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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

Der ‚Kritik der praktischen Vernunft‘ liegt folgender Gedankengang zugrunde: „Der Vernunft<br />

ist es zwar unmöglich, Gegenstände r<strong>ein</strong> apriori, d. h. ohne Erfahrung theoretisch zu erkennen,<br />

wohl aber den Willen des Menschen und s<strong>ein</strong> praktisches Verhalten zu bestimmen.<br />

Es stellt sich dabei heraus: S<strong>ein</strong>em ,empirischen‘ Charakter nach, d. h. als Person, steht der<br />

Mensch unter dem Naturgesetz, folgt er den Einflüssen der Außenwelt, ist er unfrei. S<strong>ein</strong>em<br />

,intelligiblen‘ Charakter gemäß, d. h. als Persönlichkeit, ist er frei und nur nach s<strong>ein</strong>er, praktischen,<br />

Vernunft ausgerichtet. Das Sittengesetz, dem er dabei folgt, ist <strong>ein</strong> kategorischer Imperativ.<br />

D. h. konkret: Nicht auf äußere Güter gerichtetes Streben nach Glück, nicht Liebe oder<br />

Neigung machen <strong>ein</strong> Tun moralisch, sondern all<strong>ein</strong> die Achtung vor dem Sittengesetz und die<br />

Befolgung der Pflicht. Getragen ist diese Ethik der Pflicht von der nicht theoretischen, sondern<br />

praktischen Überzeugung von der Freiheit des sittlichen Tuns, von der Unsterblichkeit<br />

des sittlichen Handelns, da dieser in diesem Leben den Lohn s<strong>ein</strong>er Sittlichkeit zu ernten<br />

nicht befugt ist, von Gott als dem Bürgen der Sittlichkeit und ihres Lohnes. Diese Überzeugungen<br />

nennt Kant die ,praktischen Postulate‘ von Gott, Freiheit, Unsterblichkeit. Von religiöser<br />

Heteronomie (Fremdbestimmung, Überfremdung) ist nach Kant die Sittlichkeit frei, da<br />

sie autonom (selbstgesetzlich) ist. In diesen Zusammenhängen äußert Kant s<strong>ein</strong>e Auffassungen<br />

über Recht, Staat, [13] Politik, Geschichte, deren Wirklichkeit er sehr skeptisch gegenübersteht,<br />

besonders der des von ihm als ethisch-politisches Ideal anerkannten Ewigen Friedens.“<br />

1<br />

In der Formel des ,kategorischen Imperativs‘ deutet Kant „das von jedermann unmittelbar<br />

empfundene moralische Sollen als Ausdruck r<strong>ein</strong>er Vernunftbestimmung des Menschen“ 2 an,<br />

wobei das Gewissen <strong>ein</strong>e Instanz dafür abgibt, „daß vor aller Begründung und Belehrung die<br />

sittliche Verpflichtung zur Erfahrung jedes Einzelnen gehört“. 3<br />

Jenes „Handle so, daß die <strong>Max</strong>ime d<strong>ein</strong>es Willens jederzeit zugleich als Prinzip <strong>ein</strong>er allgem<strong>ein</strong>en<br />

Gesetzgebung gelten könne“, also <strong>ein</strong> Handeln nach allgem<strong>ein</strong>en Vernunftregeln,<br />

„setzt aber Freiheit voraus als die Fähigkeit <strong>ein</strong>er Willensbestimmung unter Absehung von<br />

den individuell wechselnden Interessen und dem dominierenden Einfluß der Umwelt. Freiheit<br />

ist k<strong>ein</strong>e Gegebenheit, sie muß als praktische Autonomie erworben werden. Ein Handeln aus<br />

r<strong>ein</strong>er Vernunft und die Unterstellung von Freiheit hängen wechselseitig von<strong>ein</strong>ander ab.<br />

Man muß Freiheit annehmen, um Vernunftpraxis möglich zu machen, und Vernunft muß die<br />

Praxis lenken, damit Freiheit sei. Freiheit heißt also Freiheit von Fremdbestimmung und<br />

Freiheit zur Selbstbestimmung“. 4<br />

In <strong>ein</strong>er Reihe kl<strong>ein</strong>erer Schriften setzte sich Kant mit politischen Fragen aus<strong>ein</strong>ander, von<br />

denen hier nur zwei erwähnt seien. Erstens die ‚Idee zu <strong>ein</strong>er allgem<strong>ein</strong>en Geschichte in<br />

weltbürgerlicher Absicht‘ und zweitens die Schrift ‚Zum ewigen Frieden‘.<br />

[14] In ‚Idee zu <strong>ein</strong>er allgem<strong>ein</strong>en Geschichte in weltbürgerlicher Absicht‘ versucht Kant<br />

in neun Sätzen, s<strong>ein</strong>e Vorstellungen von <strong>ein</strong>er „Annäherung an die Vollendung der gesellschaftlichen<br />

Ordnung“ 5 zu entwickeln.<br />

Er ging davon aus, daß die „Ersch<strong>ein</strong>ungen“ der „Freiheit des Willens“, „die menschlichen<br />

Handlungen ... nach allgem<strong>ein</strong>en Naturgesetzen bestimmt“ seien, und in der „Geschichte,<br />

welche sich mit der Erzählung dieser Ersch<strong>ein</strong>ungen beschäftigt“ 6 , <strong>ein</strong>e „Naturabsicht walte,<br />

die zwar am <strong>ein</strong>zelnen Menschen nicht ohne weiteres sichtbar werde, aber doch an der gan-<br />

11 Schischkoff, Georgi: Wörterbuch. S. 347 f.<br />

2 Bubner, R.: Dt. Idealismus. S. 31.<br />

3 Ebd. S. 31 f.<br />

4 Ebd. S. 32.<br />

5 Fenske, Hans u. a.: Geschichte der politischen Ideen. S. 387.<br />

6 Kant, Immanuel: Schriften zur Geschichtsphilosophie. Stuttgart 1974. Reclam. S. 21.

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