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Adventskalender 2013 mit Texten von Prälat Dr. Betram Meier

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und eindeutiges „Solo dios basta“: Gott allein genügt! Wenn du Gott hast,<br />

dann reicht das. Die Schwerkraft der Seele wird durchbrochen. Du gewinnst<br />

innere Freiheit.<br />

Teresa <strong>von</strong> Avila lehrt uns aber auch, dass die Freiheit nicht vom<br />

Himmel fällt. Ihr Geburtstag ist der 28. März 1515, zweieinhalb Jahre vor<br />

dem Thesenanschlag Martin Luthers. Die beiden Daten deuten darauf hin,<br />

was damals in der Luft lag: die Notwendigkeit einer kirchlichen Erneuerung<br />

ebenso wie die Sehnsucht nach persönlicher spiritueller Erfahrung. Um<br />

wieder Richtung und Sicherheit zu finden, wünschten sich die Menschen <strong>von</strong><br />

der Kirche sowohl eine äußere als auch eine innere Reform. Es ist wohl kein<br />

Zufall, dass in Teresas und Luthers Werk das Bild <strong>von</strong> der Burg eine wichtige<br />

Rolle spielt. Luthers Reform(ations)hymnus lautet: „Ein feste Burg ist unser<br />

Gott.“ Und Teresa beschreibt ihren geistlichen Wachstumsprozess in ihrem<br />

Buch: „Die innere Burg.“<br />

Bis dahin ist es allerdings ein langer Weg: Als jüngste unter 11<br />

Geschwistern wächst Teresa in einer Adelsfamilie <strong>mit</strong> jüdischen Wurzeln in<br />

Avila auf. Mit 20 Jahren tritt sie in den Karmel ihrer Heimatstadt ein. Zuerst ist<br />

sie Feuer und Flamme, dann stürzt eine Flut seelischer und gesundheitlicher<br />

Probleme auf sie ein. Das Chorgebet ödet sie an, sie ist viel krank, findet<br />

ihre innere Mitte nicht und spürt: Obwohl sie das Ordenskleid trägt, stimmt<br />

etwas nicht. Teresas Innenleben ist nicht stimmig. Dieser Zustand dauert fast<br />

20 Jahre: „Auf diesem ungestümen Meer trieb ich mich fast zwanzig Jahre<br />

herum, beständig fallend und wieder aufstehend, leider aber nur, um aufs<br />

neue zu fallen. Ich hatte keine Freude an Gott und auch keine Freude an<br />

der Welt.“ Beim Gebet achtete sie mehr auf das Schlagen der Uhr und das<br />

Ende der Gebetszeit als auf gute Gedanken. „Die Traurigkeit, die mich beim<br />

Betreten des Gebetsraums überkam, war so unerträglich, dass ich meinen<br />

ganzen Mut brauchte, um mich zum Beten zu zwingen. Ich verlangte nach<br />

Leben, denn ich sah wohl ein, dass ich nicht lebte, sondern <strong>mit</strong> einer Art<br />

Todesschatten rang, aber ich fand niemand, der mir das Leben gegeben hätte,<br />

und ich selber konnte es mir nicht geben.“<br />

Doch auch bei Teresa ist nicht aller Tage Abend. Langsam, aber sicher<br />

keimt, sprosst und wächst etwas Neues in ihr: Teresa entdeckt, dass sie<br />

die Nähe Gottes, die Freundschaft zu Jesus, nicht durch eigene Leistung<br />

herbeiführen kann. Tiefe innere Erfahrungen kann der Mensch sich nicht<br />

selbst „machen“, das wäre „spirituelle Selbstbefriedigung“. Weder lesen<br />

noch rackern noch schuften noch beten – alle möglichen und unmöglichen<br />

Aktivitäten laufen ins Leere. Die Freundschaft <strong>mit</strong> Gott muss man sich<br />

schenken lassen. Wer Gottes Freund sein will, muss schweigen lernen: „Das<br />

Gebet ist nichts anderes als ein Gespräch <strong>mit</strong> einem Freund, <strong>mit</strong> dem wir oft<br />

und gern allein zusammenkommen, weil wir sicher sind, dass er uns liebt.“<br />

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