Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
nen Kredit‘, als <strong>ein</strong> ,König ohne Land‘, wie er s<strong>ein</strong>e schriftstellerische Existenz bezeichnet,<br />
und materiell von der Erbschaft s<strong>ein</strong>es Vaters, welche gerade zu Ende ging, als er im Kampf<br />
gegen die Kirche erschöpft zusammenbrach.“ 1<br />
[168] Die Aus<strong>ein</strong>andersetzung um die Verwirklichung der Philosophie setzte nach <strong>Hegels</strong><br />
Tod <strong>–</strong> wie bereits des öfteren erwähnt <strong>–</strong> unter s<strong>ein</strong>en <strong>Schüler</strong>n vehement <strong>ein</strong>.<br />
„Den Anfang zu dieser Bewegung setzte wohl unbewußt Feuerbach, der bereits 1828 <strong>ein</strong>e<br />
Negation des Christentums als Voraussetzung des Praktischwerdens der Philosophie ansah.<br />
Als <strong>ein</strong>er der ersten, die diesen Weg ausdrücklich <strong>ein</strong>schlugen, ist sicher Strauß zu nennen.<br />
1835 schrieb er ‚Das Leben Jesu‘. Mit der in diesem Werk gegebenen historischen Kritik am<br />
Christentum setzte er, ..., die Kritik an der Religionsphilosophie <strong>Hegels</strong> in Gang. 1838 legt<br />
Bauer die ‚Kritik der Geschichte der Offenbarung‘ vor, der in den Jahren 1840 und 1841<br />
weitere kritische Werke zur evangelischen Geschichte des Johannes und der Synoptiker folgen.<br />
Das Jahr 1841 bringt sodann auch Feuerbachs ‚Das Wesen des Christentums‘. 1843 ist<br />
es wiederum Bauer, der s<strong>ein</strong>e Religionskritik in ‚Das entdeckte Christentum‘ radikalisiert.<br />
Als 1844 <strong>Stirner</strong>s ‚Der Einzige und s<strong>ein</strong> Eigentum‘ erschien, war die Kritik der Religion<br />
bereits vollendet. Marx übernimmt im wesentlichen die Kritik Feuerbachs. Sie wird für ihn<br />
zur Voraussetzung der Kritik des Rechtes und der Politik. S<strong>ein</strong> Ziel ist es, die Gesellschaft zu<br />
kritisieren, die die Religion nötig hat. In den Thesen ad Feuerbach macht er deutlich, daß es<br />
nicht genügt, ,die religiöse Welt in ihre weltliche Grundlage aufzulösen‘, sondern daß,<br />
,nachdem z. B. die irdische Familie als das Geheimnis der heiligen Familie entdeckt ist, ...<br />
nun erstere selbst theoretisch und praktisch vernichtet werden‘ muß.“ 2<br />
Für Karl Löwith war die Spaltung der <strong>Hegels</strong>chen Schule in Rechts- und Linkshegelianer<br />
„sachlich ermöglicht durch die grundsätzliche Zweideutigkeit von <strong>Hegels</strong> dialektischen ‚Aufhebungen‘,<br />
die ebensogut konservativ wie revolutionär ausgelegt werden konnten. Es bedurfte<br />
nur <strong>ein</strong>er ‚abstrakten‘ Ver<strong>ein</strong>seitigung von <strong>Hegels</strong> Methode ...“ 3<br />
[169] Er versucht dies an <strong>ein</strong>em Satz von Friedrich Engels zu verdeutlichen, der „für alle<br />
Linkshegelianer bezeichnend“ 4 ist und der lautet: „Der Konservatismus dieser Anschauungsweise<br />
ist relativ, ihr revolutionärer Charakter ist absolut <strong>–</strong> das <strong>ein</strong>zig Absolute, das sie gelten<br />
läßt.“ 5<br />
Begründet wird es damit, „weil der Prozeß der Weltgeschichte <strong>ein</strong>e Bewegung des Fortschritts<br />
ist und somit <strong>ein</strong>e beständige Negation des Bestehenden“. 6<br />
In der Schrift ‚Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie‘<br />
demonstriert Friedrich Engels „den revolutionären Charakter an <strong>Hegels</strong> Satz, daß das<br />
Wirkliche auch das Vernünftige sei. Er ist dem Ansch<strong>ein</strong> nach reaktionär, in Wahrheit aber<br />
revolutionär, weil Hegel mit der Wirklichkeit ja nicht das zufällig gerade Bestehende m<strong>ein</strong>t,<br />
sondern <strong>ein</strong> ,wahres‘ und ,notwendiges‘ S<strong>ein</strong>. Darum kann sich die sch<strong>ein</strong>bar staatserhaltende<br />
These der Rechtsphilosophie ,nach allen Regeln‘ der <strong>Hegels</strong>chen Denkweise in ihr Gegenteil<br />
umkehren: ,Alles was besteht, ist wert, daß es zu Grunde geht‘. Hegel selbst habe freilich diese<br />
Konsequenz s<strong>ein</strong>er Dialektik nicht in solcher Schärfe gezogen, ihr vielmehr durch den Abschluß<br />
s<strong>ein</strong>es System widersprochen und die kritisch-revolutionäre Seite mit der dogmatischkonservativen<br />
verdeckt. Man müsse ihn daher von sich selbst befreien und die Wirklichkeit in<br />
1 Ebd. S. 14.<br />
2 Mader, J.: Von Hegel zu Marx. S. 14 f.<br />
3 Löwith, K.: <strong>Hegels</strong>che Linke. S. 14.<br />
4 Ebd.<br />
5 Engels, Friedrich: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, in: Texte zur<br />
materialistischen Geschichtsauffassung. Hrsg. Von Reichelt, Helmut. Frankfurt/Main <strong>–</strong> Berlin <strong>–</strong> Wien 1975. S.<br />
544.<br />
6 Löwith, K.: <strong>Hegels</strong>che Linke. S. 14.