Augsburg
AUGSBURG
AUGSBURG
You also want an ePaper? Increase the reach of your titles
YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.
MEINUNG 30./31. März 2013 / Nr. 13<br />
Aus meiner Sicht ...<br />
Gerda Riedl<br />
Ostern erkennen und verstehen<br />
Gerda Riedl ist<br />
Professorin für<br />
Dogmatik und<br />
Leiterin der<br />
Hauptabteilung VI<br />
im Bischöflichen<br />
Ordinariat <strong>Augsburg</strong>.<br />
„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche<br />
Durch des Frühlings holden,<br />
belebenden Blick,<br />
Im Tale grünet Hoffnungsglück;<br />
Der alte Winter, in seiner Schwäche,<br />
Zog sich in rauhe Berge zurück.“ (Faust I)<br />
So malt sich Johann Wolfgang von Goethe<br />
den Frühlingsbeginn zu Ostern aus. Davon<br />
ist in diesem Jahr noch nicht viel zu sehen,<br />
und wer immer sich auf einen Osterspaziergang<br />
eingestellt hat, wird von außen wohl<br />
nicht viel an österlicher Stimmung erwarten<br />
dürfen.<br />
Doch halt! Sind es wirklich die Osterbräuche<br />
und der Frühlingsbeginn, die uns in österliche<br />
Stimmung versetzen oder eben nicht?<br />
Gewiss: Sie sind hilfreich und nach einem<br />
langen dunklen Winter sehr ersehnt. Aber<br />
sind wir nicht in Vielem in der Situation<br />
jener Jünger, die bedrückt, enttäuscht und<br />
ohne Hoffnung von Jerusalem nach Emmaus<br />
zurückkehren? Wie viele Hoffnungen haben<br />
sich nicht in unserem Leben schon zerschlagen,<br />
wie viele Hoffnungsträger sich zerschlissen?<br />
Jene Jünger hatten noch gar nicht angefangen,<br />
sich in „der Zeit danach“ einzurichten;<br />
viel zu sehr sind sie damit beschäftigt, den<br />
Tod Jesu und die damit verbundenen Umstände<br />
zu besprechen. Wir würden sagen:<br />
Trauerarbeit zu leisten. Zwar haben sie schon<br />
von seiner Auferstehung gehört, doch das<br />
reichte für eine Neuorientierung ihres Lebens<br />
nicht aus. Zu sehr waren sie gefangen in ihren<br />
Vorstellungen von Zukunft und Erlösung.<br />
Sie konnten nicht verstehen.<br />
Zum Verstehen gehört Offenheit. Offenheit<br />
erlangt man nicht im Blick auf Vergangenes,<br />
nicht im Blick auf Inneres. Offenheit erlangt<br />
man durch Zuhören: Wer hört, der sieht. –<br />
Wer sieht, versteht.<br />
So erging es den Jüngern von Emmaus: Sie<br />
erkannten IHN, als er das Brot brach. Das<br />
war der Wendepunkt. Mit ihrer Gemeinde in<br />
Jerusalem und Petrus konnten sie bekennen:<br />
„Der Herr ist wirklich auferstanden“ (Lk<br />
24,34).<br />
Victoria Heymann<br />
Prioritäten setzen für das Leben<br />
Victoria Heymann ist<br />
Chefin vom Dienst<br />
unserer Zeitung.<br />
Ist das Identitätsrecht eines Neugeborenen<br />
auch um den Preis der Gefahr für sein Leben<br />
zu wahren? Um diese Frage wird in Gesellschaft<br />
und Politik immer wieder gestritten,<br />
wenn es um Babyklappen und anonyme Geburten<br />
geht. Ein Kind muss wissen, wer seine<br />
Eltern sind, betonen die Gegner und fordern<br />
eine Regis trierungspfl icht für Frauen, die sich<br />
nicht in der Lage sehen, ihr Neugeborenes zu<br />
versorgen und es anonym zur Welt bringen<br />
wollen. Zur Rettung dieser Kinder darf derart<br />
verzweifelten Müttern nicht der Schutzmantel<br />
der Anonymität wegerissen werden, argumentieren<br />
dagegen Babyklappen-Befürworter.<br />
Ein neues Gesetz soll anonyme Geburten<br />
und Babyklappen aus der rechtlichen Grau-<br />
zone holen. Bundesfamilienministerin Kristina<br />
Schröder (CDU) hat einen Entwurf zur<br />
so genannten vertraulichen Geburt vorgelegt.<br />
Schwangere sollen unter Angabe eines Pseudonyms<br />
entbinden können, ihrem Kind aber<br />
ermöglichen, seine Herkunft ab dem 16. Lebensjahr<br />
einzusehen. Eine Herkunftsurkunde<br />
wird in einem nur dem Kind zugänglichen<br />
Umschlag aufbewahrt. Der Urkundeneinsicht<br />
kann die Mutter aber kurz vorher noch<br />
widersprechen.<br />
Bestehende Babyklappen will Ministerin<br />
Schröder beibehalten. Kritiker sehen in dem<br />
Regierungsentwurf deshalb eine Legalisierung<br />
der Klappen, was das Recht des Kindes<br />
auf ein Wissen um seine Identität unterlaufe.<br />
Der Zentralrat der deutschen Katholiken<br />
hingegen befürchtet, dass die – wenn auch<br />
zunächst geheime – Identitätspreisgabe eine<br />
Hemmschwelle aufbaut.<br />
Dies zeigt, dass der Entwurf in seiner<br />
aktuellen Form leider nur ein Kompromiss-<br />
Flickwerk ist. Tatsächlich ist eine Regelung,<br />
die den Bedürfnissen von Mutter und Kind<br />
Rechnung trägt, wohl ein Ding der Unmöglichkeit.<br />
Zur Schaffung einer Rechtsgrundlage<br />
muss die Bundesregierung in dieser Angelegenheit<br />
Farbe bekennen und Prioritäten setzen.<br />
Für die Neugeborenen kann man nur hoffen,<br />
dass ihre Chance auf Leben im Extremfall<br />
nicht durch identitätsschaffende Zwangsverordnungen<br />
zunichte gemacht wird.<br />
Christian Soyke<br />
Gefährliche „Dummheit“<br />
Christian Soyke ist<br />
Medien- und<br />
Politikwissenschaftler<br />
und Journalist.<br />
„Dummheit lässt sich nicht verbieten“, sagte<br />
Vize-Kanzler und FDP-Parteichef Philipp<br />
Rösler, als er verkündete, die Bundesregierung<br />
werde keinen eigenen NPD-Verbotsantrag<br />
stellen. Seine fragwürdige Formulierung<br />
prägte die Debatte der vergangenen Tage um<br />
das NPD-Verbot maßgeblich mit. Und sie<br />
ist Ausdruck des aktuellen Dilemmas: Die<br />
NPD zu wählen oder aktiv zu unterstützen,<br />
zeugt nach dieser Lesart lediglich von<br />
„Dummheit“. Ist diese „Dummheit“ ungefährlich?<br />
Unbestritten dient es dem Schutz der<br />
Meinungsfreiheit und der Demokratie, dass<br />
Parteien nicht ohne Weiteres verboten werden<br />
können. Doch kann dieser Schutz auch für<br />
die NPD gültig sein? Wer die „Gefahren von<br />
rechts“ in Deutschland als „Dummheit“ abtut,<br />
scheint entweder zur Verharmlosung zu<br />
neigen oder gar auf dem rechten Auge blind<br />
zu sein – und das vor dem Hintergrund der<br />
deutschen Geschichte und in Zeiten der Aufarbeitung<br />
des NSU-Terrors mit zahlreichen<br />
unsäglichen Ermittlungspannen!<br />
Der Bundesrat hat sich zwar zu einem<br />
neuen NPD-Verbotsantrag durchgerungen.<br />
Die Bundesregierung und die schwarz-gelbe<br />
Koalition im Bundestag streben dies jedoch<br />
nicht an. Ein Grund ist wohl nicht zuletzt<br />
die Tatsache, dass das 2003 angestrebte Verbot<br />
aufgrund von Verfahrensgründen beim<br />
Bundesverfassungsgericht scheiterte – vor<br />
allem weil zu viele V-Leute des Verfassungsschutzes<br />
in der NPD tätig waren. Die Frage,<br />
ob es sich bei der NPD um eine verfassungswidrige<br />
Partei handelt, wurde deshalb damals<br />
gar nicht erst geprüft.<br />
Am 1. April ist der Jahrestag des sogenannten<br />
Juden-Boykotts von 1933. Ein<br />
Blick in die Geschichtsbücher über die Folgen<br />
der Machtübernahme Adolf Hitlers und<br />
der Nationalsozialisten vor 80 Jahren zeigt:<br />
Eine wehrhafte Demokratie sollte im Zweifelsfall<br />
auch „Dummheit“ verbieten können.<br />
Ja, sie muss es sogar, wenn die „Dummheit“<br />
extreme und gefährliche Züge annimmt! Alles<br />
andere wäre nicht nur dumm, sondern<br />
unverantwortlich.