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Adventskalender 2013 mit Texten von Prälat Dr. Betram Meier

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Einen neuen Weg beschritt er in der Stadtseelsorge: Er übernahm die<br />

Männerkongregation im Bürgersaal. In dieser Funktion reiste er landauf<br />

landab und versuchte, die „Männerwelt“ zusammenzuführen und im<br />

Glauben zu festigen. Im Münchener Hauptbahnhof führte er Gottesdienste für<br />

Ausflügler und Sportler ein. Allein im Jahre 1935 zählt man 75000 Besucher.<br />

Dann werden die Gottesdienste <strong>von</strong> den Nationalsozialisten verboten.<br />

Da<strong>mit</strong> ist das Stichwort gefallen. Pater Rupert Mayer nimmt aufmerksam<br />

wahr, was um ihn herum geschieht. Er führt Gespräche <strong>mit</strong> Politikern, er<br />

besucht Versammlungen. 1919 tritt bei einer Veranstaltung ein gewisser<br />

Adolf Hitler auf, nach Einschätzung <strong>von</strong> Pater Mayer ein „Hysteriker reinsten<br />

Wassers“. Als 1923 eine Naziversammlung öffentlich gegen das Christentum<br />

Front macht, protestiert er. Mit Mühe gelingt es, den Priester gerade noch<br />

unverletzt aus dem Saal zu bringen. Pater Mayer hat die Gefahr durchschaut.<br />

Seine Reaktion: die Dinge klar benennen, kein Kompromiss, sondern<br />

Standortbestimmung. Er ist wachsam und mischt sich ein. Unermüdlich geht<br />

er zu Bürgerversammlungen. Eindeutig sind seine Predigten. Als ihm die<br />

kirchlichen Oberen ein Predigtverbot auferlegen, muss er schlucken. Dass<br />

er mehrmals <strong>von</strong> den Nazis eingesperrt wurde, deutet er als Auszeichnung:<br />

„Ich bin <strong>mit</strong> meinem Los keineswegs unzufrieden. Ich empfinde dies nicht als<br />

Schande, sondern als Krönung meines Lebens“. Dass er schließlich, <strong>von</strong> den<br />

Oberen der eigenen Gemeinschaft <strong>mit</strong> veranlasst, als Verbannter im Kloster<br />

Ettal mundtot gemacht werden sollte, trifft ihn ins Mark: „Seitdem bin ich ein<br />

lebender Toter“, bekennt er, „ja dieser Tod ist für mich, der ich so voll Leben<br />

bin, viel schlimmer als der wirkliche Tod, auf den ich schon so oft gefasst war.<br />

Der Gestapo und der ganzen Bewegung konnte ich keinen größeren Dienst<br />

erweisen, als hier ruhig abzusterben.“<br />

Pater Rupert Mayer sollte in Ettal nicht sterben. „Ein einbeiniger Jesuit<br />

kann eben“, wie er gern sagte, „wenn es Gottes Wille ist, länger leben als<br />

eine gottlose, tausendjährige Diktatur“. Am 6. Mai 1945 darf er wieder in<br />

sein geliebtes München zurück. Aber er ist ein gebrochener Mann. Als er<br />

an Allerheiligen desselben Jahres in der Kreuzkapelle <strong>von</strong> St. Michael die<br />

heilige Messe feiert, kommt er ins Stocken: „Der Herr, der Herr, der Herr<br />

...“ Die Stimme bricht, der Pater bleibt aufrecht stehen. „Er ist niemals<br />

umgefallen, nicht einmal im Sterben“. Dieses Wort macht <strong>von</strong> nun an die<br />

Runde. Ein außergewöhnlicher Mensch ist gestorben: ein aufrechter und<br />

aufrichtiger Mann, ein Priester, der keine Angst davor hatte, sich den Mund zu<br />

verbrennen, wenn es um das Evangelium ging.<br />

Ganz im Gegensatz zu uns Christen fünfzig Jahre später: Als 1995 das erste<br />

Kruzifixurteil verkündet wurde, war der Aufschrei groß. „Die Kreuze gehören<br />

in die Klassenzimmer wie die Alpen zu Bayern“, verkündete der damalige<br />

„Landesvater“ Edmund Stoiber. Was bedeutet dieses Bekenntnis wirklich? Dass<br />

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