Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
hundert und in unserer Zeit betrachtet, als „,Reduzierungsbewegung‘“. 1 Bernd Kast <strong>–</strong> Wisser<br />
zitierend <strong>–</strong> stellt dessen Abhandlung dergestalt dar: „Wisser stellt dar, daß dem Denken <strong>Hegels</strong><br />
,der Kreis als Bewegungsfigur des absoluten Geistes auf s<strong>ein</strong>em Weg von sich zu sich‘<br />
zugrundeliegt. Der Begriff [160] als die Vollzugsform des Begreifens, ‚als das umgreifende<br />
Ganze hat im Kreis, der alles umfaßt, s<strong>ein</strong> Symbol. Der Kreis, dessen Bewegung Kreisbewegung<br />
ist, veranschaulicht, daß das Absolute Eins und Alles, wesentlich Resultat ist, d. h. daß<br />
es erst am ,Ende das ist, was es in Wahrheit ist‘ (PhG).<br />
Dieses Kreisdenken als ,Grund-Bewegung‘ und ,Rund-Bewegung‘ kennt k<strong>ein</strong> Links und k<strong>ein</strong><br />
Rechts, weil die Richtung des Kreises der Kreis selbst ist und Seitigkeit per definitionem ausgeschlossen<br />
ist. Seitigkeit, Seiten, Ein-Seitigkeit gibt es erst von dem Moment an, wo ,man<br />
nicht mehr den Kreis für die Grund-Figur hält, sondern die Linie, genauer: erst seitdem der<br />
Kreis zur Linie aufgebogen worden ist ...‘<br />
Dieser Vorgang erst ermöglicht lineares Denken, Denken auf der Linie: ,Jetzt ist die neue<br />
Richtung des Vorwärts, das Hindurch, der Fortschritt, das Voran auf der Linie.‘<br />
Die Linken insbesondere ,denken die Dialektik nicht mehr kreisförmig geschlossen, aber<br />
auch nicht nach oben vertikal überhöhend, aufhebend, hinauf-hebend, sondern radikal in die<br />
Immanenz hin<strong>ein</strong>gelegt ...‘. ,Nachdem der Kreis gesprengt ist, ..., wird die in sich rotierende<br />
Bewegung des absoluten Geistes als Ideologie entlarvt‘.“ 2<br />
Dieser Darstellung liegt vor allem das Aufbrechen des „Kreises“ zu Grunde, welches in erster<br />
Linie und radikal von den Linkshegelianern besorgt wurde. Zur anfänglichen religionsphilosophisch<br />
geführten Kontroverse „in der Frage des Gottesmenschtums, der Persönlichkeit<br />
Gottes und der Unsterblichkeit der Seele“ 3 fügt sich nun <strong>ein</strong>e historische und politische Dimension<br />
an.<br />
Jetzt bewegt sich „das Denken der radikalen <strong>Schüler</strong> von Hegel ... im Grunde um <strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>zige<br />
Frage, die erstmals [161] durch Hegel gestellt wurde und nach wie vor aktuell ist: wie verhält<br />
sich die Philosophie zur Geschichte der Welt?“ 4<br />
Nach Karl Löwiths Ansicht bezogen sich „nicht nur die vielfachen Kontroversen der Linkshegelianer<br />
über <strong>Hegels</strong> Geschichtsphilosophie“ 5 auf die Geschichte, „sondern auch jene polemischen<br />
Grundbegriffe, die ihnen allen gem<strong>ein</strong>sam sind, ohne jedoch die Geschichte als<br />
solche wörtlich zu nennen: ,Wirklichkeit‘ und ,Verwirklichung‘, ,Praxis‘ und ,Existenz‘,<br />
,politisch‘ und ,sozial‘. Die Rede von der ,Wirklichkeit‘ betrifft nicht die von Natur aus bestehende<br />
Welt, sondern unsere geschichtlich-politische Welt; die Forderung der<br />
,Verwirklichung‘ der philosophischen Theorie in der ,Praxis‘ betrifft das wirkliche Zusammenleben<br />
der Menschen in der Geschichte der Welt; das Drängen auf die bestimmte<br />
,Existenz‘ betrifft, im Unterschied zum allgem<strong>ein</strong>en ,Wesen‘, das Heraustreten der sich selbst<br />
genügenden Philosophie in die geschichtliche Existenz, und die Forderung des Politischwerdens<br />
der Philosophie will die philosophische Theorie in den Dienst der weltgeschichtlichen<br />
Bewegung des radikalen Sozialismus stellen. Die theoretische Voraussetzung dieser Einbeziehung<br />
der Philosophie in die sozialgeschichtliche, praktische Existenz ist die Philosophie<br />
von Hegel und zwar nicht nur, weil sie die Weltgeschichte erstmals philosophisch bedenkt,<br />
sondern weil sie damit zugleich die Philosophie als Geschichte denkt. <strong>Hegels</strong> Philosophie der<br />
Geschichte und s<strong>ein</strong>e Geschichte der Philosophie beruhen beide auf <strong>ein</strong> und demselben Prinzip<br />
und erhellen sich gegenseitig. Desgleichen zeigt sich der Hegelianismus der Linkshegelianer<br />
vor allem darin, daß sie die Geschichte der Welt im Ausgang von der Geschichte der<br />
1 Wisser, R. in: Kast, B. S. 14.<br />
2 Kast, B.: Eigner. S. 14 f.<br />
3 Löwith, K.: Von Hegel zu Nietzsche. S. 65.<br />
4 Löwith, K.: Die <strong>Hegels</strong>che Linke. Stuttgart-Bad Canstatt 1962. S. 7.<br />
5 Ebd.