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Adventskalender 2013 mit Texten von Prälat Dr. Betram Meier

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14. Dezember<br />

Teresa <strong>von</strong> Avila – Zeit, vom Schlaf<br />

aufzustehen<br />

4<br />

„Wir verkünden keine gute Nachricht, weil das Evangelium keine Neuigkeit<br />

mehr für uns ist. Wir sind daran gewöhnt, es ist für uns eine alte Neuigkeit<br />

geworden. Der lebendige Gott ist kein ungeheures, umwerfendes Glück mehr.<br />

Wir geben uns keine Rechenschaft darüber, was Gottes Abwesenheit für<br />

uns wäre; so können wir uns auch nicht vorstellen, was sie für die anderen<br />

ist. Wenn wir <strong>von</strong> Gott reden, bereden wir eine Idee, statt eine erhaltene,<br />

weiter verschenkte Liebe zu bezeugen. Wir können den Ungläubigen unseren<br />

Glauben nicht als eine Befreiung <strong>von</strong> der Sinnlosigkeit einer Welt ohne Gott<br />

verkünden, weil wir diese Sinnlosigkeit gar nicht wahrnehmen.“<br />

Diese Sätze hat Madeleine Delbrêl (1904–1964) im Jahr 1962 als Vorarbeit<br />

für das Zweite Vatikanische Konzil geschrieben. Und sie trifft da<strong>mit</strong> den Nagel<br />

auf den Kopf: Wir kennen ja dieses Verschwinden Gottes, das Versickern<br />

des Glaubens <strong>mit</strong>ten im kirchlichen und pastoralen Betrieb, in<strong>mit</strong>ten der<br />

alternativlos gepflegten Christlichkeit, die auch in diesem Advent wieder<br />

Einzug hält in unseren Geschäften und Kaufhäusern. Dort werden wir<br />

gleichsam einwattiert <strong>von</strong> „O du fröhliche“ bis zu „Stille Nacht, heilige Nacht“,<br />

um die Geldscheine und Scheckkarten leichter über den Tresen gleiten zu<br />

lassen. Doch was ist in der Zeit des Zuckerwatteglaubens geblieben <strong>von</strong> der<br />

Schärfe und Klarheit des Evangeliums, vom hohen Anspruch Jesu Christi,<br />

dessen Kommen wir im Advent erwarten?<br />

Dieser Befund ist nicht neu. Blenden wir zurück! Im Zeitalter, als Kolumbus<br />

eben erst Lateinamerika entdeckt hatte, erinnerte Johannes vom Kreuz (1542–<br />

1591) an die Notwendigkeit, Gott als „ fremden Kontinent“ neu zu entdecken.<br />

Auch heute ist Gott fremd geworden. Für viele ist er wie eine ferne Insel. Wir<br />

brauchen einen spirituellen Kolumbus, der uns <strong>mit</strong>nimmt auf die Expedition<br />

nach Gott. Ich keine eine Person, die uns auf dieser Suchexpedition nach dem<br />

lebendigen Gott den Weg leuchten kann: Teresa <strong>von</strong> Avila (1515–1582).<br />

Ich mag sie, diese kluge und temperamentvolle Frau: auf der einen<br />

Seite sehr praktisch und patent, humorvoll und charmant; auf der anderen<br />

Seite gepackt <strong>von</strong> einer großen Leidenschaft für Gott, aus der sie schier<br />

grenzenlose Schaffenskraft, Organisationstalent und langen Atem schöpfte.<br />

Sie vereint Tatendrang und Gottvertrauen, eine Mischung, wie ich sie bei<br />

vielen bodenständigen Landfrauen kennen- und schätzen lernen durfte: eine<br />

Powerfrau, die ihr Herz bei Gott angedockt hat. Ich bewundere ihr mutiges<br />

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