Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
Philosophie konzipieren und eher Philosophen als Historiker sind.“ 1<br />
[162] Auslösendes Moment könnte unter anderem <strong>ein</strong> Satz <strong>Hegels</strong> zum Abschluß s<strong>ein</strong>er<br />
‚Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie‘ s<strong>ein</strong>, in dem er wünscht, „daß diese<br />
Geschichte der Philosophie <strong>ein</strong>e Aufforderung für sie enthalten möge, den Geist der Zeit, der<br />
in uns natürlich ist, zu ergreifen und aus s<strong>ein</strong>er Natürlichkeit, d. h. Verschlossenheit, Leblosigkeit<br />
hervor an den Tag zu ziehen und <strong>–</strong> jeder an s<strong>ein</strong>em Ort <strong>–</strong> mit Bewußts<strong>ein</strong> an den Tag<br />
zu bringen.“ 2<br />
<strong>Hegels</strong> <strong>Schüler</strong> vom „linken Flügel“ haben im Anschluß an dessen „absolut-geschichtliches<br />
Selbstverständnis“ „in der erreichten Totalität des Systems das Ende <strong>ein</strong>er Vollendung begriffen<br />
und daraus konsequenterweise gefolgert, daß man nach Hegel nicht mehr in der bisherigen<br />
Weise Philosophieren könne, sondern <strong>ein</strong>en ganz anderen und neuen Weg <strong>ein</strong>schlagen<br />
müsse, um aus <strong>Hegels</strong> Erinnerung des Gewesenen wieder in die Richtung <strong>ein</strong>es zukunftsvollen<br />
Fortschritts zu kommen“. 3<br />
Daß Hegel s<strong>ein</strong>en <strong>Schüler</strong>n <strong>ein</strong> schweres Erbe hinterließ, war ihnen klar, aber es war nicht<br />
nur das Erbe, welches <strong>Hegels</strong> Epigonen in den Schatten rückte, „sondern die schwere Aufgabe,<br />
die Hegel der Philosophie selbst gestellt hatte: der Mensch hatte ,sich auf den Kopf, das<br />
ist auf den Gedanken‘ zu stellen und ,nunmehr die Wirklichkeit nach dem Gedanken zu erbauen‘.<br />
Es ging nun nicht mehr bloß um die Bildung des Bewußts<strong>ein</strong>s der Freiheit all<strong>ein</strong>,<br />
sondern ausdrücklich um dessen Verwirklichung. Es ging um die Philosophie, die diese Verwirklichung<br />
selbst unmittelbar ins Werk zu setzen imstande war.“ 4<br />
Haben die Althegelianer „<strong>Hegels</strong> gesammeltes Reich historisch bewahrt“ 5 , so begannen die<br />
Junghegelianer es in Provinzen zu zerteilen, s<strong>ein</strong> System zu zersetzen und es so zu <strong>ein</strong>er „geschichtlichen<br />
Wirkung“ 6 zu bringen.<br />
[163] Um den „Umsturz der <strong>Hegels</strong>chen Philosophie durch die Junghegelianer“ 7 zu verdeutlichen,<br />
bedient sich Karl Löwith des öfteren der Methode der Erklärung des Begriffes „Junghegelianer“,<br />
welche für ihn „zunächst nur im Sinne der jüngeren Generation von <strong>Hegels</strong><br />
<strong>Schüler</strong>n gem<strong>ein</strong>t“ 8 ist. „In der Bedeutung von ,Linkshegelianern‘ bezeichnet er die im Verhältnis<br />
zu Hegel revolutionäre Umsturzpartei. Man hat sie zu ihrer Zeit auch <strong>–</strong> im Gegensatz<br />
zu den ,Hegelitern‘ <strong>–</strong> ,Hegelinge‘ genannt, um die revolutionären Allüren dieser Jünglinge zu<br />
kennzeichnen. Zugleich hat die Unterscheidung von Alt- und Junghegelianern aber auch <strong>ein</strong>en<br />
mittelbaren Bezug auf <strong>Hegels</strong> Unterscheidung der ,Alten‘ und ,Jungen‘, die <strong>Stirner</strong> trivialisiert<br />
hat. Die Alten, das sind in <strong>Hegels</strong> System der Sittlichkeit die wahrhaft zur Regierung<br />
Berufenen, weil ihr Geist nicht mehr das Einzelne, sondern nur noch ,das Allgem<strong>ein</strong>e denkt‘.<br />
Sie dienen als leibhaftige ,Indifferenz‘ gegenüber den verschiedenen Ständen der Erhaltung<br />
des Ganzen. Die Alten leben nicht wie die Jünglinge in <strong>ein</strong>er unbefriedigten Spannung zu <strong>ein</strong>er<br />
ihnen unangemessenen Welt und im ,Widerwillen gegen die Wirklichkeit‘; sie existieren<br />
auch nicht in der männlichen ,Anschließung‘ an die wirkliche Welt, sondern wie Greise sind<br />
sie, ohne jedes besondere Interesse für dies oder jenes, dem Allgem<strong>ein</strong>en und der Vergangenheit<br />
zugewandt, der sie die Erkenntnis des Allgem<strong>ein</strong>en verdanken.<br />
Dagegen ist der Jüngling <strong>ein</strong>e im Einzelnen haftende und zukunftssüchtige, die Welt verändernwollende<br />
Existenz, die, un<strong>ein</strong>s mit dem Bestehenden, Programme entwirft und Forde-<br />
1 Ebd.<br />
2 Hegel: Werke. Bd. 20. S. 462.<br />
3 Löwith, K.: <strong>Hegels</strong>che Linke. S. 9.<br />
4 Mader, J.: Von Hegel zu Marx. S. 11 f.<br />
5 Löwith, K.: Von Hegel zu Nietzsche. S. 78.<br />
6 Ebd.<br />
7 Ebd.<br />
8 Ebd.