Augsburg
In Altötting für die Kranken beten
In Altötting für die Kranken beten
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THEMA DER WOCHE 9./10. Februar 2013 / Nr. 6<br />
MITTELALTER IM 21. JAHRHUNDERT<br />
Mit Holzschuhen<br />
und Ochsenkarren<br />
In Oberschwaben soll eine Klosterstadt nach dem Vorbild des<br />
St. Gallener Klosterplans entstehen – Die Bauzeit ist auf 40 Jahre angelegt<br />
Eine Gruppe Langzeitarbeitsloser verarbeitet Schafwolle, die für die originalgetreuen<br />
mittelalterlichen Gewänder benötigt wird.<br />
Es klingt unglaublich: Im hochtechnisierten<br />
21. Jahrhundert wollen<br />
Menschen eine Klosterstadt<br />
bauen – und das nur mit Hilfsmitteln<br />
und Methoden aus dem neunten<br />
Jahrhundert. Die Bauzeit ist<br />
auf 40 Jahre angelegt, erst dann<br />
sollen im oberschwäbischen Meßkirch<br />
die 52 Gebäude des „Campus<br />
Galli“ entstanden sein. Gebaut<br />
wird nach dem berühmten St. Gallener<br />
Klosterplan. Von kirchlicher<br />
Seite wird das Projekt nicht nur<br />
mit Wohlwollen verfolgt.<br />
Wer so ein Projekt plant, muss einiges<br />
aushalten. Zum Beispiel den<br />
Vorwurf, er sei verrückt. „Damit<br />
muss man leben können“, meint<br />
Bert M. Geurten. Der Journalist ist<br />
der Kopf des Klosterstadt-Projekts.<br />
An Selbstbewusstsein mangelt es<br />
ihm nicht: Er zählt Karl den Großen<br />
zu seinen Vorfahren. Geurten ist es<br />
gewohnt, mit rheinländischem<br />
Charme Überzeugungsarbeit zu leisten.<br />
Routiniert zählt er die Vorzüge<br />
seines Projekts auf, beispielsweise<br />
die für die Wissenschaft.<br />
So könnten Forscher durch die<br />
Beobachtung der Bauarbeiten nachvollziehen,<br />
wie die Menschen des<br />
neunten Jahrhunderts gebaut haben<br />
und auf welche praktischen Probleme<br />
sie stießen. „Das kennt man ja<br />
sonst nur aus der Theorie“, sagt<br />
Geur ten. Architekten, Archäologen<br />
und Historiker bilden einen wissenschaftlichen<br />
Beirat. Der soll mindestens<br />
einmal im Jahr tagen, um den<br />
Fortschritt des Baus zu überprüfen<br />
und die nächsten Bauabschnitte<br />
zu planen.<br />
Mit Muskelkraft<br />
Den Wissenschaftlern<br />
wie auch Geurten und<br />
seinen Mitstreitern vom<br />
Verein „Karolingische<br />
Klosterstadt“ ist „Originalität“<br />
sehr<br />
wichtig. So werden<br />
die Bauarbeiter<br />
Holzschuhe<br />
tragen, wie sie im<br />
frühen Mittelalter<br />
üblich waren. Steine<br />
werden mit Hilfe von Ochsenkarren<br />
aus dem Steinbruch<br />
herangeschleppt und mit<br />
Muskelkraft ein Holzgerüst<br />
emporgehievt.<br />
Als erstes Gebäude werden<br />
die Bauarbeiter laut Geurten<br />
eine Holzkirche bauen. Später<br />
soll dort einmal eine steinerne<br />
Kirche stehen, die Platz für<br />
2000 Menschen bieten würde. Wie<br />
es einst gängig war, wird die Klosteranlage<br />
aus dem Wald heraus entstehen.<br />
Für das Kerngebiet der Klosterstadt<br />
sind 13 Hektar Fläche eingeplant<br />
– eine Größe von 18 Fußballfeldern.<br />
Dazu kommen noch weitere<br />
15 Hektar, bestehend aus Weidefläche,<br />
Parkplatz und Nebenflächen.<br />
Ungemein faszinierend<br />
Es war 1965, als Bert M. Geurten<br />
erstmals ein Modell des St. Gallener<br />
Klosterplans auf einer Ausstellung<br />
über Karl den Großen sah. Das faszinierte<br />
den damals 16-Jährigen ungemein.<br />
Jahrzehnte später besuchte<br />
er Guédelon: Dort, in Frankreich,<br />
wird seit einigen Jahren eine Burganlage<br />
mit mittelalterlichen<br />
Mitteln aufgebaut.<br />
Geurten war sofort<br />
klar: So ein<br />
Projekt will er auch stemmen – mit<br />
dem Klosterplan als Vorlage.<br />
Erst klopfte er in seiner Heimatstadt<br />
Aachen an. Doch er stieß auf<br />
Ablehnung. „Der Prophet im eigenen<br />
Land gilt ja nie was“, bemerkt<br />
Geurten lakonisch. 2006 gründete<br />
er dann mit Mitstreitern den Verein<br />
„Karolingische Klosterstadt“ und<br />
ging auf die Suche nach einem<br />
Standort. In Meßkirch wurde der<br />
Verein fündig. Das lag nicht zuletzt<br />
an der Unterstützung von Bürgermeister<br />
Arne Zwick. „Was ist das<br />
denn für eine skurrile Idee“, habe er<br />
sich zunächst gedacht, berichtet der<br />
Meßkircher Bürgermeister.<br />
Zwick ließ sich die Idee durch den<br />
Kopf gehen und je länger er überlegte,<br />
desto überzeugter<br />
war er. Der Bürger-<br />
meis-