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Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?

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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />

die ich als ziemlich nahe verwandt, k<strong>ein</strong>eswegs aber kongruent bezeichnet habe. Es ist hier<br />

nicht der Ort, das, was der Wiedererwecker <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong>s, dieser konsequente Individualist,<br />

Anarchismus nennt, von dem, was ich so nenne, erklärend abzugrenzen, obwohl solche<br />

Grenzziehung das politische Gebiet kaum zu streifen brauchte. Jedenfalls betonte Mackay bei<br />

jeder Unterhaltung, die zwischen uns selbstverständlich fast immer unsere Stellung zur staatlichen<br />

Gesellschaft betraf, den Egozentrismus s<strong>ein</strong>er Weltanschauung. ,Sie sind gar k<strong>ein</strong> Anarchist‘,<br />

sagte er dann in s<strong>ein</strong>er behinderten Sprechweise, ,Sie sind Kommunist‘. Was er wollte,<br />

war vor allen Dingen die persönliche Freiheit von gesetzlichen Fesseln aller Art, die Ersetzung<br />

jeglicher Zwangsmaßnahmen durch die freie Ver<strong>ein</strong>barung, und als freie Ver<strong>ein</strong>barung<br />

unter freien Persönlichkeiten betrachtete er in besonderm Maße die aus dem Verkehr der<br />

Menschen natürlich gewordene Konvention. So erklärte es sich, daß Mackay trotz s<strong>ein</strong>er<br />

Überbetonung der persönlichen Freiheit in s<strong>ein</strong>em Benehmen [145] der konventionellste<br />

Mensch war, der im Café des Westens <strong>–</strong> um mit Rossius zu reden <strong>–</strong> ,auflag‘. Der Dichter des<br />

,Sturm‘ und des sozialen Sittengemäldes ,Die Anarchisten‘ paßte empfindlich auf, daß in s<strong>ein</strong>er<br />

Gegenwart k<strong>ein</strong>e gesellschaftliche Form verletzt würde, kleidete sich in sorgfältig durchdachte<br />

Unauffälligkeit, verhielt sich in jeder Situation pedantisch korrekt, wurde aber sehr<br />

spitz, wenn jemand etwa den Fauxpas beging, den deutschen Dichternamen Mackay nach<br />

s<strong>ein</strong>er schottischen Herkunft auszusprechen: ,Mac-kei! wenn ich bitten darf!‘ <strong>–</strong> es ist k<strong>ein</strong><br />

Zweifel, daß Mackay s<strong>ein</strong>e schrullige Gestelztheit mit <strong>ein</strong>er gewissen Absicht zur Schau trug.<br />

Er wollte s<strong>ein</strong> Gefühlsleben, soweit er es nicht in s<strong>ein</strong>er Dichtung zum Ausdruck brachte,<br />

völlig für sich haben. Niemand sollte in <strong>ein</strong> Herz hin<strong>ein</strong>sehen, das unmaskiert nur in der<br />

Charlottenburger Junggesellenwohnung zwischen <strong>ein</strong>er herrlichen Bibliothek schlagen mochte<br />

und dessen menschliche Wärme sich in der pietätvollen Wallung verrät, die Mackay s<strong>ein</strong>em<br />

theoretischen Meister <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> auf dem alten Friedhof in der Invalidenstraße <strong>ein</strong>en<br />

schönen Grabst<strong>ein</strong> setzen ließ. Ich war im Kaffeehaus häufig in des Freiheitsdichters Gesellschaft,<br />

habe ihn aber jetzt wohl seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen und schließe nur aus<br />

der Feststellung, daß ihn der Kürschner noch mit derselben Adresse führt, wie damals, daß<br />

sich auch sonst nicht viel im Wesen, Denken, Schaffen und Wollen John Henry Mackays geändert<br />

haben wird.“ 1<br />

[146]<br />

5. Die Spaltung der <strong>Hegels</strong>chen Schule<br />

<strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong>s immer wiederkehrende Bezeichnung s<strong>ein</strong>er Zugehörigkeit zu den Links- oder<br />

Junghegelianern <strong>–</strong> „wobei beide Bezeichnungen synonym gebraucht werden“ 2 <strong>–</strong> gibt den berechtigten<br />

Anlaß dazu, sich mit dieser „Richtungsbestimmung“ 3 etwas näher aus<strong>ein</strong>anderzusetzen<br />

und philosophiegeschichtlich damit zu beschäftigen.<br />

Für Hermann Lübbe gibt sich „die Unterscheidung <strong>ein</strong>es ,rechten‘ Flügels der <strong>Hegels</strong>chen<br />

Schule von <strong>ein</strong>em ,linken‘ ... klarer, als sie ist. Andererseits hat sie sich so sehr festgesetzt,<br />

daß der Versuch, auf sie zu verzichten, unzweckmäßig und künstlich wäre“ 4<br />

Er setzt weiters fort: „Vor Missverständnissen schützt am besten die Kenntnis ihrer Herkunft.<br />

Zunächst muß man wissen, daß sie ursprünglich, trotz des politischen Vergleiches, gar<br />

nicht politisch gem<strong>ein</strong>t war. Sie diente zuerst der Kennzeichnung unterschiedlicher Positionen<br />

der Schule <strong>Hegels</strong> in religionsphilosophischen Fragen.“ 5 Entfacht hatte den Streit um<br />

diese Fragen der Theologe David Friedrich Strauß (1808-1874), der im Jahre 1835 mit s<strong>ein</strong>em<br />

Werk ‚Das Leben Jesu‘ an die Öffentlichkeit getreten war.<br />

1 Mühsam, Erich: Unpolitische Erinnerungen, in: Ausgewählte Werke. Bd. 2. Berlin 1978. S. 540 ff.<br />

2 Kast, B.: Eigner. S. 1.<br />

3 Ebd.<br />

4 Lübbe. H.: Politische Philosophie. S. 33.<br />

5 Ebd.

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