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Adventskalender 2013 mit Texten von Prälat Dr. Betram Meier

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Am 2. August 1942 wird sie zusammen <strong>mit</strong> ihrer Schwester Rosa verhaftet.<br />

Den letzten Gruß <strong>von</strong> ihr empfängt eine Ordensfrau, die im August 1942 <strong>von</strong><br />

unbekannter Seite einen <strong>mit</strong> Bleistift geschriebenen Zettel erhält: „Grüße <strong>von</strong><br />

der Fahrt ad orientem. Schwester Teresia Benedicta“.<br />

„Ad orientem“: in den Osten – heißt das übersetzt. Für Edith Stein hat<br />

es sicher mehr bedeutet: Nicht nur Polen, Auschwitz, Vernichtung, sondern<br />

Osten heißt auch: Ostern, Verklärung, neues Leben. Über dem Kreuz liegt<br />

ein österlicher Schimmer. In der Dunkelheit der Gaskammer erlosch das<br />

Licht ihres Lebens in dieser Welt, um in österlichem Glanz neu zu erstrahlen<br />

bei Gott, dem sie ein Leben lang auf der Spur war. Was für Edith Stein<br />

in letzter Konsequenz gilt, spiegelt sich in irgendeiner Weise in jedem<br />

Menschenleben. Heilig werden – das heißt: sein Kreuz auf sich nehmen<br />

und Christus nachgehen. Mit menschlichen Augen betrachtet ist das Kreuz<br />

eine Katastrophe. Mit dem Blick Gottes aber ist es nur ein anderer Name<br />

für eine bis zum Letzten durchgehaltene Liebe. Unsere Sprache bringt es an<br />

den Tag. Wenn ich etwas liebe, sage ich auch: Das ist meine Passion, meine<br />

Leidenschaft. Und wenn ich jemand sehr gern habe, dann sage ich: Ich habe<br />

eine Schwäche für dich. Ich bin so schwach, dass ich mich verwundbar mache<br />

für dich. – So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er die Schwäche besaß, ein<br />

verwundbarer Mensch zu werden – in Bethlehem. Ja, seine Schwäche für<br />

uns Menschen ging so weit, dass er sich für uns nicht nur aufs Kreuz legen,<br />

sondern aufs Kreuz nageln ließ. In diese Weisheit vom Kreuz ist Edith Stein<br />

hineingewachsen, nicht nur durch Studium, sondern im Leben. Darin liegt die<br />

Tür zur Heiligkeit.<br />

Mein Dienst als Pförtner ist getan. Ich habe versucht, Ihnen vier Türen zu<br />

öffnen, die Zugang gewähren zur heiligen Edith Stein: die Tür zum Leben, die<br />

Tür zur Wahrheit, die Tür zur Kirche und die Tür zur Heiligkeit.<br />

Wir werden im Advent dieses Jahres noch über viele Türschwellen treten.<br />

Ich wünsche Ihnen, dass Sie am kommenden Weihnachtsfest die Schwelle<br />

zu dem geistlichen Raum überschreiten, in dem die Krippe steht – nicht nur<br />

die aus Holz oder Ton, sondern die Krippe, die wir selber sein können: unsere<br />

offenen Hände und unsere hingehaltenen Herzen, in die Christus sich selbst<br />

als Brot und Wort hineinbetten will.<br />

In einer Betrachtung zum Weihnachtsgeheimnis sagt Edith Stein: „Wohin<br />

das göttliche Kind uns auf dieser Erde führen will, das wissen wir nicht und<br />

sollen wir nicht vor der Zeit fragen. Nur das wissen wir, dass denen, die den<br />

Herrn lieben, alle Dinge zum Guten gereichen. Und ferner, dass die Wege, die<br />

der Herr führt, über diese Erde hinausgehen.“<br />

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