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Adventskalender 2013 mit Texten von Prälat Dr. Betram Meier

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schließlich in Auschwitz. Diese Stationen stehen für viele Türen und Tore, die<br />

sich geöffnet und geschlossen haben.<br />

Die Tür zum Leben<br />

Am 12. Oktober 1891 hat Edith Stein in Breslau das Licht der Welt erblickt. Ihre<br />

Geburt fiel auf den Tag des großen jüdischen Versöhnungsfestes, auf den Jom<br />

Kippur, der sich durch Fasten, Beten und Sühne für die Sünden auszeichnet.<br />

Dieses Fest an ihrem Geburtstag steht wie ein Vorzeichen über ihrem Leben<br />

und Sterben. Im Kreis <strong>von</strong> sieben Geschwistern war Edith das Nesthäkchen.<br />

Sie war nicht einmal zwei Jahre alt, als ihr Vater starb. Der Holzhandel, den er<br />

betrieben hatte, war leidlich gegangen. Die Witwe und Mutter musste nun in<br />

das Geschäft einsteigen. Sie glich der starken Frau, die das Alte Testament im<br />

Buch der Sprichwörter beschreibt (Spr 31,10–31).<br />

Auguste Stein war freigebig – ein Zug, den sie ihrer Tochter Edith vererbte.<br />

Es geschah nicht selten, dass sie unbe<strong>mit</strong>telten Leuten Holz verkaufte und das<br />

empfangene Geld dem Käufer wieder zusteckte. Sie hat ganze Waldbestände<br />

erworben, um sie zur Winterszeit den Armen als Brennholz zu überlassen.<br />

Edith war nicht nur der Liebling der Mutter, sondern als Jüngste auch der<br />

Liebling der Geschwister. So genoss sie eine frohe Kindheit – das beste Tor,<br />

da<strong>mit</strong> das Leben gelingen kann.<br />

Besonders wohl fühlt sich Edith in der Schule. Sie hat Freude am Lernen.<br />

Sie hungert förmlich nach Wissen. Schon in jungen Jahren bohrt sie nach dem,<br />

was wirklich ist. In der Schule sind Sprachen und Literatur ihre Glanzfächer.<br />

In Mathematik und Naturwissenschaften tut sie sich weniger leicht. Mitten in<br />

der Schullaufbahn bekommt jedoch dieser Weg einen Knick. Edith, immer die<br />

Zweitbeste in der Klasse, hat plötzlich keine Lust mehr auf Schule. Sie ist noch<br />

keine fünfzehn Jahre alt. Da will sie einfach „raus“, um das „Puppenstadium“<br />

zu überwinden. Die Mutter schickt ihre jüngste Tochter nach Hamburg, wo<br />

Ediths Schwester Else <strong>mit</strong> einem Arzt verheiratet ist. Dort soll sie im Haushalt<br />

<strong>mit</strong>helfen.<br />

Die Mutter hat klug gehandelt. Denn als sie nach einigen Monaten zu<br />

Besuch nach Hamburg kommt, findet sie zu ihrer Freude, dass sich Edith zu<br />

ihrem Vorteil entwickelt hat. Ihre Jüngste hat auch wieder Lust auf das Lernen<br />

bekommen. Sie kehrt nach Breslau zurück und macht 1911 ein glänzendes<br />

Abitur. Bei der Abschlussfeier sagt der Schuldirektor über sie: „Schlag an den<br />

Stein und Weisheit springt heraus“. Abgesehen vom Hamburger Zwischenspiel<br />

ist Edith eine Vorzeigetochter. Alle Türen stehen ihr offen. Trotzdem macht<br />

sich ihre Mutter Sorgen. Warum? Auf ihrem Herzen liegt eine schwere Last.<br />

Edith hat zwar einen klugen Kopf, aber sie ist nicht fromm. Für das Judentum<br />

zeigt sie wenig Interesse. Der Mutter zuliebe geht sie hin und wieder in die<br />

Synagoge <strong>mit</strong>. Aber innerlich hat sie dem Glauben längst „adieu“ gesagt.<br />

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