Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
der Kneipe herbeigeholt. K<strong>ein</strong>esfalls waren sie in irgendwie feierlicher Stimmung.<br />
[194] Als Trauzeugen fungierten Bruno Bauer und Buhl; als Gäste waren, soweit bekannt,<br />
Wilhelm Jordan, der junge Dichter; Julius Faucher; <strong>ein</strong> Assessor Kochious (oder Kochius)<br />
und <strong>ein</strong>e junge Engländerin, <strong>ein</strong>e Freundin der Braut, anwesend; ausserdem sicherlich noch<br />
<strong>ein</strong>e Anzahl anderer Freunde und Bekannte.<br />
Buhl soll mit Mühe aus s<strong>ein</strong>en Hemdsärmeln in s<strong>ein</strong>en ,schäbigen Alltagsrock‘ hin<strong>ein</strong> genöthigt<br />
s<strong>ein</strong>, als der Pfarrer <strong>ein</strong>trat; auch wurden die Karten beiseite gelegt, mit denen man gespielt<br />
hatte.<br />
Die Braut liess auf sich warten. Als sie <strong>ein</strong>trat, muss Marot sehr erstaunt gewesen s<strong>ein</strong>, sie in<br />
<strong>ein</strong>fachem Kleide und ohne den bräutlichen Schmuck von ,Myrthenkranz und Schleier‘ zu<br />
finden. Auch s<strong>ein</strong>e Frage nach <strong>ein</strong>er Bibel fand nicht die gewohnte Bereitwilligkeit <strong>–</strong> es war<br />
k<strong>ein</strong>e zur Hand.<br />
Indessen nahm die kurze, unter solchen Umständen sehr beschleunigte Feier ihren Verlauf.<br />
Die Gäste sahen zum Fenster hinaus, statt der ,dürren, nüchternen‘, den Umständen angepassten<br />
Rede zu lauschen.<br />
Als jedoch die Frage nach den Ringen gestellt wurde, stellte sich <strong>ein</strong>e neue Schwierigkeit<br />
heraus: Ringe waren, wahrsch<strong>ein</strong>lich aus Vergesslichkeit, überhaupt nicht bestellt worden.<br />
Da zog Bruno Bauer (nach Jordans Erinnerung soll es <strong>Stirner</strong> selbst gewesen s<strong>ein</strong>, doch wird<br />
allgem<strong>ein</strong> von Bauer gesprochen) s<strong>ein</strong>e längliche, gehäkelte Geldbörse, wie sie damals üblich<br />
war, aus der Tasche, schüttete den gewiss nur geringen Inhalt von Silber- und Kupfermünzen<br />
bedächtig auf die <strong>ein</strong>e Seite und zog die beiden Messingringe ab, die er dem Prediger<br />
übergab, indem er m<strong>ein</strong>te, dass sie die ‚Ehe ebenso gut, oder besser, zusammenhalten‘ könnte,<br />
wie goldene.<br />
Und mit diesen Messingringen wurden <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> und Marie Dähnhardt getraut ...“ 1<br />
[195] Wohl mag diese Geschichte im Laufe der Zeit durch Überlieferung noch etwas aufgebauscht<br />
und ausgebaut worden s<strong>ein</strong>, aber <strong>–</strong> und hier schließe ich mich Mackays Ansicht an <strong>–</strong><br />
„in letzter Linie ... war die Sache Nichts als die völlige Gleichgültigkeit der betheiligten Personen<br />
bei <strong>ein</strong>er äusserlichen Handlung, die in ihren Augen durchaus weittragende, innere Bedeutung<br />
besass, und die nur vollzogen wurde aus äusseren, vielleicht nicht zu umgehenden<br />
Rücksichten“. 2<br />
<strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> und Marie Dähnhardt führten <strong>ein</strong>e durchaus stille und unauffällige Ehe und lebten<br />
in gewohnter Weise weiter, was auch die Besuche bei Hippel mit <strong>ein</strong>schloß. Dort erhielt<br />
sie den Spitznamen „Marius Daenhardius“ und wurde wie jeder andere Gast auch behandelt.<br />
Mackay spart jedoch nicht mit Kritik an <strong>Stirner</strong>s Ehefrau. „Gewiss ist auch, dass sie ihren<br />
Mann von Anfang an nicht verstand. Wahrsch<strong>ein</strong>lich erschienen ihr die lauten und lärmenden<br />
Kneipengenossen von Hippel, unter denen sie so unbefangen sass, noch <strong>ein</strong> Kind an Gemüthsart<br />
und Unerfahrenheit, mit der sie die oft wüsten Reden, Anspielungen und Zoten anhörte,<br />
die sie nicht begriff und denen sie nur deshalb so ruhig zuhören konnte, wahrsch<strong>ein</strong>lich<br />
erschienen ihr diese ,Freien‘ um vieles freier, als der ruhige Mann, der sie thun und treiben<br />
liess, was sie wollte, und, ohne Menschenkenntniss, wie sie war, liess sie ihn später heimlich<br />
entgelten, was die Anderen verschuldet, wenn von irgend <strong>ein</strong>em Verschulden auf <strong>ein</strong>er Seite<br />
überhaupt die Rede s<strong>ein</strong> kann.“ 3<br />
John Henry Mackay bezeichnet die Jahre <strong>–</strong> „ungefähr von 1843 bis 1845“ 4 <strong>–</strong> die die letzten<br />
Jahre s<strong>ein</strong>er Lehrthätigkeit und die ersten Jahre s<strong>ein</strong>er Ehe mit Marie Dähnhardt <strong>ein</strong>schließen,<br />
1 Ebd. S. 117.<br />
2 Ebd.<br />
3 Ebd. S. 119.<br />
4 Ebd. S. 120.