlies Bek für<br />
ihre Tätigkeit. Mit<br />
dem Halbmond<br />
schneidet sie das<br />
Leder zu.<br />
Fotos: Wiedner<br />
darauf, dass sie für die Altusrieder<br />
Freilichtspiele und das Musical „König<br />
Ludwig“ in Füssen Gürtel historischer<br />
Art anfertigen durfte.<br />
Das feste Rindsleder bezieht die<br />
Sattlerin aus einer Gerberei in Bad<br />
Grönenbach, in Biberach wird das<br />
schmiegsamere Allgäuer Hirschleder<br />
„sämisch“ gegerbt, wobei Fischtran<br />
mit der Walze eingeklopft wird.<br />
Auf dem Zuschneidetisch liegt<br />
mittlerweile ein großes, edles Lederstück<br />
bereit, das die Sattlerin für<br />
Kellnertaschen vorbereitet, die ein<br />
Blickfang: Ein großer aufgemalter Pferdekopf ist Erkennungszeichen der Sattlerei.<br />
Gasthof in der Region bestellt hat.<br />
Für den Auftrag entwickelte Schablonen<br />
werden auf das Leder gelegt und<br />
mit flacher, spitz zulaufender Ahle,<br />
Pfriem oder Knochen angezeichnet.<br />
Mit einem stählernen „Halbmond“,<br />
den sie von ihrem Vater geerbt hat,<br />
werden die Teile zugeschnitten. Das<br />
Abflachen und Glätten der Kanten,<br />
das Aufzeichnen des Motivs bis<br />
hin zum Anbringen einer stabilen<br />
Tasche für Kellnerblock, Stift und<br />
Feuerzeug an der großen Geldbörse<br />
erfordern noch etliche Arbeitsgänge.<br />
Erst dann kann sich Bek auf ihr<br />
„Nährössle“ setzen, um alles zusammenzufügen.<br />
Diffizile Arbeitsgänge<br />
Durch die mit spitzen Ahlen ins<br />
Leder gebohrten Löcher wird in einem<br />
Arbeitsgang mit zwei durch<br />
Spezialwachs gehärteten, miteinander<br />
verflochtenen Fäden die Kellnerbörse<br />
stabil vernäht. Der Hirsch als<br />
Wirtshaussymbol, der sie zieren soll,<br />
entsteht aus Fell.<br />
Für den Stammtisch der „Handwerksgesellen<br />
der freien Vogtländer“<br />
hat Marlies Bek unlängst eine Standarte<br />
gefertigt. Als gute Bekannte<br />
dieser Wandergesellen schuf sie die<br />
Fahne aus weichem und zugleich festem<br />
Leder mit zwei Bildseiten in der<br />
grünen Farbe der freien Vogtländer.<br />
Als Motiv auf dem Leder wurde neben<br />
dem Leitspruch der Gesellen ein<br />
Kuhkopf gewählt. Neben Standar-<br />
ten werden bei Brauchtumsfesten,<br />
Umzügen und Prozessionen nicht<br />
minder schwere Fahnen mitgeführt.<br />
„Ohne Fahnenschuhe würden die<br />
Träger auf längeren Pilgertouren unter<br />
der Last einer Flagge oder eines<br />
Heiligenbildes zusammenbrechen“,<br />
erklärt Bek ihre auf den ersten Blick<br />
rätselhaften Lederhüllen.<br />
Die ausgefransten „Faulenzer“ für<br />
Pferdegeschirre haben auch ihre Geschichte.<br />
„Vor langer Zeit begingen<br />
viele Bauern einen Tag in der Woche<br />
als ,blauen Montag‘ und schmückten<br />
für den Ausritt in die Stadt ihre<br />
Pferde mit herabbaumelnden Lederriemchen.“<br />
Auf Trachtenumzügen<br />
zeigte man auf diese Weise seinen<br />
Reichtum, nach Festen verblieben<br />
die Faulenzer als Schmuck mehrere<br />
Tage am Pferdegeschirr.<br />
Karl-Heinz Wiedner<br />
Marlies Bek fertigt aus Leder ganz unterschiedliche<br />
Produkte an.