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Adventskalender 2013 mit Texten von Prälat Dr. Betram Meier

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dahingestorben.“ Von Luthers Berufungserlebnis im Gewitter wissen wir,<br />

dass er der hl. Anna versprochen hat, ins Kloster zu gehen. Und gerade bei<br />

den Augustiner-Ere<strong>mit</strong>en, denen sich der junge Mann anschloss, traf er auf<br />

glühende Marienverehrer.<br />

Luthers Frömmigkeit war zunächst angstbesetzt. Maria diente ihm als<br />

Fürsprecherin, gleichsam als Anwältin im Jüngsten Gericht. Auch hier ist Luther<br />

ein Kind seiner Zeit. Das war die gängige Vorstellung: Gott Vater thront als<br />

Richter, vor ihm steht Christus, der ihm als Versöhner seine Wunden zeigt.<br />

Aber <strong>mit</strong> dieser Art Mittlerschaft ist Gott nicht zugänglich. Den Zugang zu Gott<br />

erschließt Maria: Sie kniet vor Christus und hält ihm ihre Brüste hin, <strong>mit</strong> denen<br />

sie ihn gesäugt hat. Maria übernimmt die eigentliche Ver<strong>mit</strong>tlung. An Maria<br />

halten sich die Frommen. Maria flößt keine Angst ein. Sie fordert auch keine<br />

Leistungen. Durch sie wird es dem Menschen möglich, die furchtbare Nähe<br />

Gottes, des Richters zu ertragen (vgl. Martin Brecht).<br />

In Martin Luthers Frömmigkeit ist Maria ein wichtiger Faktor. Der junge<br />

Luther fastete für Maria bei Wasser und Brot: „Ich konnte nicht erkennen,<br />

dass mir Christus so gut hilft wie seine Mutter, vielmehr hielt ich ihn für einen<br />

Richter.“ Diesen „falschen Christus“, wie Luther später urteilt, „konnte ich nicht<br />

aus meinem Herzen treiben, weil ich immer Christus fürchtete, weil er mich<br />

töten wollte, und habe mich gehalten zu Maria und den Heiligen.“ Eigentlich<br />

tut er mir leid, der junge Luther <strong>mit</strong> seinen Skrupeln und Ängsten, dem es<br />

so schwer fällt, sich <strong>von</strong> dieser verzerrten Marien- und Heiligenverehrung zu<br />

lösen.<br />

Doch dann kommt die Wende: die reformatorische Erkenntnis im sog.<br />

Turmerlebnis. Luther fühlt sich wie neugeboren, als er in der Heiligen Schrift<br />

den gnädigen Gott erkennt und aus Gnade den lieben Gott erfährt. Der<br />

Mensch braucht Christus nicht zu fürchten, er darf Christus lieben und ihm<br />

vertrauen. Das ist seine Lebenswende: eine Wende auch in Luthers Beziehung<br />

zu Maria.<br />

„Echtes Helfen bedeutet: Ich lege frei, was da ist, und nicht: Ich lege<br />

etwas dazu.“ Luther will Maria nicht vom Sockel stürzen, sondern die<br />

Fundamente freilegen, die sich in der Heiligen Schrift über Maria finden.<br />

Er wünscht eine Rückbesinnung auf die biblische Maria - nicht mehr, aber<br />

auch nicht weniger. Selbstverständlich bekennt Luther sich ungebrochen zur<br />

Jungfrauengeburt. Er geht sogar über den biblischen Befund hinaus, wenn<br />

er die Formel „semper virgo“ (immerwährende Jungfrau) gebraucht, die wir<br />

in den neutestamentlichen Aussagen über Maria vergeblich suchen. Auch<br />

an der Bezeichnung „Theotokos“, Gottesgebärerin, Mutter Gottes, wie sie<br />

das Konzil <strong>von</strong> Ephesus 431 geprägt hat, hält Martin Luther unverdrossen<br />

fest. Die biblisch fundierten Marienfeste behält er bei, aber er feiert sie als<br />

Christusfeste.<br />

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