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Adventskalender 2013 mit Texten von Prälat Dr. Betram Meier

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Schon als Mädchen hat Karolina ihren Willen in den Willen Gottes gelegt. Er<br />

fügt es, dass die Familie Gerhardinger freundschaftliche Beziehungen <strong>mit</strong> dem<br />

Dompfarrer <strong>von</strong> Regensburg und späteren Bischof Georg Michael Wittmann<br />

(1760–1833) pflegt. Der Dompfarrer erkennt die großen Fähigkeiten des<br />

Mädchens und regt an, Karolina solle Lehrerin werden. Bereits <strong>mit</strong> fünfzehn<br />

Jahren unterrichtet sie an der königlichen Mädchenschule, wo sie siebzehn<br />

Jahre lang wirken sollte. Karolina Gerhardinger erkennt, dass die schulische<br />

Ausbildung vor allem der Mädchen aus ärmeren Familien zu wünschen übrig<br />

lässt. Die junge Lehrerin reflektiert nicht nur, sie packt auch zu und macht die<br />

Schule ihres Heimatortes Stadtamhof zu einer Musterschule.<br />

„Der Vater steht am Steuer. Er weiß, was er will.“ Der Beruf Lehrerin ist<br />

das eine, das andere ist die Berufung zur Ordensfrau. Schon <strong>mit</strong> achtzehn<br />

Jahren hat Karolina „Klostergedanken“. Sie bittet „ihren“ Dompfarrer<br />

Wittmann um Ratschläge und Tipps für ein klösterliches Leben. Doch die<br />

Zeiten sind schwer: Der Kirche nach der Säkularisation bläst ein scharfer Wind<br />

ins Gesicht, viele Klöster sind aufgelöst; manch zaghafter Versuch, überalterte<br />

Gemeinschaften neu zu beleben, scheitert. Bedenkenswert und visionär,<br />

was Dompfarrer Wittmann der jungen Frau rät: Sie soll sich nicht einem<br />

bestehenden Orden anschließen, sondern etwas Neues gründen, „ein Kloster<br />

in zeitgemäßer Form für die Erziehung und den Unterricht der weiblichen<br />

Jugend nach dem Vorbild der Notre-Dame-Frauen“.<br />

Dem Vertrauen, das der Dompfarrer in Karolina Gerhardinger setzt,<br />

steht das Misstrauen gegenüber, das ihr in der eigenen Heimatgemeinde<br />

entgegengebracht wird: Trotz ihrer Talente und großen Leistungen lehnt der<br />

Magistrat eine Klostergründung ab, offiziell werden finanzielle Gründe ins Feld<br />

geführt. Doch eigentlich liegen die Vorbehalte tiefer: Alles, was neu ist und<br />

ungewohnt, ruft zunächst einmal Abwehr hervor. Doch noch ist nicht aller<br />

Tage Abend. Ihr Freund und Gönner Wittmann, <strong>mit</strong>tlerweile als Nachfolger<br />

<strong>von</strong> Johann Michael Sailer Bischof <strong>von</strong> Regensburg, legt sein ganzes Gewicht<br />

in die Waagschale. Er erlaubt Karolina Gerhardinger, zusammen <strong>mit</strong> zwei<br />

Freundinnnen, die auch Lehrerinnen sind, nach Neunburg vorm Wald zu<br />

gehen, um dort ein Kloster zu gründen. Dankbar stellt sie fest: „Die Klugheit<br />

rechnet, die Liebe zählt.“<br />

Doch wieder gibt es herbe Rückschläge: Bischof Wittmann stirbt<br />

ganz plötzlich, und ein anderer Förderer und Sailer-Schüler, der Wiener<br />

Hofkaplan Franz Sebastian Job, folgt kurze Zeit danach. Die junge<br />

Schwesterngemeinschaft ist auf sich gestellt. Hinzu kommen gehässige<br />

Stimmen aus Neunburg selbst: „Die anderthalb Nonnen können wieder<br />

hingehen, woher sie gekommen sind.“ Aber die Leute werden sich noch<br />

wundern, was „anderthalb Nonnen“ <strong>mit</strong> jugendlicher Begeisterung auf die<br />

Beine stellen! „Denn der Vater steht am Steuer. Er weiß, was er will.“<br />

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