Harald Pamminger: Max Stirner – ein Schüler Hegels?
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OCR-Texterkennung und Copyright by <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> Archiv Leipzig <strong>–</strong> 12.09.2009<br />
s<strong>ein</strong>e Vollstrecker waren zu jener Zeit hauptsächlich in Rußland und Italien, Frankreich und<br />
Spanien zu suchen. Ja, die internationalen Anarchisten, Theoretiker und Praktiker, haßten<br />
Deutschland, weniger wegen Bismarck und Wilhelm als wegen Marx.<br />
[140] Der Anarchismus war k<strong>ein</strong> Kind des Proletariats. Woher kamen denn s<strong>ein</strong>e führenden<br />
Vertreter? Fast durchweg aus der intellektuellen Schicht von Bürgerlichen und Adeligen, die<br />
selber nie Land- oder Fabrikarbeit kennengelernt, nie Arbeitslosigkeit oder Hunger an sich erfahren<br />
hatten. In ihrem Haß gegen den Staat war vielerlei gesammelt: Mit dem Überdruß an<br />
den ihnen als höchste Werte gepredigten Begriffen: Gottesgnadentum, Ordnung, Gehorsam,<br />
Patriotismus mischte sich ehrliches Mitleid mit den Ausgebeuteten, fanatischer Gerechtigkeitssinn<br />
aber auch bedenkenlose Menschenverachtung.<br />
Mit diesem aktionistischen Anarchismus verband Mackays Weltsicht nichts. Doch all<strong>ein</strong> der<br />
aus <strong>Stirner</strong>s Lehren destillierte und von ihm übernommene Begriff mußte Argwohn erregen.<br />
Denn er forderte dazu heraus, ihn mit den Doktrinen umstürzlerischer Dynamiteros gleichzusetzen.<br />
Sich dagegen zu wehren, kostete Mackay viel Zeit und Kraft. Er war <strong>ein</strong> Sozialist sui<br />
generis.“ 1<br />
Im Jahre 1889 ging Mackay in die Schweiz, wo er s<strong>ein</strong>e weltanschaulichen Schriften nicht<br />
mehr anonym, sondern unter s<strong>ein</strong>em Namen publizieren konnte, in denen er „grundsätzlich<br />
und endgültig mit dem kommunistisch gefärbten Anarchismus <strong>ein</strong>es gewaltsamen Umsturzes<br />
gebrochen hatte“. 2<br />
Das Schicksal, von s<strong>ein</strong>en geistigen Gesinnungsgenossen wegen theoretischer und strategischer<br />
Differenzen verstoßen worden zu s<strong>ein</strong>, teilt er mit <strong>ein</strong>er Anzahl anderer sozialistischer<br />
Schriftsteller, wie z. B. Bruno Wille, Gustav Landauer, Erich Mühsam u. a.<br />
[141] Dennoch kann man s<strong>ein</strong>e Zeit in der Schweiz als s<strong>ein</strong>e glücklichste bezeichnen. Er hatte<br />
hier <strong>ein</strong>e engere Beziehung zu Frank Wedekind, der wie Mackay hier denselben Verleger<br />
hatte.<br />
Im selben Jahr hatte er <strong>ein</strong>e andere entscheidende menschliche Begegnung mit dem amerikanischen<br />
Sozialisten Benjamin R. Tucker. Auslösendes Motiv für die Freundschaft waren<br />
Tuckers Übersetzungen der europäischen Frühsozialisten, vor allem aber s<strong>ein</strong>e Übersetzung<br />
<strong>Stirner</strong>s.<br />
In Deutschland galt Mackay als „linker Tendenzdicher“, dessen Leserkreis im Laufe der Jahre<br />
immer mehr schrumpfte und im wesentlichen nur noch Generationsgenossen umfaßte, „die<br />
von gleichartigen zeitgeschichtlichen Erfahrungen geprägt waren. Der jüngeren Generation<br />
zwischen Erstem Weltkrieg und Faschismus mußte die Esoterik s<strong>ein</strong>er sozial-ethischen Anschauungen<br />
letztlich fremd bleiben.<br />
Bei so deutlichem Fehlen von Widerhall und Wirkung konnte die Bilanz s<strong>ein</strong>er schriftstellerischen<br />
Existenz nicht anders als verbittert s<strong>ein</strong>“. 3<br />
In dem Buch ‚Abrechnung‘ <strong>–</strong> dem letzten zu s<strong>ein</strong>en Lebzeiten erschienen <strong>–</strong> wehrte er sich<br />
gegen die Unterstellung, sich selbst als Märtyrer darzustellen. Dazu schreibt Schwedhelm:<br />
„Das sei nicht s<strong>ein</strong>e Rolle. Mit <strong>ein</strong>em Unterton des Selbstmitleids versichert er, der nie dem<br />
Ruhm nachgelaufen sei, ja ihn geradezu als der R<strong>ein</strong>heit s<strong>ein</strong>er Idee abträglich angesehen habe.<br />
Zugleich aber erwähnt er mit merklichem Stolz die Auflagenhöhe s<strong>ein</strong>er meist verbreiteten<br />
Bücher. Es bleibt ihm nichts, als auf <strong>ein</strong>en künftigen Sieg der Vernunft zu vertrauen, dem<br />
Nochnicht enttäuschter Erfahrung das Der<strong>ein</strong>st s<strong>ein</strong>er Hoffnung entgegenzuhalten. In dem<br />
weit über [142] den Realitäten errichteten Gehäuse s<strong>ein</strong>es Gedankensystems hatte er sich als<br />
der geheime Präzeptor <strong>ein</strong>er kommenden Gesellschaft der Freien gefühlt. Wieviel an Idealis-<br />
1 Ebd.<br />
2 Ebd. S. 22.<br />
3 Ebd. S. 24.