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Adventskalender 2013 mit Texten von Prälat Dr. Betram Meier

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um Leben und Tod. Jesu Weg führt <strong>von</strong> der Krippe zum Kreuz, vom Gloria der<br />

Engel über das Hosanna der Leute zum „Kreuzige ihn“ der Menschenmasse.<br />

Doch Gott nimmt dieses Risiko bewusst in Kauf: „Eine größere Liebe hat<br />

niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde.“(Joh 15,13)<br />

Erster in dieser Reihe ist Jesus selbst, und um seinetwillen folgten viele<br />

andere bis in unsere Zeit. Es ist kein Zufall, dass zur Feier der Menschwerdung<br />

Gottes auch das Fest des heiligen Stephanus gehört. Wir feiern einen jungen<br />

Mann, weitsichtig, mutig und redegewandt: eine große Persönlichkeit<br />

der frühen Kirche. Er war dabei, <strong>mit</strong>ten im Ringen darüber, wie aus einer<br />

jüdischen Sekte Weltkirche werden konnte: eine Gemeinschaft, die sich nicht<br />

in sich selbst verschloss, sondern Juden und Griechen, Römer und andere<br />

Völker umfassen sollte. Stephanus hat Flagge gezeigt. Sein Standpunkt war<br />

klar: Mit Jesus Christus, dem Mensch gewordenen Gott, ist das alte Gesetz<br />

aufgehoben im neuen Gebot der Liebe: „Ich sehe den Himmel offen und den<br />

Menschensohn zu seiner Rechten stehen.“ (Apg 7,55) Dieses Bekenntnis war<br />

sein Todesurteil. Stephanus wurde gesteinigt. Ist es so schlimm, wenn wir<br />

manchmal Prügel dafür bekommen, dass wir als Christen sagen, wes „Geistes<br />

Kind“ wir sind? Die Steine, die Kirchenkritiker und manche Medien auf uns<br />

werfen, bringen uns nicht um. Sie sind eher ein Hinweis darauf, dass es Jesu<br />

Jünger nicht besser haben als ihr Meister.<br />

Von der Krippe zum Kreuz: Wohl kaum eine Heilige ist diesen Weg so<br />

konsequent gegangen wie Edith Stein (1891–1942). Sie konnte nicht schlafen<br />

in einer Weihnachtsnacht, da der unendliche Gott ein winziger Mensch in der<br />

Krippe wurde. Und dann setzt sie Schritt für Schritt in Richtung Kreuz: <strong>von</strong> der<br />

Taufe über den Klostereintritt bis zur Fahrt „ad orientem“ (in den Osten). Ihre<br />

auf Papier angefangene, aber unvollendete „Kreuzeswissenschaft“ mündet<br />

ein in die gelebte und erlittene „Kreuzesweisheit“, den Kreuzweg nach<br />

Auschwitz. Warum konnte sie diesen Weg so konsequent gehen?<br />

Im Leben <strong>von</strong> Edith Stein findet sich eine Szene, die uns darauf Antwort<br />

gibt. Es war der letzte Tag, den sie zu Hause verbrachte, der 12. Oktober 1933,<br />

ihr Geburtstag und zugleich Abschluss des jüdischen Laubhüttenfestes. Edith<br />

begleitete ihre Mutter zum letzten Mal in die Synagoge. Den weiten Rückweg<br />

wollte die Mutter bewusst zu Fuß machen, um noch einmal ausführlich <strong>mit</strong><br />

ihrer Lieblingstochter reden zu können. Unterwegs wirft die Mutter die Frage<br />

auf: „War die Predigt nicht schön?“ „Ja“, antwortet die Tochter. „Man kann<br />

also auch jüdisch fromm sein?“ fährt die Mutter fort. Edith erwidert: „Gewiss,<br />

wenn man nichts anderes kennen gelernt hat.“ Ein Anflug aus Verzweiflung<br />

spricht aus dem, was die Mutter entgegensetzt: „Warum hast du es kennen<br />

gelernt? Ich will nichts gegen Jesus sagen, er mag ein guter Mensch gewesen<br />

sein. Aber warum hat er sich zu Gott gemacht?“<br />

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