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Adventskalender 2013 mit Texten von Prälat Dr. Betram Meier

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Es ist wohl eine der seltsamsten Fügungen, dass ihre Freundin Hedwig etwa<br />

zur selben Zeit <strong>von</strong> Gott ergriffen wurde wie Edith; gäbe es da nicht einen<br />

kleinen Unterschied, den Hedwig so beschreibt: „Wir gingen beide wie auf<br />

einem schmalen Grate dicht nebeneinander her, jede in jedem Augenblick<br />

des göttlichen Rufes gegenwärtig. Er geschah, führte uns aber nach<br />

konfessionell verschiedenen Richtungen“. Hedwig wurde evangelisch, Edith<br />

entschied sich für die katholische Kirche.<br />

Und jetzt das „Pfefferkorn“ der ganzen Geschichte: Edith bat Hatti, ihre<br />

Taufpatin zu sein, und holte sich dafür die bischöfliche Erlaubnis. In Hedwigs<br />

weißem Hochzeitsmantel als Taufkleid schritt eine strahlende Edith Stein an<br />

den Altar – <strong>von</strong> der evangelischen Freundin liebevoll geleitet: Ökumene am<br />

Neujahrstag 1922. Das war nicht nur eine freundschaftliche Geste, toleriert<br />

<strong>von</strong> der sog. „Amtskirche“. Edith Stein war Ökumenikerin aus Passion. Als sie<br />

den christlichen Gott als Wahrheit entdeckt hatte, war ihr gleichzeitig klar: Es<br />

gibt kein kirchenloses Christentum. Christlichkeit und Kirchlichkeit lassen sich<br />

nicht trennen. Der Glaube des einzelnen braucht den Halt der Gemeinschaft.<br />

Sonst droht er zu scheitern.<br />

Es ist gut, sich dies gerade in einer Zeit bewusst zu machen, in der so<br />

vieles ohne die Kirche möglich scheint: Wir können unsere Feste feiern <strong>von</strong><br />

der Geburt bis zur Bahre – auch ohne Kirche. Advent und Weihnachten geben<br />

eine gute Kulisse her für Verkaufsmärkte und Abschlussfeiern. Machen wir uns<br />

nichts vor: Der Euro regiert diese Tage – auch ohne Kirche. Manche denken<br />

sogar, sich ihren privaten Glauben selbständig zusammenzimmern zu müssen.<br />

Dabei basteln sie sich auch ihre Kirche zurecht und übersehen, dass die Kirche<br />

kein Geschöpf des Menschen ist, sondern ein Geschenk des Himmels.<br />

Für Edith Stein stand außer Zweifel: Es ist ein Unterschied, ob man <strong>mit</strong><br />

seinem Glauben allein bleibt oder zu Hause ist in einer großen Gemeinschaft.<br />

Als kirchlich gebundener Christ gibt man sich <strong>mit</strong> seinem Glauben, Hoffen und<br />

Lieben, aber auch <strong>mit</strong> seinen Fragen, Zweifeln und Unzulänglichkeiten in diese<br />

Kirche hinein und trägt sie <strong>mit</strong>. Jeder <strong>von</strong> uns ist ein Stück Kirche. Dass diese<br />

Kirche kein vollständiges Mosaik mehr bildet, sondern im Laufe der Geschichte<br />

in verschiedene Konfessionen zerfallen ist, hat Edith Stein sehr geschmerzt.<br />

Einmal erinnert sie sich an einen Besuch in Heidelberg: „Ich habe das<br />

Heidelberger Schloss, den Neckar und die schönen Minnesängerhandschriften<br />

in der Universitätsbibliothek gesehen. Und doch hat sich wieder etwas<br />

anderes tiefer eingeprägt als diese Weltwunder: eine Simultankirche, die in<br />

der Mitte durch eine Wand geteilt ist und diesseits für den protestantischen,<br />

jenseits für den katholischen Gottesdienst benutzt wird“. Die Wahl der<br />

evangelischen Freundin als Taufpatin zeigt: Sie wollte sich <strong>mit</strong> diesem Zustand<br />

nicht zufrieden geben.<br />

Es spricht für die Weite des Geistes und des Herzens, die Edith Stein<br />

auszeichnet, wenn sie schreibt: „Es hat mir immer sehr fern gelegen zu<br />

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