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DAS ULRICHSBISTUM 30./31. März 2013 / Nr. 13<br />

DAS ULRICHSBISTUM<br />

RAFFINIERTE MECHANIK<br />

Mit „stündlicher Auferstehung“<br />

Heilige Gräber aus der Kunstanstalt Kraft waren im 19. Jahrhundert sehr gefragt<br />

PFAFFENHOFEN/ILM – Im<br />

Bistum <strong>Augsburg</strong> gibt es einige<br />

Heilige Gräber der Firma Kraft,<br />

die zwischen 1870 und 1900 entstanden<br />

sind. Es handelt sich um<br />

Grabanlagen eigenen Typs, die<br />

dem Kunsthandwerker Balthasar<br />

Kraft aus der Hallertau zu verdanken<br />

und weit über Bayern hinaus<br />

verbreitet sind.<br />

Balthasar Kraft wurde 1820 als<br />

zweites von vier Kindern der Schneiderseheleute<br />

Anton und Eva Kraft<br />

in Pfaffenhofen an der Ilm geboren.<br />

Nach einer Schreinerlehre trat er bei<br />

Hitz in Nürnberg eine Ausbildung<br />

zum Lithographen (Steindrucker)<br />

an. Als in seiner Heimatstadt die<br />

Stelle des Zeichenlehrers für die<br />

Knabenschule frei wurde, zog er<br />

dorthin zurück.<br />

Der findige Handwerker beantragte<br />

in der Folgezeit etliche Gewerbekonzessionen.<br />

1853 erhielt er die<br />

Erlaubnis, als Fassmaler zu arbeiten,<br />

dann die des Geschmeidemachers,<br />

mit der er Vergoldungen durchführen<br />

durfte. Laut seiner Anzeigen<br />

im Amtsblatt für das Königliche<br />

Bezirksamt Pfaffenhofen handelte<br />

er mit Maler- und Tapezierbedarf,<br />

fertigte Rahmen und Tapetenleisten,<br />

Asphaltlacke für verschiedene<br />

Untergründe, bemalte eiserne Grabkreuze,<br />

fertigte Grabmalinschriften,<br />

Blech- und Wagenlackierungen.<br />

Daneben auch noch einen Kaffeeausschank<br />

zu betreiben untersagte<br />

ihm die Obrigkeit.<br />

Die Schreiner-Konzession billigte<br />

sie ihm jedoch 1865 zu. Damit<br />

spezialisierte sich Balthasar Kraft<br />

immer mehr auf Kirchenausstattung<br />

„jeder Stylart“. Zur Wiener Weltausstellung<br />

1873 lieferte er ein Heiliges<br />

Grab nach „eigener Erfindung“<br />

mit „stündlicher Auferstehung“.<br />

Die Jury verlieh dem Werk prompt<br />

eine Auszeichnung. Bald wurden<br />

Kraft‘scher Gräber bis nach Südtirol,<br />

Mähren, Galizien und in die<br />

Schweiz geliefert.<br />

In der Werkstatt Krafts arbeitete<br />

unter anderem sein Schwiegersohn<br />

Das Heilige Grab in St. Nikolaus, Geldersheim, stammt aus den Kraft-Werkstätten.<br />

Es zeigt den Auferstandenen und die leere Grabhöhle. In der Wallfahrtskirche St. Michael<br />

in Violau wird heuer ein vergleichbares Grab errichtet.<br />

Foto: Verein für Heimat- und Brauchtumspflege Geldersheim<br />

Josef Kirmeier, seines Zeichens<br />

Bildhauer, Kunstmaler und Konditor.<br />

1888 erwarb er die Kirchliche<br />

Kunstanstalt seines Schwiegervaters.<br />

Neu ins Sortiment kamen zu dieser<br />

Zeit Lourdes-Grotten „in künstlerisch<br />

schönster Ausführung“. Außer<br />

Kirmeier stiegen auch die drei Söhne<br />

Balthasar Krafts in das Metier des<br />

Vaters ein. Die beiden älteren, August<br />

und Karl, betrieben in Freising<br />

ab 1878 eine florierende Werkstatt<br />

für Kirchenmalerei mit Kundschaft<br />

im In- und Ausland.<br />

Karl Kraft zog 1892 in die<br />

Schweiz, um ein weiteres Absatzgebiet<br />

zu erschließen. Adolf, der Jüngste,<br />

führte in Pfaffenhofen zunächst<br />

eine „Conditorei, Wachsbleiche &<br />

Feinbäckerei“. Nach dem Tod seines<br />

Vaters im Jahre 1889 errichtete er in<br />

Konkurrenz zu Kirmeier ebenfalls<br />

eine Kirchliche Kunstanstalt.<br />

All diese Betriebe stellten Heilige<br />

Gräber gleichen Typs her. Als Adolf<br />

für seine Lourdes-Grotten 1908 mit<br />

der silbernen Jubiläums-Denkmünze<br />

von Papst Leo XIII. eine hohe<br />

Anerkennung erhielt, bestand bereits<br />

keine der anderen Werkstätten<br />

mehr.<br />

Ihre Besitzer waren innerhalb<br />

weniger Jahre unter tragischen Umständen<br />

ums Leben gekommen.<br />

Karl Kraft brachte sich nach einer<br />

verlorenen Gerichtsverhandlung in<br />

der Schweiz im Sommer 1900 um.<br />

Augusts Betrieb in Freising geriet<br />

Ende der 1890er in die Insolvenz.<br />

Nachdem er dort noch kurze Zeit<br />

als Angestellter gearbeitet hatte,<br />

verarmte er und starb im Irrenhaus.<br />

Auch Adolf, der jüngste Sohn, starb<br />

bereits 1909, weil er im Schlaf an<br />

seinem Gebiss erstickte.<br />

Die Grabanlagen trafen mit ihrer<br />

Malerei im Stil der Spätnazarener<br />

den Geschmack der Zeit und waren<br />

bis weit ins 20. Jahrhundert hinein<br />

Vorbilder für andere Hersteller.<br />

Im Gegensatz zu den theatralischbarocken<br />

Grabbauten früherer Zeit<br />

wirken sie wie Altäre. Sie erzeugen<br />

keine räumliche Illusion, beschränken<br />

sich vielmehr auf Licht und

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