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In Altötting für die Kranken beten

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9./10. Februar 2013 / Nr. 6 NACHRICHT UND HINTERGRUND 13<br />

Kommentar auf Seite 10<br />

VON WEGEN „ARABISCHER FRÜHLING“<br />

Für Christen wird es jetzt eisig<br />

Ägyptens Präsident Mohammed Mursi in Berlin: Menschenrechtler protestieren vor<br />

dem Bundeskanzleramt gegen Gewalt, Willkür und religiöse Verfolgung<br />

Militärische Ehren für einen Islamisten: Das Wachbataillon der Bundeswehr wartet<br />

vor dem Kanzleramt auf Ägyptens Präsident Mohammed Mursi. Fotos: Soyke<br />

BERLIN – Für die Christen in<br />

Ägypten hat sich das Leben seit<br />

dem Ende der Mubarak-Regierung<br />

nicht gebessert. „Im Gegenteil,<br />

die Lage wird schwieriger“,<br />

sagt Kamal Sido. Anlässlich des<br />

Deutschlandbesuchs von Ägyptens<br />

Präsident Mohammed Mursi<br />

demons trierte der Nahost-Experte<br />

der Gesellschaft für bedrohte Völker<br />

mit anderen Menschenrechtlern<br />

vor dem Bundeskanzleramt in<br />

Berlin. „Dieser Arabische Frühling<br />

ist ein Herbst, wenn nicht Winter<br />

für Christen“, stellt Sido fest.<br />

Er ist früh aufgestanden. Um<br />

sechs Uhr morgens ging sein Zug<br />

von Göttingen Richtung Berlin.<br />

Gegen Mittag versammelt sich zwischen<br />

Reichstag und Kanzleramt<br />

eine Traube von Protestlern: Aktivisten<br />

von Amnesty International,<br />

Exil-Ägypter – und Kamal Sido mit<br />

seiner Gesellschaft für bedrohte Völker.<br />

Sie wollen ein Zeichen setzen<br />

und dafür sorgen, dass Ägyptens<br />

Präsident Mursi nicht nur<br />

mit militärischen Ehren<br />

empfangen wird, sondern<br />

auch mit einer klaren Botschaft.<br />

Hunderte Polizisten<br />

sind im Einsatz.<br />

Sie sichern<br />

das Gelände, sperren die Zufahrtsstraßen<br />

und Sicherheitskorridore,<br />

ehe sich der von Blaulicht und Polizei-Motorrädern<br />

eskortierte Tross<br />

schwerer, schwarzer Limousinen mit<br />

dem ägyptischen Staatsoberhaupt<br />

und seiner Delegation dem Kanzleramt<br />

nähert. „Religionsfreiheit, Menschenrechte,<br />

Demokratie“, rufen die<br />

Protestler, als Angela Merkel nur<br />

wenige hundert Meter entfernt den<br />

Gast aus Kairo auf dem roten<br />

Teppich begrüßt.<br />

Die Aktivisten sind<br />

vom Kanzleramt aus<br />

nicht nur zu hören,<br />

sondern auch zu sehen.<br />

Sie haben zwei<br />

große Nofretete-Figuren<br />

dabei, drei Meter<br />

hoch. Eine trägt<br />

eine Gasmaske, die<br />

andere einen blutigen<br />

Verband. Es<br />

sind nicht<br />

viele<br />

Demonstranten,<br />

die vor Ort sind,<br />

vielleicht 100. Doch ihre Botschaft<br />

ist eindeutig: Auf deutschen und<br />

arabischen Plakaten, Schildern und<br />

Bannern steht „Mursi: Stopp die<br />

Gewalt“, „Mursi = Ägyptens neuer<br />

Pharao“ oder „Mursi = Mubarak“.<br />

Viele Ägypter und insbesondere<br />

die koptischen Christen hatten gehofft,<br />

dass nach den bewegenden<br />

Demonstrationen auf dem Tahrir-<br />

Platz ein Rechtsstaat entsteht, der<br />

Demokratie und Glaubensfreiheit<br />

garantiert. Doch seit dem Ende der<br />

Mubarak-Zeit haben fast 100 000<br />

Kopten das Land verlassen. „Das ist<br />

ein Zeichen, dass es ihnen dort nicht<br />

gut geht. Sie haben große Angst vor<br />

der Zukunft und fürchten die zunehmende<br />

Islamisierung“, sagt Sido.<br />

Terrorziel Kopten<br />

Als größte christliche Religionsgemeinschaft<br />

im Nahen Osten stellen<br />

die Kopten bis zu zehn der mehr<br />

als 80 Millionen Einwohner Ägyptens.<br />

„Politisch waren sie bereits im<br />

Parlament des alten Regimes unter<br />

Hosni Mubarak unterrepräsentiert“,<br />

erklärt der Menschenrechtler. „Vor<br />

allem in Oberägypten, aber auch in<br />

Kairo und in Alexandria werden<br />

sie – oftmals mit Wissen<br />

und Billigung der lokalen<br />

Behörden – Ziel von Terror<br />

und Schutzgelderpressungen<br />

radikaler Muslime.“<br />

Unter der neuen, islamistisch<br />

geprägten Regierung<br />

Mursi habe sich die<br />

Situation der Kopten nicht<br />

verbessert: „Nach Übergriffen<br />

werden Täter nicht bestraft<br />

und die Anwälte der Opfer werden<br />

in ihrer Arbeit aktiv behindert.“ Die<br />

Kopten brauchen mehr Unterstützung,<br />

fordert Sido, eine Quote in<br />

den Parlamenten und Schutz als religiöse<br />

Minderheit.<br />

Sido selbst ist kein Christ, sondern<br />

Muslim. Er stammt auch nicht<br />

aus Ägypten, sondern aus Syrien.<br />

Dennoch warnt er vor radikaler Islamisierung<br />

in der Region: „Christliche<br />

Kirchen werden immer wieder<br />

von Extremisten angegriffen“, berichtet<br />

er. Sido spricht deshalb nicht<br />

nur von „systematischer Diskriminierung<br />

durch ägyptische Behörden,<br />

die die Gewalt gegen die religiöse<br />

Minderheit schürt“. Er spricht sogar<br />

von „gezielter religiöser Verfolgung<br />

wegen des christlichen Glaubens“.<br />

Jemand hat Sido ein Mikrofon<br />

besorgt. „Es ist Zeit für einen echten<br />

Neubeginn in Ägypten – demokratisch,<br />

rechtsstaatlich, mit vollständiger<br />

Religionsfreiheit und der<br />

Einhaltung von Menschenrechten“,<br />

ruft er nicht nur den Demonstranten<br />

zu, sondern auch in Richtung<br />

Kanzleramt, auch in Richtung der<br />

Delegation aus Ägypten. Aber ob<br />

seine Appelle gehört und vor allen<br />

Dingen auch irgendwann umgesetzt<br />

werden?<br />

Mursi wird sich zukünftig auch<br />

daran messen lassen müssen, wie<br />

sein Land mit Minderheiten wie<br />

den koptischen Christen umgeht.<br />

„Wenn sich die Lage der Kopten<br />

verbessert, verbessert sich die<br />

Lage der Menschenrechte<br />

insgesamt“ – da ist sich<br />

Kamal Sido sicher.<br />

Christian<br />

Soyke<br />

Kopte Botrus Botrus<br />

hält mahnend zwei<br />

Bilder hoch. Sie zeigen<br />

Opfer christenfeindlicher<br />

Angriffe.

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