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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

zugestehen soll, verpflichtet, das Weglassen aufzuarbeiten, und zwar all<strong>ein</strong>e schon deswegen,<br />

weil es so lange unbeachtet gelassen worden war. Das ist <strong>ein</strong>e billige Gerechtigkeitsforderung<br />

philosophiehistorischen Bewußts<strong>ein</strong>s. Aber nicht nur das. Die Wiedererinnerung an Vergessenes<br />

gewinnt unter Umständen die Funktion der Korrektur an <strong>ein</strong> Verhältnis der Philosophie<br />

zu ihrer eigenen Geschichte, das auch in systematischer Hinsicht zu Irrtümern führt, nämlich<br />

zu <strong>ein</strong>er falschen Philosophie der Philosophiegeschichte. Es gibt <strong>ein</strong> Verhältnis zur Vergangenheit<br />

der Philosophie, das sich ausschließlich der ,Fürsten im Geisterreich‘ zuwendet und<br />

sich um das, was um sie her ist, nicht kümmert.<br />

Dagegen ist zunächst nichts zu sagen; denn beim Souverän fallen oft die Entscheidungen.<br />

Isoliert sich <strong>ein</strong>em aber der Souverän allzusehr aus s<strong>ein</strong>er Umgebung, kennt man die Schulen<br />

nicht mehr, die deren Häupter gestiftet haben, verschwindet <strong>ein</strong>em also die wirkliche Bewegung<br />

der Geschichte des Denkens mit ihren Kontinuitäten und daraus re- und evolutionär erwachsenden<br />

Antithesen <strong>–</strong> dann bildet sich die Vorstellung <strong>ein</strong>es ,stiftenden Denkens‘, das<br />

man sich in s<strong>ein</strong>er alsdann unbegreiflichen Originalität <strong>ein</strong>zig als ,Geschick‘ höherer Instanzen<br />

erklären kann. Allerdings ist die Philosophiegeschichte k<strong>ein</strong> demokratischer Prozeß. Aber<br />

das heißt lediglich, daß ihre Entscheidungen nicht durch Mehrheitsbeschlüsse fallen. Es heißt<br />

nicht, daß das Denken, und sei es das entscheidungsmächtigste, ohne die Vermittlung schulmäßiger<br />

Lehre und Überlieferung, ohne die mannigfachen Voraussetzungen des anerkannten<br />

oder polemisierten Bekannten s<strong>ein</strong> könnte, was es ist.“ 1<br />

[152] Diesen Ausführungen Lübbes kann man grundsätzlich zustimmen, wenn man die daraus<br />

gewonnenen Erkenntnisse nicht nur auf die <strong>–</strong> wie es in s<strong>ein</strong>er Schrift geschieht <strong>–</strong> Althegelianer,<br />

sondern auch auf die weniger bekannten unter den Junghegelianern anwendet.<br />

Lübbe anerkennt die Bedeutung der <strong>Hegels</strong>chen Rechten, die zwar „<strong>ein</strong> klassischer Fall<br />

schulmäßigen Philosophierens“ 2 ist, deren „breitenwirksames Lehren“ jedoch „in die Philosophiegeschichte<br />

des deutschen 19. Jahrhunderts <strong>ein</strong> Moment starker Kontinuität über Jahrzehnte<br />

hinweg“ 3 fügt.<br />

Die Zahl der Mitglieder der rechten Schule <strong>Hegels</strong> kommt k<strong>ein</strong>er anderen gleich. Bereits<br />

1860 zählt Karl Rosenkranz, „der selber fast <strong>ein</strong> halbes Jahrhundert lang (von 1833 bis zu<br />

s<strong>ein</strong>em Tode 1879) in Königsberg als Hegelianer dozierte und schrieb“ 4 , siebzig Zugehörige<br />

zu dieser Schule. Die Zahlen bezeugen <strong>ein</strong>en Einfluß, den man aus dem Bild der deutschen<br />

Philosophie des 19. Jahrhunderts nicht streichen kann, ohne dieses Bild zu verzerren.<br />

Die rechten Hegelianer sind diejenigen, die „den Weg des Denkens ohne Bruch fortzusetzen<br />

versuchten. Sie haben damit nicht verhindern können, daß andere ihn vollzogen. Das ist<br />

gleichwohl k<strong>ein</strong> Grund, sie ihrer Vergessenheit zu überlassen.“ 5<br />

Hermann Lübbe sieht den Grund für die Verdrängung im politischen Denken der <strong>Hegels</strong>chen<br />

Rechten, nimmt aber gleich vorweg, „dieses politische Denken war k<strong>ein</strong>eswegs ,reaktionär‘;<br />

vielmehr war es die philosophische Seite jener vielgestaltigen politischen, gesellschaftlichen<br />

und geistigen Tendenzen, die, ohne daß sie die Revolution als diese gewollt hätten, in der<br />

Bewegung des Jahres 1848 ans Ziel zu gelangen hofften.“ 6<br />

[153] „In der <strong>Hegels</strong>chen Schule hatte sich damals die deutsche Philosophie ... dem politisch-gesellschaftlichen<br />

Leben verbunden“ 7 , führt Hermann Lübbe aus und schließt daraus:<br />

„Genau das aber brachte sie um ihre Geltung und um ihr Fortleben in der philosophiehistori-<br />

1 Ebd.<br />

2 Ebd.<br />

3 Ebd.<br />

4 Ebd.<br />

5 Ebd. S. 31.<br />

6 Ebd. S. 31 f.<br />

7 Ebd. S. 32.

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